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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. Jänner 2014; 12:53
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Recht:

> Verwaltungsgerichte: Wieder nichts mit der Unabhängigkeit

Berufungsstellen in Landesverwaltungsangelegenheiten sind in
Österreich immer schon deutlich zu nahe an den Behörden gewesen. So
wurden erst reichlich spät, 1988, aufgrund der Bestimmungen der
Europäischen Menschenrechtskonvention die "Unabhängigen
Verwaltungssenate" (UVS) geschaffen -- bis dahin waren Entscheidungen
von Landesbehörden fast nur bei diesen Behörden selbst anfechtbar.
Ansonsten blieb nur der aufwendige Weg zum Verwaltungsgerichtshof auf
Bundesebene.

Doch auch die UVS waren keine echten Berufungsgerichte, sondern eher
Behörden mit "richterlichem Einschlag". Über das Wohl und Wehe
einzelner UVS-"Richter" entschied letztlich die Politik. Als 1997 der
Präsident des UVS Wien eine flexible Geschäftsverteilung verordnen
wollte, um -- so die damalige Kritik -- bestimmte Angelegenheiten den
ihm passenden Richtern zuleiten zu können, wußte die Mehrheit des
UVS-Richterkollegiums sich nicht mehr anders zu helfen, als ihren
eigenen Präsidenten zu verklagen (s.a. akin 24ff/1997).

Derart krasse Fälle wurden dann zwar in Zukunft vermieden, doch
substanziell änderte sich nichts an der mangelnden Unabhängigkeit der
Senate. 2003 forderte die Standesvertretung der Richter der
Unabhängigen Verwaltungssenate in einem Offenen Brief an Kanzler und
Parlamentsparteien, die UVS endlich zu echten Gerichten auszubauen und
damit wirkliche Unabhängigkeit herzustellen. Dieses schon länger
angekündigte Vorhaben der Verwaltungsreform müsse doch jetzt endlich
durchgesetzt werden. (s.a. akin 2/2003)

Ein neuer Versuch

Das war vor 11 Jahren. Dann tat sich wieder lange nichts. Am 1.Jänner
dieses Jahres wurden die UVS durch ordentliche
Landesverwaltungsgerichte ersetzt -- die Länder hatten dazu
entsprechende Gesetze erlassen.

Aber noch vor Inkrafttreten dieser Gesetze wurde bereits die
entsprechende Norm des Landes Wien vom Verfassungsgerichthof
aufgehoben -- wieder wurde mangelnde Unabhängigkeit moniert und wieder
ging es um seltsame Bestimmungen in den Fragen der festen
Geschäftsverteilung.

Die Oppositionsparteien des Wiener Landtags hatten beim VfGH geklagt
und der hat der Klage teilweise Recht gegeben. Die beanstandete Stelle
muß nun bis Ende 2014 vom Landtag repariert werden.

Konkret geht es darum, daß im Falle der Uneinigkeit und
Stimmengleichheit im Geschäftsverteilungsausschuß vom Präsidium eine
provisorische Geschäftsverteilung erlassen werden kann. Die Folge: Die
wählbaren Mitglieder des Ausschusses müßten dann nach §14 dieses
Gerichtsgesetzes neu gewählt werden. Danach solle man wieder
zusammenkommen und erneut den Versuch eines Beschlusses einer festen
Geschäftsverteilung versuchen.

Die Pointe dabei: Der Ausschuß besteht aus Präsident/in,
Vizepräsident/in und zwei vom Kollegium gewählten Mitgliedern. Stellen
sich also die gewählten Mitglieder gegen das Präsidium, werden sie
einfach aus dem Ausschuß entlassen und es steht eine Neuwahl an. Und
das kann man ad infinitum wiederholen -- solange, bis in dem Ausschuß
zumindest ein gewähltes Mitglied sitzt, das brav dem Vorschlag des
Präsidiums zustimmt, und eine eindeutige Mehrheit hergestellt wird.

Bleibt noch zu erwähnen, daß die Wiener Landesregierung völlig freie
Hand hat in der Bestellung von Präsident/in und Vizepräsident/in des
Landesverwaltungsgerichts.

Ob die entsprechenden Landesgesetze in den anderen Bundesländern auch
vom VfGH zu prüfen sein werden, bleibt abzuwarten.
-br-

VfGH-Entscheid:
http://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/1/6/2/CH0003/CMS1389606330493/landesverwaltungsgericht_wien_g_46-2013.entscheidung.pdf
KurzURL: http://tinyurl.com/wvgv2014




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