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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 10. Oktober 2012; 03:35
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Schwerpunkt: WIDERSTAND! Aber wie?

Glosse:

> Die unertraegliche Leichtigkeit des Widerstands

Vielleicht ist sie mir wirklich nur unertraeglich, diese Leichtigkeit
politischer Betaetigung heutzutage, weil mir nur das Schwere und
Schwierige etwas wert erscheint. Vielleicht.

Doch es ist so leicht, heute einen Flashmob anzukuendigen -- Facebook
machts moeglich! Aber wen soll das beeindrucken?

Oder kritisch-sozialdemokratische Veranstaltungen, natuerlich mit viel
Musik -- und im Saal. Das imponiert nicht mal intern die SPOe. Von
einer allgemeinen Thematisierung von Verteilungsfragen brauchen wir da
gar nicht zu reden.

Und unsere Art echter Demos? Wenn sie die Polizei nicht unterbindet,
ist der groesste Effekt eine Meldung im Oe3-Verkehrsdienst. Wenigstens
bekommt dann eine groessere Oeffentlichkeit den Protest mit. Aber die
Herrschenden juckt das nicht im geringsten.

Was bleibt? Volksbegehren? DER ist gut!

Eine Partei gruenden? Ja, aber nur mit Stronachs Millionen und der
wird sie uns nicht geben. Abgesehen davon ist die Beschraenktheit der
Moeglichkeiten, ueber Parlamente die tatsaechlich Herrschenden in die
Schranken zu weisen, nur all zu gut bekannt.

Aktionen des zivilen Ungehorsams -- also gewaltfreie direkte Aktion?
Die war zur Zeit der Umweltbewegung der 80er noch moeglich. Doch dann
kamen Zivilklagen, die in einem Ausmass existenzbedrohend waren,
demgegenueber sogar strafrechtliche Bedrohungen nahezu laecherlich
erschienen. Immerhin: Ziviler Ungehorsam funktioniert bisweilen noch
in Bleiberechtsfragen. Aber wie will man beispielsweise gegen eine
Anhebung des Pensionsalters oder die Verstaerkung des Polizeistaates
oder dem Irrsinn am AMS oder auch FUeR eine Demokratisierung im Land
Ungehorsam sein?

Was gibt es sonst noch? Achja, den Streik. Aber der ist realpolitisch
nur moeglich, wenn der OeGB seinen Segen dazu gibt. Wenn er es tut,
dann natuerlich nur in einem Tarifkonflikt, der so gar nicht mehr
mittels des sozialpartnerschaftlichen Instrumentariums zu kalmieren
war. Hingegen ist man beim OeGB in der Frage des politischen Streiks
der Meinung -- im vorauseilenden Gehorsam, denn dafuer gibt es keine
formale Rechtsgrundlage -- dieser sei ein garstiger Streik, also
illegal. Und fuer etwas Illegales ist die oesterreichische
Arbeiterbewegung sowieso nicht zu haben.

Anderswo

In Griechenland wird gestreikt. Immer wieder. Und zwar auch politisch.
Die Demonstrationen sind dort auch nicht mehr so, dass sie der
Regierung egal sein koennten. Mit Angstmache hatte es das
Establishment heuer gerade so irgendwie noch einmal geschafft, eine
kapitalismusfreundliche Regierung zu installieren. Aber wie lange die
durchhaelt, ist fraglich.

Nur: In Griechenland geht es wirklich ums Ueberleben. Aber muss die
Pauperisierung grosser Bevoelkerungsschichten soweit gehen, damit
Widerstand seinen Namen verdient? Muss diese angebliche Krise erst
voll auch bei uns einschlagen, bevor wir begreifen, dass wir mit den
Menschen in Griechenland in einem Boot sitzen? Muss es soweit gehen,
dass die Faschisten wieder Boden gewinnen und die Menschen nach einem
starken Fuehrer schreien?

Die Zeiten stehen auf Sturm. Auch bei uns -- das Erstarken der FPOe
ist die Folge der jahrzehntelangen Schwaeche der Linken, nichts
weiter. Die einzige uebliche Antwort darauf ist aber wieder eine mir
so unertraeglich leichte: ,Machen wir doch eine Demo gegen den
Wahlkampfauftritt von Strache!' Bloed nur, dass wir ihm damit sogar
auch noch ein schickes Feindbild liefern, ueber das er herziehen kann.

Mit Arik Brauer moechte ich hier sagen: "Diese Kritik richtet sich
nicht gegen eine bestimmte Gruppe, sondern gegen jedermann, der sich
betroffen fuehlt. Auch gegen mich selbst." Denn schliesslich schreib
ich es mir leicht in meinem Kammerl, so wie viele andere ja auch. Ja,
ich weiss auch keine grossartigen Alternativen. Aber ist die Kritik
deswegen unberechtigt?

Daher: Warum schafft es die Linke in Oesterreich nicht, effiziente
Widerstandsformen gegen die neoliberale Weltordnung zu entwickeln?
Vielleicht sollten wir das mal diskutieren und aus dem Ergebnis der
Diskussionen konkrete Konsequenzen ziehen.

Es waere dringend an der Zeit. Denn Wien ist Athen.
*Bernhard Redl*



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