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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Oktober 2013; 15:07
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Wien / Arbeit:

> AKH-Leiharbeit: "Wir werden nicht akzeptieren, was unsere
> Belegschaft nicht akzeptiert"

Die *Solidarwerkstatt* fuehrte ein Gespraech mit *Raymond Karner*,
ArbeiterInnen-Betriebsrat bei der AGO GmbH (Akademischer Gaestedienst
in Oesterreich). Denn AGO ist jener Arbeitskraefteueberlasser, der
derzeit noch die LeiharbeiterInnen im Wiener AKH beschaeftigt. Diese
wollen aber nun Gemeindebedienstete werden. Der komplexe Arbeitskampf
ist paradigmatisch fuer eine Arbeitswelt der oeffentlichen Hand, wo
Auslagerungen genutzt werden, um die Verantwortung abschieben zu
koennen.
*

Frage: Du bist ein noch sehr junger Betriebsrat, der bereits mitten in
einem heftigen Kampf um 1000 Arbeitsplaetze im Wiener AKH steht.

R.K.: Schon der Gruendung des Betriebsrates in der AGO ging im Vorjahr
eine heftige Auseinandersetzung voraus. Die Geschaeftsfuehrung
versuchte zunaechst mit allen Mitteln - durch eine Auslagerung und der
anschliessenden Kuendigung des Wahlvorstandes - die Gruendung eines
Betriebsrats zu verhindern. Einige Kollegen und ich waren sogar ein
Jahr arbeitslos, weil wir - einen Tag vor der Betriebsratswahl! -
gekuendigt wurden. Nach aeusserst zaehem Ringen haben wir schliesslich
durchgesetzt, dass uns die AGO wieder einstellen und uns als
Betriebsrat anerkennen muss. Die AGO ist eine reine Leiharbeitsfirma.
Der groesste Teil der Beschaeftigten, rund 1000 Leute, arbeiten als
LeiharbeiterInnen im AKH-Wien. Der Grossteil im Reinigungsbereich,
aber hunderte arbeiten auch als AbteilungshelferInnen,
KrankentraegerInnen, Proben- und BefundlaeuferInnen, usw.

Das AKH will die AGO draussen haben. Sie hat zwar offiziell den
Vertrag mit der AGO noch nicht gekuendigt, aber im groessten Bereich,
dem Reinigungsbereich, hat sie schon die Ausschreibung durchgefuehrt
und an mehrere andere Firmen die Zuschlaege fuer die Zeit nach dem 1.
Juli 2014 vergeben. Auf Grund einer 9-monatigen Kuendigungsfrist wird
voraussichtlich bis zum 30. September 2013 die Kuendigung des
AGO-Vertrages fuer den Reinigungsbereich erfolgen. Auch fuer die
anderen Bereiche zeichnet sich die Aufkuendigung des Vertrages ab.


Frage: Warum will das AKH die Firma AGO loswerden?

R.K.: Die AGO hatte einen Leiharbeitsvertrag mit dem AKH, d.h. die
Beschaeftigten fallen unter das Arbeitskraeftueberlassungsgesetz. Das
hat heisst, dass sie von der Entlohnung nicht schlechter gestellt
werden duerfen als die Gemeindebediensteten. Der Reinigungsbereich ist
aber nun nicht mehr als Leiharbeit, sondern als Dienstleistung
ausgeschrieben worden. D.h. fuer das Reinigungspersonal gilt dann
nicht mehr das Arbeitskraefteueberlassungsgesetz, sondern der
Reinigungs-KV, unter welchem mit rund 30% Gehaltseinbussen zu rechnen
ist. Des Weiteren gab es in der Vergangenheit einige medial bekannt
gewordene Skandale rund um die Auftragsvergabe, fuer die nun die
Belegschaft die Zeche zahlen soll.


Frage: Was bedeutet das fuer die betroffenen AGO-LeiharbeiterInnen?

R.K.: Fuer sehr viele KollegInnen wuerde das der direkte Weg in die
Arbeitslosigkeit sein, wohl bis zur Pension. Denn ein grosser Teil
diesem Bereich sind Migrantinnen im Alter 50 plus. Man kann sich
vorstellen, wie gross deren Chance ist, wieder eine Arbeit zu
bekommen. Fuer die Betroffenen ist das demuetigend und finanziell
bedrueckend. Es ist aber auch volkswirtschaftlich verrueckt, weil
enorme gesellschaftliche Kosten durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit
und bestens integriertes Personal dem Sparzwang geopfert wird, um es
durch billigere externe Arbeiter zu ersetzen. Das Einsparungspotential
belaeuft sich uebrigens auf 2-3 Prozent. Reichlich wenig um mehrere
hundert Arbeitslose in Kauf zu nehmen.


Frage: Wer traegt dafuer die politische Verantwortung?

R.K.: Die Gemeinde und damit die rot-gruene Stadtregierung. Denn das
AKH gehoert dem Krankenanstaltenverbund (KAV), der eine dem Magistrat
verbundene Abteilung ist. Die verantwortliche Gesundheitsstadtraetin
Wehsely sagt einfach, das geht sie nichts an, weil das der KAV
entscheidet. Das ist absurd, denn der KAV braucht dafuer die
Genehmigung durch das Rathaus.


Frage: Wie habt Ihr Euch bisher dagegen gewehrt?

R.K.: Einige KollegInnen haben die "Initiative Uebernahme" gegruendet,
welche vom Betriebsrat von Anbeginn tatkraeftig unterstuetzt wurde.
Weiters haben wir eine Unterschriftensammlung gestartet mit der
Hauptforderung: Uebernahme der AGO-Beschaeftigten durch die Gemeinde
Wien ins AKH. Es ist doch voellig unverstaendlich, dass Leute
teilweise schon seit ueber acht Jahren Schulter an Schulter dieselbe
Arbeit machen, so unterschiedlich behandelt werden. Viele haben gar
nicht gewusst, dass ihre KollegInnen, mit denen sie Tag fuer Tag
zusammenarbeiten, Leiharbeitskraefte sind. Es ist doch eine totale
Vergeudung, wenn Leute, die schon jahrelang diese Arbeit in
eingespielten Teams machen, auf einmal durch andere billigere ersetzt
werden, die unter noch hoeherem Arbeitsdruck stehen. Das hat doch auch
negative Auswirkungen auf die PatientInnen und deren Gesundheit. Denn
schlechte Arbeitsbedingungen fuehren auch zu einer schlechteren
Betreuung der PatientInnen. Wir haben 4.000 Unterschriften gesammelt
und diese dann in einer oeffentlichen Aktion vor dem Rathaus waehrend
der Gemeinderatssitzung uebergeben. Bezeichnenderweise haben sich die
VertreterInnen von SPOe und Gruenen nicht einmal getraut, zu den
Protestierenden rauszukommen, um die Unterschriften in Empfang zu
nehmen.


Frage: Warum wehrt sich die Stadtregierung so verbissen gegen eine
Uebernahme der AGO-Beschaeftigten in das AKH?

R.K.: Da geht es natuerlich ums Einsparen. Ausserdem haben
Gemeindebedienstete einen viel besseren Kuendigungsschutz, man kann
sie nur mehr unter Angabe von Gruenden kuendigen. Bei
LeiharbeiterInnen geht das auch ohne Angabe von Gruenden und im
Reinigungs-KV aufgrund kuerzerer Kuendigungsfristen dann sogar noch
einfacher! Angeblich soll das Wiener AKH ja in Zukunft in eine GmbH
umgewandelt werden, um noch leichter Druck auf die Beschaeftigten zu
machen, noch leichter ausgliedern und noch mehr einsparen zu koennen.


Frage: Muesste da nicht auch die Gewerkschaft dagegen Sturm laufen?

R.K.: Die PROGE, zu der die AGO-Beschaeftigten gehoeren, unterstuetzt
unseren Kampf. Nicht so die GdG (Gewerkschaft der
Gemeindebediensteten), auf die es aber massgeblich ankommt, weil die
AKH-MitarbeiterInnen ja Mitglieder bei der GdG sind. Ein hoher
GdG-Funktionaer hat uns klipp und klar gesagt: Als Gewerkschafter
wuerde er ja auf unserer Seite stehen, aber da er gleichzeitig fuer
die SPOe im Wiener Gemeinderat sitzt, sei es "nicht erwuenscht", uns
zu unterstuetzen. Wir vermuten, dass diese Verfilzungen der GdG mit
der Stadtregierung auch der Grund sind, warum mittlerweile jedes
Kooperationsansuchen unsererseits von der GdG verweigert wird. Selbst
die Gespraechsbereitschaft vonseiten der AKH-Personalvertretung haelt
sich gelinde gesagt in Grenzen. Hier wurden offensichtlich Maulkoerbe
verteilt.


Frage: Wie wird der Kampf nun weiter gehen?

R.K.: Wir mobilisieren fuer die Betriebsversammlung am 17. Oktober,
die waehrend der Arbeitszeit stattfinden wird. Bis dorthin werden wir
Klarheit ueber die Ausschreibung bzw. die Kuendigung des AGO-Vertrages
haben. Dort werden wir gemeinsam mit den KollegInnen ueber weitere
Massnahmen entscheiden. Fuer uns ist klar: Wir werden auf keinen Fall
akzeptieren, was unsere Belegschaft nicht akzeptiert. Wir werden
weiter darum kaempfen, dass alle AGO-Beschaeftigten ihren Arbeitsplatz
im AKH behalten und keine Lohneinbussen hinnehmen muessen. Dafuer
suchen wir intensiv die Zusammenarbeit mit dem Gemeindebediensteten
und den AerztInnen.
(gek.)
*

Quelle:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=925&Itemid=1
*

Kontakt zur "Initiative Uebernahme":
http://initiativeuebernahme.wordpress.com
https://www.facebook.com/initiative.uebernahme
initiative.uebernahme{AT}gmail.com
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Radiotip:

Gespraech mit Karner und dem Betriebsratsvorsitzenden David Lang
(Radio Widerhall vom 5.Oktober). Online unter:
http://cba.fro.at/247331



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