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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 6. Februar 2013; 08:30
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Militaer/Volksbefragung/Nachlese:

> Der Tag danach für die Friedensbewegung

Wer sich mit Pazifismus und Antimilitarismus auseinandersetzt, konnte
die im Jaenner stattgefundene Volksbefragung zur Organisationsstruktur
des Militaers kaum ignorieren. Ich moechte einige Gedanken in Kuerze
zusammenfassen. Nur die Haelfte der wahlberechtigten Bevoelkerung hat
sich an der Fragestellung beteiligt, fuer oder gegen einen
Zwangsdienst im Kontext des Militarismus abzustimmen, die geringe
Wahlbeteiligung laesst (bedauerlicherweise) nicht den Schluss zu, dass
die Haelfte der Bevoelkerung, die von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch
gemacht hatte, den Boykottaufrufen gefolgt waere, die auf die
unzureichende Fragestellung verwiesen hatten. Die Motive, das
Wahlrecht nicht in Anspruch zu nehmen, koennen vielfaeltig sein. Das
erschuetternd eindeutige Ergebnis fuer die Wehrpflicht und damit auch
fuer den Zivildienst als Zwangsverpflichtung verweist auf den
autoritaeren Charakter vor allem der aelteren Bevoelkerungsschichten,
auf die Staatsraison, der sich die Mehrheit verpflichtet fuehlt.
Niederschmetternd deprimierend war das Wahlergebnis fuer Pazifistinnen
und Pazifisten, fuer Antimilitaristinnen und Antimilitaristen. Mit
2,5% ungueltigen Stimmen blieben jene, die Bundesheer
abschaffen/ungueltig waehlen Initiativen gegruendet hatten, weit unter
ihren Erwartungen oder Hoffnungen zurueck. Immerhin koennen wir uns
noch an die Volksabstimmung 1989 in der Schweiz erinnern, die von der
GSoA (Gruppe Schweiz ohne Armee) initiiert worden war, die die Frage
nach der Abschaffung der Armee gestellt hatte. Bei dieser
Volksabstimmung hatten sich ueber 50% der unter Dreissigjaehrigen fuer
die Abschaffung des Heeres ausgesprochen.

Sehr erfreulich an den jetzigen Debatten in Oesterreich war die
Position des Heeres selbst. Lustigerweise fiel den
Wehrpflichtbefuerwortern zur Legitimation ihrer Position kein Argument
dafuer ein, wozu ein Heer ueberhaupt gebraucht wuerde. Das Heer hat
seine Ideenlosigkeit preisgegeben, denn die von Militaers
vorgebrachten Betaetigungsfelder Cyberwar und Klimawandel koennen beim
besten Willen nicht als Existenzberechtigung einer Armee angesehen
werden. Der Wehrersatzdienst musste als Argument dienen, an der
Wehrpflicht festhalten zu wollen -- dabei haben die Militaers gar
keine so grosse Freude mit ihrem Verteidigungsminister, dem ehemaligen
Zivildiener Darabos.

Das positive Moment an der Volksbefragung war ein Wiedererwachen und
Erstarken der Friedensbewegung. Die Debatten rund um Wehrpflicht,
Berufsheer oder die Abschaffung der Armee haben in den letzten Monaten
Plenarsaele und Hoersaele gefuellt, zahlreiche Personen, die sich aus
dem politischen Leben zurueckgezogen hatten, haben sich engagiert in
die Debatte eingebracht, die grossteils sehr emotional gefuehrt worden
ist. Positiv zu bewerten ist auch, dass Militarismuskritik, Kritik an
Krieg und der Organisation kriegerischen Potentials zur zentralen
Fragestellung innerhalb der Friedensbewegung geworden ist.

Dieser neue Auftrieb kann von der Friedensbewegung genutzt werden, um
in Zukunft verstaerkter mit antimilitaristischen Themen zu arbeiten,
um sich fuer gewaltfreie Konfliktloesung und eine aktive Friedens- und
Neutralitaetspolitik einzusetzen, sowie eine deutliche und hoerbare
Stimme des Protests gegen die EU-Militarisierung und insbesondere die
Teilnahme Oesterreichs an Auslandseinsaetzen und die Teilnahme an den
battle groups (EU-Schlachttruppen, die an vorderster Front kaempfen)
zu bilden.

Nachher ist man meistens klueger: Viel zu wenig diskutiert wurde der
Zusammenhang zwischen Antimilitarismus und Feminismus. Unterdrueckung,
die Einuebungsmechanismen und Einuebungstechniken in
Gehorsamsprinzipien und gewalttaetige Auseinandersetzung mit
Konflikten haben sich mit der Entwicklung des Patriarchats entfaltet,
Patriarchat und Militarismus sind zwei Seiten einer Medaille. Es wird
die Aufgabe feministisch orientierter Friedensarbeit sein, diesen
Aspekt -- wieder -- in den Vordergrund zu ruecken.

> Die Akin und der Soldat

Ich war schon sehr erstaunt darueber, dass die akin mit einem
Kommentar eines Soldaten aufgemacht hat, um die Volksbefragung zum
Thema Bundesheer zu thematisieren.

Von einem Medium, dass in der Grundausrichtung der Berichterstattung
tendenziell der Friedensbewegung nahe steht war das weniger zu
erwarten, Noch verblueffender ist es jedoch, dass es ein Artikel solch
fragwuerdigen Inhaltes auf die Titelseite schafft.

Ein Soldat kann schon phantasieren, dass er sich eine demokratische
Gesellschaft in Uniform vorstellen kann, dann hat er aber den Gedanken
der Uniformierung nicht verstanden, der sich mit Prinzipien von
Demokratie und Vielfaeltigkeit nun einmal nicht vereinbaren laesst.
Uniformierung dient der Disziplinierung, das brauch ich Euch, liebe
Redaktion nicht erzaehlen, ich frage mich allerdings, warum diese
Argumentation so unwidersprochen geblieben ist.

Vergeblich sucht man in derselben Ausgabe nach einer
Auseinandersetzung mit diesem Themenaspekt.

Es klingt ja schon aergerlich, wenn der demokratisch Uniformierte
kommentarlos die Seite neun ziert, aber unwidersprochen auf der
Titelseite eine solche Meinung zu verbreitern kann eine Leserin auch
vor den Kopf stossen.

Wir haben wenige eigene Medien. Kleinmedien muessen besonders in der
"linken Szene" um ihr Ueberleben kaempfen. In dieser Situation die
erste Seite an eine Lobesrede fuer einen demokratisch gesinnten
Militarismus (was ein Widerspruch in sich ist) zu verschenken erzeugt
keine einladende Wirkung, Die akin ist nicht nur ein Kleinmedium, sie
ist auch ein Qualitaetsmedium.

Daher wird sie logischerweise auch von LeserInnen abonniert, die
Qualitaet und Meinungsjournalismus moegen und schaetzen.

Ich mag als Leserin nicht auf der ersten Seite meines Lieblingsmediums
mit einem noch dazu unkommentierten Artikel konfrontiert werden, der
dem Bundesheer auch nur in irgendeiner Weise etwas positives
abgewinnen kann.
*Rosalia Krenn, arge wehrdienstverweigerung*

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Termin: Donnerstag, 7. Februar 2013, 19.30 Uhr im Friedensbuero
Salzburg, Franz-Josef-Strasse 3: Treffen fuer alle interessierten
Menschen an der Wehrpflichtdebatte; Diskussion, wie die
Friedensbewegung die friedenspolitischer Sicht nach der Volksbefragung
in die Debatte rund um Bundesheer und Zivildienst einbringen koennte.



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