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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. Mai 2014; 02:14
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Wien:

> Falter versus Amerlinghaus

Die Wochenzeitung "Falter" veröffentlichte in ihrer letzten Ausgabe
einen Artikel mit dem Titel "Das nicht ganz so arme Amerlinghaus".
Untertitel: "Die Stadt kürzt dem prominenten Alternativprojekt die
Förderung. Aus gutem Grund." In diesem, in den einschlägigen Foren
heftig diskutierten Text von Barbara Tóth heißt es unter anderem:

"[...] Im Amerlinghaus scheint die Zeit in den 1970er-Jahren stehen
geblieben zu sein, als junge Menschen noch Häuser wie die Arena, die
Rosalila Villa oder eben das Amerlinghaus besetzten, 'Rasenfreiheit'
forderten und Stadtpolitiker ihnen die Gebäude uberließen, damit sich
keine 'Jugendrebellion' ausbreitete. Jene, gegen die sich die Besetzer
von einst wehrten, sind heute ihre Haupterhalter. Seit 1978 fördert
die Stadt Wien den Verein Amerlinghaus, zuletzt mit jahrlich 250.000
Euro. Heuer hat die Stadt ihren Zuschuss überraschend auf 113.000 Euro
gesenkt. Jetzt gehen die Wogen hoch.

Soll das Amerlinghaus kaputtgespart werden, wie die Betreiber in
langen Statements beklagen, in denen sie detailliert nachrechnen, wie
viel weniger sie wegen der Inflation über die Jahre erhalten haben?
Oder ist das Projekt tatsächlich in die Jahre gekommen und schlecht
verwaltet?

Fest steht: Das Amerlinghaus ist unbequem. Es hat sich nicht zu einem
Kulturzentrum mit Veranstaltungsbetrieb entwickelt, wie etwa das Wuk,
sondern funktioniert als offenes Haus für Initiativen von Randgruppen.
Obdachlosen, iranischen Dissidenten, die 'Basisgruppe Tierrechte' oder
Ute Bocks Flüchtlingsfrauen treffen sich hier. Man ist
antikapitalistisch und 'anti(hetero)normativ'.

Selber Geld aufzustellen wäre in der Logik des Vereins ein Kniefall
vor der neoliberalen Marktiogik - und bei der aktuellen Programmierung
auch sehr schwierig.

[...] Chronisch illiquid, musste die Stadt Wien bereits 2011 mit einem
Sonderzuschuss von mehr als 180.000 Euro seine über die Jahre
angehäuften Schulden abdecken. Das Kontrollamt der Stadt Wien
entdeckte bei einer Prüfung der Gebarung der Jahre 2006 bis 2009, dass
der langgediente Kassier des Vereins, Alex Bettelheim. mit
Fördergeldern zu spekulieren begonnen hatte -- ausgerechnet, um die
gesetzlichen Gehaltserhöhungen der derzeit vier angestellten
Mitarbeiter zu finanzieren. Dabei entstand ein Schaden von 40.000
Euro, der von Bettelheim und dem Vorstand allerdings privat wieder
ausgeglichen wurde.

Wie passt das zusammen? Warum, fragen sich nicht nur die zuständigen
Beamten, wendete der Verein in den vergangenen Jahren die Hälfte
seiner 250.000-Euro-Forderungen für Personalausgaben auf, konkret eine
fix angestellte Putzfrau und drei Teilzeitkrafte fur Organisation und
Sekretariat?

'Die Leute verdienen nicht schlecht, darauf haben wir immer geschaut',
erklart Herbert Sburny, einst Obmann des Amerlinghaus-Vereins und seit
14 Jahren in Pension. Logisch, dass sozialrevolutionär gesinnte
Hausbesetzer keine Dumpinglöhne zahlen wollen. Aber gehört eine
intransparente Finanzlage auch zum antikapitalistischen Gestus, erst
recht, wenn Steuergeld im Spiel ist?

[...] Wer die Geschichte des Amerlinghauses verstehen will, muss auch
jene ihres Vereinskassiers Bettelheim kennen, der seit 32 Jahren im
Amt ist. In den 1980er-Jahren war der Sohn einer bekannten jüdischen
Familie eine schillernde Figur der Wiener Alternativszene. Einst
Kommunist, dann Sozialdemokrat, genoss er den Ruf eines Steuerberaters
der 'Guten', besaß ein In-Beisi, sein Idealismus trieb ihn aber auch
in unglückliche Geschafte. Wegen des -- letztlich haltlosen --
Vorwurfs. als Steuerberater der Hochschülerschaft Gelder veruntreut zu
haben, saß 'Der Narr von Wien' (das Magazin Wiener) 1985 kurz sogar in
U-Haft. Ökonomisch erholt hat er sich danach nie mehr.

[....] Nach Sburnys Pensionierung wollte die Stadt mehr Einfluss im
Verein und versuchte, einen ihr nahestehenden Obmann zu in-stallieren.
Es kam zum Bruch, nun herrscht Eiszeit. Wie geht es weiter? Sburny
sagt, 'die Stadt würde aus dem Amerlinghaus wohl am liebsten eine Art
alternative Volkshochschule machen. So oder so kriegt das Haus langsam
eine Art musealen Charakter. Auch ich muss zugeben, ich bin ein
bisschen müde geworden.'"

(Falter 19/2014, Seite 18)

*
Die akin-Redaktion erhielt zwei Reaktionen darauf:
*

Liebe Leute vom Falter, der große Vorteil einer Wochenzeitschrift
gegenüber einer Tageszeitung ist wohl der, dass Zeit bleibt,
ordentlich zu recherchieren, um ordentliche Artikel schreiben zu
können. Was ihr da aber im Artikel "Das nicht ganz so arme
Amerlinghaus" abgeliefert habt, ist jämmerlich.

Wie kommt ihr auf die Idee einer intransparenten Finanzlage? Ihr
müsstet doch die Voraussetzungen für eine Subvention der Stadt Wien
kennen. Das ist eine grobe Unterstellung, die beim Leser/der Leserin
Assoziationen mit Korruption, privater Bereicherung erzeugen können
oder sollen? Bei mir erzeugt die entsprechende floppig hingefetzte
Bemerkung die Assoziation, das Frau Tóth dem Amerlinghaus schaden will
oder sich nicht überlegt, was sie schreibt.

Die Bemerkung von Herbert Sburny, dass die Leute nicht schlecht
verdienen, kommt in dem Artikel so raus, dass beim Leser /der Leserin
die Assoziation von überhöhten Gehältern entsteht. Bei mir erzeugt die
entsprechende floppig hingefetzte Bemerkung die Assoziation, das Frau
Tóth dem Amerlinghaus schaden will oder sich nicht überlegt, was sie
schreibt. Recherchiert einfach, für wie viel Stunden die hauptamtlich
Beschäftigten wie viel Geld kriegen und überlasst es dann einfach den
Lesern und Leserinnen, zu beurteilen, ob es sich dabei um überhöhte
Gehälter handelt.

Warum habt ihr nicht geschrieben, dass die Subventionen seit 10 Jahren
nicht wertangepasst wurden?

Statt der Bemerkung "Man ist antikapitalistisch und
anti(hetero)normativ" hätte ich mir von einer seriösen Zeitung
erwartet, dass sie die Arbeit der über 40 Gruppen im Amerlinghaus
dokumentiert und den LeserInnen überlässt, ob die Stadt Wien dieser
Arbeit braucht und daher fördern soll.

Die Bemerkung unter dem Foto von Stadtrat Oxonitsch verleitet zur
Annahme, dass die Förderung gegeben ist, wenn die Finanzen in Ordnung
sind. Nun, die Finanzen sind in Ordnung. Allerdings stehen die
Verantwortlichen vor dem Problem, dass sie für das Jahr 2014 bereits 5
Monatsgehälter zahlen mussten, von der Gemeinde für dieses Jahr noch
kein Geld erhalten haben und sich verpflichten mussten, keine Schulden
zu machen.

Ich war bei der Besetzung des Amerlinghauses dabei und bin seit dem
von Ihnen erwähnten Bruch (der damalige Obmann hat sich - um es
vorsichtig auszudrücken - nicht sehr solidarisch mit dem Amerlinghaus
verhalten) aus Solidarität im Vorstand des Amerlinghauses. Ich bin 65
und auch ein bisschen müde. Herbert Sburny ist noch älter. Und? Was
sagt das über das Amerlinghaus aus?

O.K. den Schaden habt ihr angerichtet. Was bleibt zu tun? Entschuldigt
euch für diesen Artikel und lasst die Hände von Zusammenhängen, die
ordentlich zu recherchieren ihr euch die Zeit nicht nehmen könnt oder
wollt. Oder: Reisst euch zusammen, recherchiert ordentlich (und das
geht über zwei Inteviews hinaus) und stellt die Zusammenhänge klar.

Nebenbei: Was hat sich Frau Tóth eigentlich dabei gedacht, als sie die
jüdische Herkunft des Kassiers erwähnt hat. Will ich´s wissen?
*Kurt Winterstein*

*
Und das Kulturzentrum Spittelberg erklärte in einer Aussendung:
*

Der Falter behauptet in seiner aktuellen Ausgabe, dass der Verein
Kulturzentrum Amerlinghaus seine Finanzen gegenüber der Stadt Wien
nicht offen legen würde. Das ist falsch. Tatsächlich legt der Verein
seine Finanzen selbstverständlich gegenüber der zuständigen
Magistratsabteilung vollständig offen. Die Vereinsfinanzen sind
absolut sauber und transparent. Das ist auch die Grundlage für die
Subventionserteilung der vergangenen Jahre.

Entgegen der Berichterstattung des Falter bezahlt der Verein
keineswegs überhöhte Gehälter, die Mitarbeiterinnen werden im
NGO-üblichen niedrigen Rahmen entlohnt.

Michael Bonvalot vom Verein Kulturzentrum Spittelberg/Amerlinghaus
erklärt: 'Gerade lächerlich ist, dass der Falter das Kontrollamt der
Stadt Wien als Zeugin gegen den Verein aufbieten will. Gerade das
Kontrollamt hat dem Verein eine absolut saubere Geschäftsgebarung
attestiert.'

Bonvalot weiter: 'Es ist allgemein bekannt, dass die prekäre
finanzielle Situation des Hauses entstanden ist, weil seit Jahren die
Subvention eingefroren war, während alle Kosten laufend steigen. Es
wäre nicht zuviel verlangt gewesen, wenn auch die Redakteurin des
Falter einen Taschenrechner zur Hand genommen hätte.'

Empört ist der Verein schließlich darüber, dass im Falter-Artikel die
jüdische Herkunft des Vereins-Kassiers, Alexander Bettelheim,
thematisiert wird. Renate Nahar sagt dazu: 'Zuerst den Kassier des
Vereins als üblen Spekulanten zu verleumden und dann noch auf dessen
jüdischen Hintergrund zu verweisen, ist absolut unterste Schublade.
Wir erwarten eine rasche und eindeutige Klarstellung vom Falter.'

In den nächsten Tagen wird der Verein rechtliche Schritte gegen den
Falter prüfen.
(Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus / gek.)

***

> Radiotip zum Thema

Der Kampf ums Amerlinghaus ist auch ein Kampf innerhalb der
Rathauskoalition. Möglicherweise will sich die SPÖ die Unterstützung
des Hauses von den Grünen, die sich ein Eingehen des Amerlinghauses
politisch nicht leisten können, durch irgendeine Gegenleistung
abkaufen lassen. Für die Grünen ist die Sache ein Eiertanz -- sie
können ihren großen Partner nicht offen kritisieren, aber auch die
SPÖ-Politik nicht unkritisiert lassen. Diesen Spagat zu versuchte die
grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein in einer Rede im Gemeinderat am
29.April, in der sie direkt lediglich die Oppositionsparteien bittet,
doch Verständnis für die Notwendigkeit des Amerlinghauses zu haben. Da
bei FPÖ und ÖVP klar ist, daß die keinen Cent für das Amerlinghaus
hergeben wollen, aber als Opposition keine Entscheidungsgewalt haben,
ist auch klar, daß die Kritik -- über die Bande gespielt -- an die SPÖ
gerichtet ist. Hebein macht indirekt klar, daß ein zweiter
Subventionsbeschluß demnächst passieren wird müssen. So freundlich hat
wohl noch nie jemand einen Koalitionskrach angekündigt. Im übrigen ist
die Rede eine wunderbare Philippika gegen Verwertungslogik und
Mainstreamkulturförderung.

Nachzuhören unter: http://cba.fro.at/258897



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