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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Oktober 2014; 17:34
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Kurdistan/Debatte

> Allein gelassen

Die Kurdinnen und Kurden in Kobane kämpfen einen einsamen Kampf. Sie kämpfen
ihn für uns alle. Ihre Stadt ist von allen Seiten eingeschlossen. Auf drei
Seiten vom faschistischen Islamischen Staat. Die vierte Seite ist die Grenze
zur Erdogan-Türkei.

Erdogan hat monatelang den Islamischen Staat klammheimlich unterstützt.
Jetzt spielt er sich auf, als wäre er sein Gegner. Er lügt die
Weltöffentlichkeit an, er habe 150.000 Flüchtlinge aufgenommen; kurdische
Quellen decken auf, daß er eine Null dazu geschwindelt hat.

Erdogans Hauptziel in dieser Kampagne ist es, den kurdischen Widerstand zu
brechen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Er biedert sich an als Partner in
einer Anti-IS-Koalition - und hindert zugleich kurdische KämpferInnen daran,
aus der Türkei über die Grenze nach Kobane zu ziehen. Türkische Truppen
unterbinden die Lieferung der dringend benötigten Waffen, aber auch von
Wasser und Nahrung an die Eingeschlossenen.

Erdogan lügt, wenn er vorgibt, andere Ziele zu verfolgen als der Islamische
Staat. Sein Terror gegen die Demonstrierenden im Gezi-Park, seine
Islamisierung der Schulen und Universitäten, die Zensur freier Medien, die
Drohungen gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit lachen, beweisen das
Gegenteil.

Die Amerikaner, die angeblich erst jetzt die Gefahr erkennen, die vom
Islamischen Staat ausgeht, werfen überall Bomben ab, nur nicht dort, wo es
nötig wäre: auf den Belagerungsring um Kobane. Auch ihnen wäre ein freies
Kurdistan ein Dorn im Fleisch.

Ah ja, richtig. Erdogan hat ja ein Flugverbot gefordert entlang seiner
Grenze. Halten sich die Amerikaner schon vorauseilend daran?

Die Kurdinnen und Kurden in Kobane kämpfen auch für uns. Für uns alle in
Europa, die schon allzu sehr an den Frieden gewöhnt sind, an die (wenigstens
relative) Gleichheit von Männern und Frauen, an die Religionsfreiheit, an
eine halbwegs funktionierende Trennung von Kirche und Staat. Gar so lange
ist es ja nicht her, daß unsere Eltern und Großeltern das erkämpft haben.
Und es steht auch noch auf sehr wackeligen Beinen, auch hier bei uns.

Schande über alle, auch hierzulande, die jahraus, jahrein bemüht waren, die
Gefahr zu verharmlosen, die vom Islamismus ausgeht.

Schande über die Staatenwelt, die den Menschen in Kobane beim Kämpfen und
Sterben zusieht.

Solidarität mit dem kurdischen Widerstand!

*Michael Genner, Obmann von Asyl in Not*

http://www.asyl-in-not.org/php/allein_gelassen,20714,36480.html

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Anmerkungen der Redaktion

Die Redaktion der akin hat sich entschlossen, Genners Beitrag nachzudrucken,
weil er notwendig erscheint und wir auch nicht wissen, was man angesichts
der Situation tun soll. Aber: Unser Bauchweh, daß man Waffenlieferungen an
irgendjemanden fordern soll, geht deswegen nicht weg...

In eine ähnliche Kerbe schlägt übrigens die Grüne Jugend. In einer
Aussendung heißt es: "Den Kurden und Kurdinnen ist es in Syrien trotz des
Bürgerkrieges gelungen, eine demokratische Selbstverwaltung aufzubauen. Es
gab und gibt Sicherheit, Religionsfreiheit, Frauenrechte und demokratische
Mitbestimmung. Die türkische Regierung und die NATO nehmen nicht nur die
Niederlage und das drohende Massaker anscheinend hin, sondern riskieren
obendrein auch noch den Friedensprozess mit den Kurden und Kurdinnen in der
Türkei. Wenn die Bundesregierung und die EU permanent von Frauenrechten,
Demokratie und Menschenrechten reden, sollten sie vielleicht einmal diesem
zynischen Spiel ein Ende setzen. Jedenfalls sollte die PKK/PYD sofort von
der EU-Terrorliste gestrichen werden, auch als Signal an die türkischen
Eliten und die Regierung in Ankara. Selbst US-Vizepräsident Joe Biden gibt
mittlerweile zu, dass die US-Allierten in der Region, unter anderem die
türkische Regierung, bis jetzt das größte Problem waren."
( http://t.co/T15rlv9PAL )



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