**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Mai 2014; 17:40
**********************************************************

Polizei/Antifa:

> Eine Nacht im PAZ

Als Beispiel von vielen Erlebnissen am Samstag bei und nach der
Identitären-Demo: Die Schilderung eines Aktivisten der Sozialistischen
Jugend, der nach der Gegendemo die Nacht im Polizeianhaltezentrum
verbringen musste.
*

"Den Rechten die Zähne zeigen!" - unter diesem Motto ging ich am
Samstag dem 17.5. zur Gegendemonstration, die unser Unverständnis mit
dem Aufmarsch der rechtsextremen Identitärenbewegung zum Ausdruck
bringen sollte. Nun, der Zugang zur Mariahilferstraße blieb den
rechtskonservativen bis rechtsextremen Jugendlichen durch ein
langsames Vorrücken der Demo verwehrt, wodurch sie, von der Polizei
geschützt, auf eine kleine Nebenstraße ausweichen durften. Auf der
Mariahilferstraße fielen derweil mehrere PassantInnen mit
faschistischen Sprüchen und Hitlergrüßen auf, die von der Polizei
jedoch schlicht ignoriert wurden. Ein düsteres Vorzeichen für die
Ereignisse, die der Nachmittag für uns bereit hielt.

Nachdem die linke Demo beim Museumsquartier aufgelöst wurde, stürmten
Polizei und DemonstrantInnen gleichermaßen zum Volkstheater, wo sich
kurz darauf der identitäre Block einfand. Schon dort begann die
Polizei Kessel zu bilden und trennte so die beiden Gruppen.
Videoaufnahmen von Vice zeigen, wie die Polizei den Rechtsextremen
trotz Eingeständnis des Kontrollverlusts über die Situation mehr Zeit
für ihre Kundgebung einräumt.

Zu diesem Zeitpunkt entfernte ich mich mit einem Freund um den sich
abzuzeichnenden Zusammenstößen zu entgehen und machte mich auf den
Heimweg. Wir warteten bei einer Straßenbahnstation in der
Josefstädterstraße mit einer Gruppe FreundInnen, die wir auf dem Weg
getroffen hatten, als plötzlich das Chaos losbrach. Einsatzwägen mit
Blaulicht rasten, eine Meute DemonstrantInnen vor sich her jagend,
rücksichtslos die Straße hinab um ihnen an der Ecke, an der wir auf
die Straßenbahn warteten, den Weg zu versperren. Daraufhin flüchteten
die panischen Menschen sich in eine Douglas-Filiale, aus der sie
brutal gezerrt und auf die Straße geworfen wurden, während die Polizei
unsere Gruppe trennte. Willkürlich ausgewählt ließ sie dann einen Teil
unserer FreundInnen gehen und hielt uns sechs Übriggebliebenen
SJlerInnen zusammen mit den Leuten aus dem Geschäftslokal fest.

Von stadteinwärts kamen zwei Beamte, die eine Frau unter
Gewaltanwendung zur Festnahmestelle zerrten. Ebenjene Frau die, durch
die keineswegs provozierte brutale Attacke eines der Polizisten auf
dem Asphalt aufschlug und noch im Krankenwagen eine Fehlgeburt erlitt
(Anm. akin: Was mittlerweile als zweifelhaft angesehen werden muß,
wirklich geklärt war die Sache bei Redaktionsschluß der akin immer
noch nicht). Die Polizeisprecherin meinte in einem Interview dazu:
"Prinzipiell gilt: Wenn man sich der Polizei in den Weg stellt, muss
man mit Konsequenzen rechnen, auch wenn man schwanger ist".

Uns wurde derweilen mitgeteilt, dass wir verhaftet seien, aufgrund der
"Sprengung einer Demo von innen", einem Delikt, von dem wir bis jetzt
noch nie gehört hatten. Diese Information stellte sich jedoch bei der
Aufnahme der Personendaten als falsch heraus, wo mir der zuständige
Beamte -- wohlgemerkt nur auf mein ausdrückliches Nachfragen hin -
mitteilte, wir seien alle wegen Sachbeschädigung verhaftet.
Sachbeschädigung an einem Geschäft, dass ich nie betreten hatte.

Dann begann das wahre Martyrium. Um ca. 16:30 wurden wir mit
Häftlingstransportern ins Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände
verfrachtet, wo lange Stunden Haft auf uns warteten. Ich selbst hatte
dabei Glück im Unglück, da ich wegen Überlastung der Anlage zusammen
mit fünf anderen in eine Gemeinschaftszelle gesperrt wurde. Die
restlichen Leute mussten bis zu ihrer Entlassung in Einzelzellen
ausharren.

Sämtliche Zeitangaben die nun folgen konnten nur per Gegensprechanlage
von den WachbeamtInnen erfragt werden, da uns sämtliche Uhren
abgenommen wurden und auch keine in unserer Zelle hing. Schleppend
langsam begann der Einvernehmungsprozess, der in meiner Zelle um etwa
23:30 begann. Nach und nach leerte sich der Raum, bis wir nur noch zu
zweit waren. Mein Freund sagte noch zu mir: "Egal wen sie von uns
rauslassen, entweder ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich dich
zurücklassen muss, oder ich muss hier alleine warten."

Zehn Minuten später nahmen sie ihn mit und ließen mich zurück. Zu
diesem Zeitpunkt war es etwa 1:15. Um 4:10 erfuhr ich endlich, dass
ich die Nacht hier verbringen müsste. Mittlerweile komplett
desillusioniert, warf ich mich herum, bis ich endlich einschlief.

Am nächsten Morgen bekam ich nach sechzehn Stunden Polizeigewahrsam
meine erste Mahlzeit und wurde dann kommentarlos in eine Einzelzelle
verlegt. Mit rasendem Hirn ließ man mich völlig uninformiert eine
weitere Stunde warten -- und versucht gar nicht erst euch
vorzustellen, wie sich eine Stunde in einem etwa 9m² großem Zimmer mit
vergittertem Fenster anfühlt - bis man mich schließlich zur
Einvernahme brachte und endlich, als letzten Demonstranten, entließ.
Vor dem PAZ empfang mich eine Gruppe tapfer ausharrender
AntifaschistInnen, deren herzliche Begrüßung die Schrecken des letzten
Tages etwas linderte. ###

Quelle:
http://hernals.sjw.at/demo-erlebnisbericht/



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW