**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. November 2013; 06:39
**********************************************************

Soziales:

> Crashszenarien schauen anders aus!

Langfristige Entwicklungstrends des Pensionssystems

Das Prozedere rund um die Erstellung des Langfristgutachtens der
Pensionskommission (1) folgt einem weitgehend festen Muster: Bereits
Tage vor der eigentlichen Kommissionsitzung und der Beschlussfassung
sowie Veroeffentlichung des Langfristgutachtens wird unter Berufung
auf die aktuellen Projektionsergebnisse medial die drohende
Unfinanzierbarkeit des oeffentlichen Pensionssystems verkuendet. Dass
die Kommissionsprojektionen lediglich einen Ausschnitt der
Gesamtentwicklung abbilden und deren isolierte Betrachtung nahezu
zwangslaeufig zu falschen Schlussfolgerungen fuehrt, wird dabei ebenso
ausgeblendet, wie grundlegende verteilungspolitische Aspekte.

Gesamtanalyse statt verzerrter Ausschnittsbetrachtungen erforderlich

Der Bericht der Pensionskommission beschraenkt sich gemaess
Gesetzesauftrag - dessen Ausweitung AK-Experten seit laengerem
fordern - ausschliesslich auf Projektionen der langfristigen
Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung. Die
Beamtenpensionen sind nicht Gegenstand der Vorausberechnungen. Es ist
aeusserst bemerkenswert, dass auf nationaler Ebene keine
Langfristprojektionen fuer das Pensionssystem insgesamt durchgefuehrt
werden. Lediglich im Rahmen der Meldeverpflichtungen gegenueber der
Europaeischen Kommission erfolgt im Zuge der Erstellung des Ageing
Reports unter Federfuehrung des BMF eine Gesamtanalyse der
voraussichtlichen Entwicklung der oeffentlichen Pensionsausgaben. (2)

Ein nicht unwesentlicher Baustein zur langfristigen Sicherstellung der
Angemessenheit und (finanziellen) Nachhaltigkeit des oesterreichischen
Pensionssystems ist bekanntlich die Harmonisierung der
Pensionssysteme. Durch das schrittweise Wirksamwerden des
Pensionskontensystems auch fuer (Bundes)Beamte kommt es langfristig
betrachtet zu erheblichen Ausgabendaempfungseffekten, diese bleiben
natuerlich bei isolierter Betrachtung der gesetzlichen
Pensionsversicherung gaenzlich ausgeblendet.

Eine isolierte Betrachtung der Pensionsversicherung fuehrt aber auch
dazu, dass blosse Ausgabenverschiebungen als Ausgabenerhoehungen
falsch dargestellt werden. Durch Verschiebungen in der Erwerbsstruktur
(deutlicher Rueckgang der Beamtenzahl aufgrund von Ausgliederungen und
veraenderter Pragmatisierungspraxis) kommt es zeitlich verzoegert auch
zu einer entsprechenden Verschiebung des Pensionsaufwandes und der
Bundesmittel fuer Pensionen weg von den Beamtensystemen hin zum
ASVG-Bereich. Allein hierdurch kommt es zu einer deutlichen Steigerung
des relativen Pensionsaufwandes in der Pensionsversicherung. Dass
diesen Aufwandssteigerungen entsprechende Aufwandsminderungen bei den
Beamtenpensionen gegenueberstehen, wird bei isolierter Betrachtung des
Teilsystems Pensionsversicherung wiederum ausgeblendet. Eine serioese
Analyse - nicht zuletzt auch aus budgetaerer Sicht - kann daher nur
auf Basis einer Gesamtbetrachtung erfolgen!

Trotz pessimistischer Langfristannahmen nur moderater Anstieg der
relativen Pensionsausgaben

Nachfolgende Darstellungen basieren auf den letztaktuellen
Projektionen (Langfristgutachten der Pensionskommission 2013,
Beamtenpensionen: Berechnungen des BMF im Rahmen des Ageing Reports
2012). Hierzu ist anzumerken, dass die aktuellen
Langfristprojektionen - vor dem Hintergrund des durch die
Finanzmarktkrise verursachten massiven Wirtschaftseinbruches -
weiterhin von pessimistischen Annahmen ausgehen.

So wird auch langfristig eine sehr hohe Arbeitslosigkeit (6,5% 2060!)
angenommen. Durchgehend vorsichtige Produktivitaetsannahmen und ein
ziemlich verhaltener Anstieg der Beschaeftigungsquoten daempfen die
Beitragsgrundlagen- und BIP-Entwicklung und erhoehen den relativen
Pensionsaufwand und die relativen Bundesmittel (gemessen am BIP). Auch
der angenommene Anstieg des faktischen Pensionszugangsalters faellt
mit 1,7 Jahren bis 2024 voraussichtlich deutlich zu gering aus. Von
2024 bis 2033, also im Zeitraum, in dem die Angleichung des
Regelpensionsalters der Frauen an jenes der Maenner erfolgt (Anhebung
um 5 Jahre) wird ein weiterer Anstieg des effektiven Antrittsalters um
nur ein 1/2 Jahr von 60 auf 60,5 Jahre veranschlagt, der in weiterer
Folge angenommene Anstieg ist mit 0,2 Jahren nahezu vernachlaessigbar.

Die Langfristprojektionen sollten auch nicht als Abbildung der
voraussichtlichen Entwicklung bis 2060 interpretiert werden, sie
zeigen vielmehr die Auswirkungen einer Realisierung der getroffenen
Annahmen auf. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass bei sachlicher
Betrachtung auch unter diesen Annahmen nur von einem durchaus
moderaten Anstieg der relativen Pensionsausgaben und Bundesmittel
(gemessen am BIP) auszugehen ist und absolut kein Grund fuer
Panikmache besteht!

Der Anstieg der Pensionsausgaben in % des BIP wuerde demnach bis 2030
bei einem um 34% hoeheren Anteil der ab 65-Jaehrigen an der
Gesamtbevoelkerung um 1,5%-Punkte steigen. Der relative Mehraufwand in
der Pensionsversicherung wuerde zwar bis 2040 auf 2,7%-Punkte bzw. bis
2050 auf 3,1%-Punkte ansteigen, dem steht aber eine Verminderung beim
Beamtenpensionsaufwand um 1,0%-Punkt (2040) bzw. 1,8%-Punkte (2050)
gegenueber. Trotz Anstiegs des Aelterenanteils um 51% (2040) bzw. 56%
(2050), wuerde demnach der Aufwand fuer Pensionen insgesamt nur um
1,7%-Punkte (2040) bzw. 1,3%-Punkte (2050) steigen. 2060 wuerde der
Pensionsaufwand ganze 0,5%-Punkte ueber dem Ausgangniveau des Jahre
2012 liegen, bei einem Zuwachs des Aelterenanteils um 60%.

Eine Frage der Generationengerechtigkeit

Die moegliche Entwicklung kuenftiger Pensionsausgaben kann nicht
losgeloest von der sich massiv veraendernden Altersstruktur der
Gesellschaft gesehen werden. Fuer eine angemessene Absicherung der
deutlich steigenden Anzahl Aelterer wird zukuenftig natuerlich auch
ein groesserer Anteil am erwirtschafteten Einkommen reserviert werden
muessen. Die Darstellung, dass jeder Anstieg des relativen
Pensionsaufwands als Ausdruck mangelnder finanzieller Nachhaltigkeit
zu werten waere, ist geradezu widersinnig. Es muss vielmehr darum
gehen, den erforderlichen und sachlich gerechtfertigten Anstieg in
akzeptablen Grenzen zu halten. Die Festlegung solcher akzeptabler
Grenzen ist nicht Sache einiger "Pensionsexperten", sondern muss auf
einem moeglichst breiten gesellschaftlichen Konsens beruhen!
(Erik Tuerk, in "Arbeit und Wirtschaft")




(1)
http://www.bmask.gv.at/site/Soziales/Pensionen/Grundsatzfragen_Berichte_und_Studien/Kommission_zur_langfristigen_Pensionssicherung

(2)
http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/european_economy/2012/2012-ageing-report_en.htm

Quelle:
http://blog.arbeit-wirtschaft.at/langfristige-entwicklungstrends-des-pensionssystems-crashszenarien-schauen-anders-aus/

Dank an Autor und Redaktion fuer die Nachdruckgenehmigung; die
Webgraphik wurde fuer den akin-Druck ueberarbeitet.

*

Weiterer Tipp zum Thema: Stephan Schulmeister schrieb unter dem Titel
"Common Nonsense und die Pensionen" im "Standard" einen
ausgezeichneten "Kommentar der Anderen", warum die in Oesterreich
diskutierte Erhoehung des Pensionsalters am Arbeitsmarkt
kontraproduktiv sein muss und stattdessen die Lebensarbeitszeiten
verkuerzt werden sollten: http://derstandard.at/1381371254361



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin