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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. November 2014; 10:32
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Bücher:

> Ukraine-Broschüre mit Lücken

Michael Pröbsting:
Ukraine between US/EU and
Russian Imperialism.
Revolutionary Communism No.28 November 2014, Vienna.
31 Seiten, 5 Euro.

Wer des Englischen mächtig ist, erfährt in der Broschüre eine Menge über den
Konflikt/Krieg in der Ukraine -- vor allem über die Vorgänge und Strukturen
im Osten des Landes.

Nach wie vor herrscht in breiten Teilen der Linken hinsichtlich der Ukraine
Uninformiertheit, Unsicherheit oder Denken in "Lager"kategorien vor. Nicht
wenige Debatten erschöpfen sich in Schwarz-Weiß-Zuweisungen wie "alle auf
dem Maidan waren Rechte, wenn nicht Faschisten" bzw. im Osten des Landes
sind alle "Agenten Putins". Michael Pröbstings Analyse hebt sich wohltuend
von solcher Kurzsichtigkeit ab.

Zurecht wird die Yanukowich-Regierung als Repräsentation der "Interessen
einer reaktionären Gruppe von Oligarchen mit pro-russischer Orientierung"
(S.4) charakterisiert. Andererseits wird gut der Prozeß der Formierung des
Protests im Osten des Landes gegen die rechte, neoliberale
"Übergangsregierung" in Kiew und ihren Krieg gegen den Donbass dokumentiert.

Gezeigt wird, wie der westliche Imperialismus und der Imperialismus Rußlands
vielfältig intervenieren, um ihre jeweiligen "claims" abzustecken.

Die Broschüre legt dar, wie legitim der Widerstand im Osten war und ist,
aber er schildert ihn in keiner Weise blauäugig. Vielmehr wird gezeigt, daß
von Anfang an im Donbass "Kreml-Vertraute", großrussische Chauvinisten und
Rechtsextremisten kräftig mitmischten und heute klar die Oberhand haben!

Auch die geopolitischen Passagen der Broschüre sind differenziert. Nach
einer Charakterisierung der verschiedenen imperialistischen Fraktionen in
Rußland (z.B. der einflußreichen "Eurasier") heißt es hinsichtlich der
dominanten Putin-Gruppierung: "Moskau wollte nicht die Donbass-Region
annektieren, sondern eher die Aufstände als Instrumente gebrauchen, um auf
das neue Regime in Kiew Druck auszuüben und einen vorteilhaften deal in
ihren bilateralen Beziehungen zu erreichen" (S.16).

Zwei solidarisch kritische Anmerkungen erscheinen mir notwendig. Ich hätte
mir gewünscht, daß die Ereignisse auf dem Maidan mit der gleichen
prozeßhaften Methode dargestellt werden wie die Vorgänge im Donbass. Am
Maidan fand schlußendlich eine "politische Enteignung" der Bewegung statt.
Demgegenüber heißt es im Text lapidar: diese Bewegung "entstand vom Anfang
an als eine Bewegung, die ein reaktionäres Ziel unterstützte (Beitritt zur
EU)" (S.4). Wichtige Faktoren, wie etwa die mehr als 5000 (sic!) Kämpfe, die
es in der Ukraine 2013 gegeben hat und die auf dem Maidan ebenfalls ihren
Ausdruck fanden (es gab sogar marxistische Schulungen) werden so
ausgeblendet.

So richtig der abschließende Forderungskatalog der Broschüre auch ist
(S.24), erscheint er mir doch zu linear aus dem "revolutionär-marxistischen
Handgepäck" abgeleitet zu sein. Es fehlen die nächsten Schritte, damit er
Wirklichkeit wird: Wiederherstellen einer gemeinsamen Gesprächsbasis der
ukrainischen Linken (sie reden derzeit nicht einmal miteinander!);
"Friedenskonferenzen"; internationale Aktionstage; Ausarbeitung eines
(Übergangs)programms "von unten", das den Oligarchen und dem jeweiligen
Imperialismus konkret die Stirn bietet.
*Hermann Dworczak*


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