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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 5. November 2014; 17:41
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Glosse:

> Die heutige Jugend -- aber die andere

[ Audiofassung: http://cba.fro.at/272697 ]

"Die heutige Jugend..." -- dieses Lamento ist ein paar Tausend Jahre alt und
wird von Generation zu Generation weitervererbt. Und in jeder Generation hat
es ganz bestimmte Konnotationen und Färbungen. Unvergessen bleibt uns da zum
Beispiel Otto König, der in den 70ern via TV ernsthaft bezweifelte, daß die
Menschheit das Jahr 2000 erleben würde, weil die damalige heutige Jugend so
verantwortungslos und verweichlicht sei, daß sie das Überleben unserer
Gesellschaft nicht werde sichern können.

Die heutige heutige Jugend ist quasi das Gegenteil davon. Diese Jugend hat
wieder Ideale und will in den Kampf ziehen -- sollte man meinen, wenn man
dieser Tage den Fernseher aufdreht und vor allem den Boulevard liest. Horden
von mitteleuropäischen Jugendlichen ziehen in den Dschihad! Die muß man aber
sofort einsperren; auch wenn sie 14 Jahre alt sind, denn die Gesellschaft
weiß sich offensichtlich nicht anders zu helfen. Und denjenigen von diesen
Massen -- die sich dann bei genauerem Hinsehen als doch nicht ganz so
massenhaft herausstellen --, die schon ins "Kalifat" gefahren sind, läßt man
gleich mitteilen, daß sie zu Hause schon der Strafrichter erwartet, sollten
sie lebend zurückkehren.

Ja, so kümmert sich die Republik um ihren Nachwuchs. Aber, einem
christlichen Gott sei Dank, das sind ja gar nicht "unsere" Jugendlichen. Das
sind die Kinder von den Anderen, den Fremden, denen aus der Unterschicht.
Denen muß man ja keine Hoffnungen geben, die kann man ruhig fertigmachen.
Thomas Schmidinger sei gedankt, als er in einer Fernsehdiskussion erwähnte,
daß sich in der Beratungsstelle, in der er sich engagiert, auch
nichtmigrantische Eltern gemeldet hätten, deren Kinder Begeisterung für IS
und Co. zeigen. Nur ging das halt leider in der Debatte unter und der hier
geborene Mittelstandsbürger kann das überhören.

Szenenwechsel. Am Wiener Alsergrund wird demnächst eine Suchtberatungsstelle
eröffnet. Riesenwirbel im Grätzel -- natürlich auch ordentlich angeheizt von
FPÖ und ÖVP: Man könne das doch nicht in der Nähe von Schulen machen, so der
Tenor des Protests von Anrainern. Achja? Einmal abgesehen davon, daß in Wien
fast überall viele Schulen sind und daß es nicht sinnvoll wäre, eine
niederschwellige Einrichtung an der Höhenstraße oder beim Friedhof der
Namenlosen zu situieren, wo die Klientel wohl nicht so leicht hinfindet,
stellt sich die Frage: Warum eigentlich nicht in der Nähe von Schulen? Das
seien "die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, allen voran die der Eltern um
ihre Kinder, die sie vor dem Kontakt mit Junkies und Drogen bewahren
wollen", so der Herr Gudenus von der FPÖ. Ja, klar, weil die Jugendlichen,
die dort in die Schulen gehen, würden ja sonst nie und nimmer in Gefahr
geraten, suchtkrank zu werden. Sicher, denn zu so einer Beratungsstelle
kämen ja sicher nur erstens Erwachsene und zweitens von wo ganz anders in
diesen braven bürgerlichen Bezirk. Daß die eigenen Kinder vielleicht einmal
ein Drogenproblem haben könnten und es ganz sinnvoll sein könnte, wenn in
der Nähe eine Beratungsstelle ist -- auf die Idee kommt der gemeine
Mittelstandsspießer gar nicht. Denn auch hier gilt: Das sind doch nicht
unseren Jugendlichen!

So sieht das Lamento in unseren Tagen also aus: "Diese heutige Jugend der
Anderen..." Und um die muß man sich auch gar nicht mehr kümmern und die muß
man auch nicht mehr verstehen. Weil um die ist es nicht schad! Wegsperren
oder sonst irgendwie aus dem Blickfeld mit ihnen!

Die Beschäftigung des Spießers mit der heutigen Jugend kann sich so auf das
wohlige Gruseln beim Lesen der nächsten Krone-Schlagzeile beschränken. Und
wenn sich das alles irgendwann gesellschaftlich doch nicht mehr ausgeht,
bleibt ihm immer noch die Befriedigung, es immer schon gewußt zu haben.
*Bernhard Redl*





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