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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. März 2014; 16:12
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Kapitalismus/Tourismus:

> Dubai: Vor Nebenwirkungen und Risiken...

... wird üblicherweise nicht gewarnt. Ein Aufruf zum Boykott des
"Urlaubspardieses" am Persischen Golf
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"Genießen Sie preisgünstig märchenhaften Urlaub in Dubai" - "Wenn Sie
im Urlaub Dubai entdecken, entführt Sie die Reise in die als sagenhaft
reich geltenden Emirate am Persischen Golf und in eine Welt, in der
orientalische Märchen wahr zu werden scheinen. "So heißt es auf der
Website von Thomas Cook. Mit "Sonne und karibischen Temperaturen jeden
Tag, herrlich die Strände und das Meer, Luxus in den Hotels,
arabisches Ambiente in absolut toleranter Atmosphäre und kaum
vorhandener Kriminalität" wirbt die Agentur reiseziel-dubai.de.Dubai2
Wer das Internet mittels der Stichworte "Reise Dubai" durchstöbert,
kann sich vor Superlativen gar nicht retten: Die höchsten
Wolkenkratzer, die längsten Strände, die größten Shopping Malls, und
obendrein Skifahren mitten in der Wüste. Luxus, Freundlichkeit,
Modernität und Weltoffenheit wohin man blickt. Wer nicht weiß, wohin
mit seinem Geld, wird sich gleich eine Villa auf der künstlichen
Insellandschaft "The Palm" oder ein schickes Apartment im Stadtzentrum
leisten, um das Leben in Dubai so richtig genießen zu können. Gut
ausgebildete Europäer/innen oder Amerikaner/innen finden jederzeit
hochbezahlte Jobs - in fast allen Branchen und für fast alle Berufe.
Auch dazu finden sich dutzende Seiten mit den lukrativsten Angeboten.
Und viele Firmen lockt die weitgehende Steuerfreiheit.

Sklaven im Paradies

Soweit die Sonnenseite. Die Schattenseite wird in all diesen Reise-,
Job- und Investmentangeboten nicht erwähnt. "Fast im Handumdrehen
wachsen neue Riesenbauten aus dem Wüstensand, die architektonisch und
technologisch Grenzen sprengen."[1] Nur wachsen diese Häuser auch in
Dubai nicht von selbst. Sie werden errichtet von jenen meist
ungelernten Arbeitsmigranten aus Indien, Pakistan, Bangladesch, Sri
Lanka, dem Sudan, den Philippinen oder Nordafrika, die den größten
Teil jener 85% der Einwohner ausmachen, die als Ausländer in Dubai
leben (Einwohner gesamt: 2,035 Millionen). Hunderttausende von ihnen
werden unter oft falschen Versprechungen ins Land gelockt, wo ihnen
unmittelbar nach der Ankunft vom Arbeitgeber der Pass entzogen wird,
denn meist sind sie in dem Moment, in dem sie das Land betreten, bei
jener Agentur, die ihre Reisekosten übernommen hat, hoch verschuldet.
Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsrecht sind direkt an den Arbeitgeber
gekoppelt, dem sie dadurch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.
Dieses Heer von Sklavenarbeitern und -arbeiterinnen wohnt nicht in den
schicken Hotels oder Apartmentbauten, sie machen auch keinen Bummel
durch die Shopping Malls - sie bauen sie nur, oder arbeiten dort als
Lagerarbeiter, Putz- und Küchenhilfen. Ihre Wohnungen, die sie nur zum
arbeiten verlassen dürfen, sind Massenunterkünfte am Rande der Stadt -
ohne Klimaanlagen und all den Luxus der glitzernden Fassade von Dubai.
An ihren Arbeitsplätzen sind sie der Willkür ihrer Arbeitgeber
ausgeliefert. Tödliche Unfälle und Selbstmorde sind ebenso die Regel
wie sexuelle Ausbeutung der weiblichen Haushaltshilfen, die ohne
Zustimmung ihrer Hausherren das Haus, in dem sie arbeiten, nicht
verlassen dürfen.[2]

Hinter den Traumkulissen von Dubai ereignen sich Tragödien für all
jene, die die Kulissen bauen und bespielen; hinter all dem Luxus
verbergen sich Armut, Elend und Ausbeutung. Wer sich von diesen
Verhältnissen die Reise in das Wüstenemirat, das seit seiner Gründung
1833 von Herrschern aus der Familie Maktum absolutistisch regiert
wird, nicht verderben lässt, der sollte vielleicht zumindest an die
eigene Sicherheit denken, denn Dubai verspricht nicht nur
"Traumurlaube" und gut bezahlte Jobs, sondern hält auch einige Risiken
parat:

"Tolerante Atmosphäre"?

Das Rechtssystem von Dubai basiert wesentlich auf der Scharia und ist
zudem äußerst korrupt und einer autoritären und extrem patriarchalen
Klassengesellschaft verpflichtet. Das bekommen Ausländerinnen und
Ausländer immer wieder schmerzhaft zu spüren. Zunächst gilt in dem
Land am Persischen Golf so einiges als Straftat, was im Westen zum
alltäglichen Leben gehört, wie etwa der Genuss von alkoholischen
Getränken, das Austauschen von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit,
Sex außerhalb der Ehe oder Homosexualität. Im Wissen darum stellt sich
dann natürlich die Frage, was die Seite reiseziel-dubai.de unter
"absolut toleranter Atmosphäre" versteht. Hinzu kommt, dass es in
einem möglichen Verfahren entscheidend wäre, wer man ist, wieviel Geld
und Einfluss man besitzt und vor allem, welchem Geschlecht man
angehört. Prozesse gegen Emiratis, noch dazu gegen solche, die über
Verbindungen zur Herrscherfamilie oder in die Verwaltung, Polizei und
Justiz verfügen oder gegen Muslime, sind für Ausländer, vor allem für
Nichtmuslime, kaum zu gewinnen. Das musste der österreichische Arzt
Eugen Adelsmayr 2012 erleben, als er der Intrige zweier Kollegen
(eines Syrers und eines Irakers) zum Opfer fiel. Er soll die
Reanimation eines Patienten untersagt haben, der daraufhin verstarb.
Die Anklage lautet auf Mord, die mögliche Höchststrafe: Hinrichtung.
Das Gericht ließ sich weder davon beeindrucken, dass Adelsmayr zum
Zeitpunkt des Todes gar nicht an seinem Arbeitsplatz war (er hatte
bereits seit 36 Stunden keinen Dienst mehr) noch davon, dass die
Anklage offensichtlich gefälschte Beweismittel vorlegte. So war etwa
ein Gutachten aus dem Englischen ins Arabische "übersetzt" worden -
allein, die Übersetzung hatte mit dem Original wenig zu tun. Alles
Entlastende war weggelassen worden, während Belastendes hinzugefügt
wurde. Der Arzt wurde in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt.
Einem südafrikanischen Kollegen passierte Ähnliches. Während er 2003
für vier Wochen als Urlaubsvertretung in einem Dubaier Krankenhaus
arbeitete, verstarb ein Kind. Bei einer Zwischenlandung im Jahr 2012
wurde er am Flughafen von Dubai verhaftet. Bis zu diesem Zeitpunkt
hatte er nicht einmal gewusst, dass gegen ihn ermittelt wird.

Auch die Chancen von Frauen, vor allem in Prozessen, in denen es um
Verstöße gegen die rigiden Sexualnormen des Emirats geht, sind denkbar
gering. Bei einer Vergewaltigung sieht die Justiz in ihnen in aller
Regel nicht Opfer, sondern Täterin, denn eine Vergewaltigung wird als
außerehelicher Geschlechtsverkehr bewertet. Im Jahr 2013 beging eine
Norwegerin, nachdem sie von einem Arbeitskollegen vergewaltigt worden
war, den verhängnisvollen Fehler, den Täter anzuzeigen. Sie wurde
umgehend selbst verhaftet und später zu 16 Monaten Gefängnis
verurteilt. Internationaler Druck führte schließlich zu ihrer
Begnadigung - nicht etwa zu einem gerechten Urteil! Das gleiche
Schicksal erwartete eine Wiener Touristin, die in einer Parkgarage
vergewaltigt worden war, um Hilfe gerufen hatte und daraufhin von der
Polizei verhaftet worden war.[3] Nach drei Tagen in Haft wurde sie
zwar auf freien Fuß gesetzt, durfte aber das Land zunächst nicht
verlassen und musste ihren Pass abgeben. Die Anklage gegen sie lautete
auf außerehelichen Sex und Genuss von Alkohol. Die Behörden hatten ihr
"angeboten", den Vergewaltiger, einen Jemeniten, zu heiraten, um die
mögliche Strafe zu reduzieren. Danach wäre sie diesem Mann hilflos
ausgeliefert gewesen und hätte vermutlich gar nicht mehr nach Hause
gekonnt. Den österreichischen Behörden gelang es zum Glück, die
Ausreise der Frau zu erwirken. Der Prozess gegen sie findet zur Zeit
in ihrer Abwesenheit vor einem Dubaier Gericht statt. Nach ihrer sehr
wahrscheinlichen Verurteilung sollte sie nie wieder nach Dubai oder in
ein Land reisen, das bei solchen "Vergehen" an Dubai ausliefert, denn
die dortige Justiz ist bekannt dafür, internationale Haftbefehle zu
erwirken. Es ist unbekannt, wie viele Menschen wegen eines solchen
Haftbefehls für den Rest ihres Lebens in ihrer Reisefreiheit
eingeschränkt sind - oder sich, wie der oben erwähnte südafrikanische
Arzt, ohne auch nur etwas von einer Anklage geahnt zu haben, plötzlich
im Gefängnis von Dubai wiederfinden.

Was einem westlichen Rechtsverständnis völlig unverständlich
erscheint, hat im Rahmen der Scharia seinen Sinn: Hier geht es nicht
um die handelnden Personen und deren Motive, sondern um die Handlung
an sich. Sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe sind nach der Scharia
verboten, und es spielt keine Rolle, ob diese freiwillig oder
erzwungen erfolgten - die verbotene Handlung verlangt eine Sühne, um
die durch sie verletzte göttliche Ordnung wieder herzustellen.[4]

Wer in Dubai in die Mühlen der Justiz gerät, kann außer einem
Justizirrtum nichts erwarten. Bis Dubai über ein Rechtssystem verfügt,
das diesen Namen auch verdient, das Rechtsgleichheit und
Rechtssicherheit garantiert und die Menschenrechte der
hunderttausenden Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter schützt,
kann man nur dazu aufrufen: Reisen Sie nicht nach Dubai, arbeiten Sie
nicht in Dubai, investieren Sie nicht in Dubai - die Wirtschaft des
Landes hängt von diesen drei Quellen ab![5]
(Heiko Heinisch auf seinem Blog)

Quelle: http://www.heiko-heinisch.net/dubai-boykott/
*

[1]
http://www.thomascook.de/reise-angebote/vereinigte-arabische-emirate-vae-arabische-halbinsel/dubai/

[2]
http://www.talktogether.org/index.php?option=com_content&view=article&id=396:arbeitsmigration-in-den-arabischen-golfstaaten&catid=61:nr-42-1012-2012&Itemid=26
oder:
http://www.morgenweb.de/nachrichten/welt-und-wissen/sklaverei-in-der-luxuswelt-der-scheichs-1.1291857

[3]
http://diepresse.com/home/panorama/welt/1551465/Osterreicherin-in-Dubai-vergewaltigt-Haftstrafe-moglich

[4] Siehe das Kapitel "Scharia" in dem Buch: Heiko HEINISCH, Nina
SCHOLZ, Europa, Menschenrechte und Islam - ein Kulturkampf?, Wien
Passagen Verlag 2012

[5] Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft machen nur noch 5% der
Staatseinkünfte aus, während über ein Viertel der Einkünfte
mittlerweile allein aus dem Tourismus stammen.



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