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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 12. Dezember 2012; 01:58
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                                                            Audiofassung: http://cba.fro.at/67523

Asyl/Medien/Glosse:

> Das Prinzip Rehaeuglein

"Klassenbeste in Deutsch: Maedchen droht Abschiebung -- Protest und
Unverstaendnis nach einem Schreibtisch-Urteil des Asylgerichtshofes:
Familie M. aus dem Kosovo soll -- fuenf Jahre nach ihrer Einreise in
Oesterreich -- abgeschoben werden. Es gebe demnach ,keine Hinweise auf
nachhaltige Integrationsbestrebungen'. Nur: Die zwoelfjaehrige Tochter
des Ehepaars ist Vorzugsschuelerin an der Sir-Karl-Popper-Schule in
Wien. Sie ist Klassenbeste in Deutsch und will Anwaeltin oder Aerztin
werden."

So stehts in der "Krone", die sich sehr darum bemueht, dass das
kosovarische Maedchen Leonesa bleiben kann. Und auch dem ORF war das
eine Geschichte in der ZiB wert. Aber eigentlich geht es ja um eine
ganze Familie, die abgeschoben werden soll. Jetzt stellt sich die
Frage: Darf man als Mensch mit dem falschen Pass hierzulande nur dann
mit dem Verstaendnis der oeffentlichen Meinung rechnen, wenn man eine
kluge und huebsche -- und natuerlich "weisse" -- Tochter hat? Weil: Es
gibt da ja vielleicht auch einen kinderlosen Somalier oder eine
moldawische Zwangsprostituierte -- setzt sich da der Boulevard auch
mit solcher Verve ein?

Ja, diese Geschichten sind natuerlich bis zu eine gewissen Punkt
hilfreich, um die Dramen, die sich fuer Fluechtlinge und Migranten
abspielen, einer breiteren Oeffentlichkeit bekannt zu machen. Der
"Fall Arigona" hat viel bewegt. Und der Satz von den "Rehaeuglein" hat
wohl selbst in den Augen der meisten Kronenzeitungsleser die
Schottermitzi unmoeglich gemacht. Aber die oeffentliche Diskussion ist
in breiten Kreisen der Bevoelkerung nicht ueber dieses Prinzip
Rehaeuglein hinausgekommen -- wessen Kinder lieb und nett in die
Kamera blicken koennen, hat gute Chancen auf Empathie. Wer keine
Kinder hat oder nur solche, die an Bart Simpson erinnern, darf nicht
auf Mitgefuehl hoffen.

Die Krone des Ganzen liefert allerdings wirklich das Kleinformat
selbst. Auf krone.at wurde das Volk befragt: "Soll Leonesa (12)
Bleiberecht bekommen?" Wo sind wir bitte? In Christoph Schlingensiefs
Container aus dem Jahr 2000? Wollen wir hier ueber Menschenrechte
abstimmen und nur dem huebschesten Fluechtling als Preis ein
Bleiberecht gewaehren?

Natuerlich sagten 92% der User bei der Krone-Abstimmung "Ja". Aber wie
haette die Antwort gelautet auf die Frage: "Soll James Okowango (43)
Bleiberecht bekommen?" Und seit wann ist die Krone der
Asylgerichtshof?
*Bernhard Redl*


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