**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Februar 2013; 20:26
**********************************************************

Debatten/Gruene:

> je weniger partei umso zukunft

offener brief an eva glawischnig in beantwortung ihrer aussendung
*

liebe eva glawischnig,

ich weiss nicht, welche zielgruppenanalyse dich/euch veranlasst hat,
nun saemtliche euch zur verfuegung stehenden emails mit einem "von
dir" verfassten schreiben zu versorgen. noch weniger weiss ich, wer
wirklich fuer das texten dieses mails verantwortlich zeichnet.

aber ich bin mir ziemlich sicher, dass diese aktion eure potentiellen
waehlerInnen wohl eher verstoert als positiv erreicht. die diktion,
der ganze approach laesst bei mir eher das bild entstehen, dass mir
einmal die "eva" selbst schreibt, die vielbeschaeftigte, die nach
ihrer reise durch oesterreich jetzt weiss, wie das land tickt. ihr
unterschaetzt da vermutlich viele eurer angesprochenen, die solche
mails auch aus anderen parteien kennen und quasi privat adressierte
direct-emails als das erkennen, was es ist: simples parteimarketing.

nochmals: ich weiss nicht, wer euch diese mails textet, aber ihr
solltet dringend ueber wording und argumentationsleitlinien
nachdenken. das "rot/schwarz streiten eh nur" schema brauchen viele
eurer adressatInnen nicht mehr erklaert bekommen, das "wir sind die
einzige saubere partei"-argument laesst eher ueber das gegenteil
nachdenken, als solche platten aussagen einfach annehmen.

schade. wirklich schade. eigentlich suchen viele in unserem land
verzweifelt nach einer alternative. doch die ist leider nicht in
sicht. das bestaetigt deine aussendung auf eigenartige weise. dabei
will ich nicht verleugnen, dass es in allen ebenen und bereichen der
gruenen sehr engagierte und aktive menschen gibt, deren arbeit ich
sehr schaetze. so spuere ich z.b. bei den aktivitaeten und
wortmeldungen von alev korun niemals in erster linie eine partei
mitschwingen, sondern eine klare, authentische grundeinstellung, eine
politische haltung, von der wir mehr braeuchten.

aber leider sind die gruenen inzwischen viel zu sehr partei als
kreative zukunftswerkstatt. da geht es viel zu oft um
mehrheitsbeschaffung statt um gesellschaftliche erneuerung.

zwei beispiele, die mich persoenlich wirklich stoeren:

beim beruehmten beschluss zum banken-rettungsschirm ESM habt ihr euch
als mehrheitsbeschafferInnen hervorgetan. zu einem zeitpunkt, wo das
thema krise, schulden und euro-rettung schamlos von diversen parteien
zur eigenen profilierung ausgeschlachtet wurde ist euch keine eigene,
keine differenziertere, keine kreative antwort eingefallen. nein, ihr
habt nach (gar nicht so) langem hin und her beschlossen, einfach
mitzustimmen. das hat viele, die sich nach denkenden menschen sehnen,
vor den kopf gestossen.

ganz aktuell: in der fiesen ablenkungsdebatte berufsheer oder
wehrpflicht waere so vielen menschen wichtig, dass wir eben nicht auf
diese verkuerzte und manipulative fragestellung hereinfallen. es waere
vielen wichtig gewesen, eine andere, eine differenzierte position dazu
zu formulieren. und wieder habt ihr nach einem zelebrierten hin und
her einfach beschlossen, das mitstimmen zu empfehlen. nicht nur
pazifistInnen, sondern alle, die weiter denken koennen, haben wieder
einmal gelernt, dass ihr nicht die vertreterInnen einer kreativen
politikdenke seid, sondern auf das plumpe bist du fuer A oder B spiel
hereinfaellt. sonst faellt euch nichts ein?

schade. es koennte mir egal sein und ich koennte einfach das mail
unter spam abhaken. warum ich das nicht mache?

weil ich zur erkenntnis komme, dass jede kreative bewegung, sobald sie
mehr partei ist, sobald sie die naehe zur macht riechen kann, sich
abhebt und jenen typischen realitaetsverlust vollzieht, der aus
engagierten menschen dann einerseits "basis" und andererseits
"fuehrung" macht. themen werden sekundaer, machterhalt bzw.
machtgewinn stehen im vordergrund.

viele menschen werden noch unter den verbrechen namens "eurokrise",
"bankenrettung" oder "schuldenabbau" leiden muessen und vieles wird
noch kaputt gehen. dass diese menschen sich wohl nicht im
ESM-beschluss vertreten fuehlen, duerfte klar sein.

ich kenne sehr engagierte, gespraechsoffene und diskussionsbereite
menschen, die sich fuer eine moderne gesellschaft einsetzen wollen in
und im umfeld (fast) aller parteien. das ist bei den gruenen kaum
anders als in der oevp und spoe - aber auch in anderen kleinparteien
(nicht den rechten). dort wie da sind es dann leider die
parteizentralen, die so wenig mit jener realitaet zu tun haben, in der
diese engagierten menschen stehen. und ich kenne auch viele solche
menschen, die sich bereits jetzt bewusst sehr fern von jeder partei
halten.

es wird aber immer wichtiger, dass sich menschen - jenseits der
parteien - zu ihren eigenen betroffenheiten verbinden und aktiv
werden. es wird unausweichlich, dass veraenderung eingefordert und
gestaltet wird, und dazu brauchen wir die kreativen koepfe aus
verschiedensten richtungen und denkweisen.

aber fuer mich gilt dabei der grundsatz: je weniger partei umso
zukunft.
(bernhard jenny auf seinem blog)

Quelle:
https://bernhardjenny.wordpress.com/2013/01/10/je-weniger-partei-umso-zukunft/



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin