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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. September 2012; 22:41
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Verkehr/Wien:

> Ein kleiner Anfang

Mit viel Trara wurde die Hasnerstrasse nun zu "Wiens erster
fahrradfreundlichen Strasse" erklaert. Doch was ist wirklich dran an
der neuen Route? Ein Lokalaugenschein
*

Von der Vorstadt kommend beginnt die Hasnerstrasse bei der
Montleartstrasse, gleich beim Wilhelminenspital. Dort ist allerdings
noch nicht die "Fahrradstrasse" oder, wie amtlich formuliert
"fahrradfreundliche Strasse". Denn die ersten 600 Meter ist die
Hasnerstrasse eine normale Einbahn, ausgenommen Radfahrer. Bloed nur,
dass der Radstreifen gerade zugeparkt ist. Hier draussen ist beim
Lokalaugenschein am Sonntag nachmittag weder viel Auto- noch sonstiger
Verkehr, allerdings ist das Verhalten der Autofahrer hier ein bisserl
so, als fuehlten sie sich auf einer Landstrasse.

Maroltingergasse -- Hauptdurchzugsstrasse. Ungeregelte Querung, das
Wechseln auf die andere Seite ist Glueckssache. Aber schliesslich gilt
auch hier noch nicht die Fahrradstrassenregelung, sondern Vienna as
usual.

Ecke Hettenkofergasse beginnt offiziell die Fahrradstrasse. Viel
anders sieht die Hasnerstrasse ab hier allerdings nicht aus. Hie und
da verkuendet ein Schild eine 30km/h-Zone, am Boden sind gelegentlich
Fahrradsymbole angebracht; allerdings nicht riesengross, sondern klein
und dezent am Rand plaziert. Die Symbole sehen eher nach
Radstreifen-Kennzeichnungen aus denn als Abmarkierungen einer
Fahrraddomaene. Immerhin: Bisweilen ist die Fahrbahn an den Kreuzungen
abgepollert, sodass Autos ein Durchfahren ueber mehrere Blocks nicht
mehr moeglich ist.

Die querenden Seitengasseln haben Nachrang -- allerdings war der
Verkehr dort auch bisher nicht so stark, dass dieser Nachrang eine
ernsthafte Behinderung bedeuten wuerde. Erfreulich ist, dass manche
der bergab gehenden Einbahnen kurz vor der Kreuzung mit der
Hasnerstrasse aufgedoppelt sind, um allzuflotte Schleichweg-Autofahrer
ein wenig einzubremsen. Sinnvoll waere das allerdings auf allen
Quergassen gewesen.

Schon vor den jetzigen Umbauten waren uebrigens die meisten Relationen
der Hasnerstrasse fuer den Radverkehr ganz gut: Die meisten
Seitengassen sind Einbahnen ausgenommen Radfahrer. Leider ist es aber
immer noch so, dass bei diesen Querungen man mit dem Velo mitunter
ploetzlich einem Ende der Ausnahme gegenuebersteht und erst recht
einen Umweg machen muss. Radfahren gegen die Einbahn laesst sich
naemlich immer noch nicht durchsetzen, wenn deswegen Parkplaetze
verloren gingen.

Weiter entlang der Hasnerstrasse -- und apropos Parkplaetze: In der
Fahrradstrasse ist mehr Platz zum Autoparken als sonst zumeist. Die
Autos stehen hier auf Schraeg- und Querparkplaetzen. Das ist eher
suboptimal, zum einen, da dadurch trotz eingeschraenkter Sicht recht
dynamisch ausgeparkt werden kann, zum anderen, weil ueberlange
Fahrzeuge nicht ganz ungefaehrlich in die Fahrbahn ragen. Allerdings
ist das auf der Hasnerstrasse, die dank eingebremstem Autoverkehr fuer
Radfahrer groessere Fallraeume gewaehrleistet, nicht gar so
problematisch wie auf anderen Strassen, wo man auf dem Drahtesel an
den Rand und damit genau gegen diese ueberlangen Fahrzeuge gedraengt
wird.

Possingergasse -- War der Eindruck der autoverkehrsberuhigten
Hasnerstrasse bislang grosso modo ganz gut, so wird die Idee hier ad
absurdum gefuehrt. Denn nun endet der Vorrang der Hasnerstrasse. Die
leider etwas unehrliche Ausrede des Rathauses dafuer ist, dass hier ja
ein Bus verkehre, den man nicht einbremsen wolle. Naja, in der
Possingergasse faehrt zwar hin und wieder ein Bus, aber hauptsaechlich
geht es wohl darum, dass sie eine Auto-Hauptverkehrsader ist -- damit
ist der Nachrang der Hasnerstrasse eher begruendbar. Ausgefuehrt ist
die Kreuzung fuer den Radverkehr auch ein bisserl
verkehrskindergartenmaessig mit einer Verkehrsinsel. Diese ist zwar
recht hilfreich, weil man die Zweirichtungsfahrbahn der Possingergasse
in einem einzigen Ruck lebend sowieso nur um 3 Uhr frueh ueberqueren
kann, allerdings hat die -- auch schon laenger vorhandene --
Verschwenkung der Radroute etwas Schikanenhaftes. Hat man die
Possingergasse ueberlebt, landet man auf einem Kinderspielplatz, wo
man guten Chancen hat, kleine Kinder niederzufuehren oder einen Ball
auf die Birne zu bekommen. (Bild)

Hat man das auch ueberstanden, kommen fuenf Haeuserblocks, die sehr
angenehm mit Vorrang zu fahren sind -- um dann an der Kreuzung zur
Panikengasse anzustehen. Hier musste die Tramway herhalten als Ausrede
fuer den Nachrang. Tatsaechlich ist natuerlich auch diese "Gasse" ein
breite Hauptstrasse, wo man den Autoverkehr nicht behindern wollte.

Jenseits der Panikengasse geht es aber wieder flott dahin bis ans Ende
der Hasnerstrasse am Guertel. Der Abschluss ist erfreulich, existiert
doch tatsaechlich eine Ampel mit durchaus vernuenftigen Schaltphasen
und einer breiten Relation zum Guertelradweg. Dass dieser natuerlich
halt der altgewohnte Gehsteigradweg ist, wo Konflikte unter
Nichtmotorisierten vorprogrammiert sind, ist eine andere Geschichte.

Ueber die Radroute Hasnerstrasse kann resuemierend gesagt werden, dass
sie alles in allem nicht schlecht ist -- wenn man mal von solchen
Aergerlichkeiten wie der Possingergassenkreuzung absieht. Jedoch war
die Hasnerstrasse schon bisher eine teilweise abgepollerte und damit
autoverkehrsberuhigte Zone, wenn die nunmehrigen Aenderungen auch
durchaus positiv hervorzuheben sind. Ein solches Trara zu machen und
jetzt unbedingt eine "Fahrradstrasse" mit Fototermin und
Pressekonferenz zu eroeffnen, war aber wirklich nicht notwendig.

So etwas hat aber in Wien eine lange Tradition. Es erinnert etwa an
den U-Bahn-Bau, als der Buergermeister 1976 verkuendete, Wien haette
jetzt endlich eine U-Bahn -- dabei war es nur die modernisierte und
zur "U4" umbenannte Stadtbahn. Und vielleicht ist das ja eine
Hoffnung, denn nach der U4 wurde tatsaechlich ein neues U-Bahn-Netz
gebaut. Die grossartige Verkuendung der Fahrradstrasse koennte
vielleicht auch gedacht gewesen sein, den Auto-Wienern zu
signalisieren: 'Seht, was wir Huebsches gemacht haben, das tut doch
gar nicht weh, oder?' -- quasi als Gewoehnungsmassnahme.
Moeglicherweise folgen also der Eroeffnung der Sanierung der
Hasnerstrasse bald echte Verbesserungen fuer den nichtmotorisierten
Verkehr, die nicht mehr das Auto als wichtigstes Mass der
innerstaedtischen Mobilitaet ansehen. Wir duerfen hoffen.
*Bernhard Redl*


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