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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. September 2012; 23:11
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Militaer:

> "Eisen und Blut"

Die Machteliten erhoehen Druck in Richtung EU-Armee. Die Umstellung
auf Berufsheer dient der "Transformation der Streitkraefte in Richtung
Intervention und Expeditionskriegszuege" moniert die *Solidarwerstatt*

Bereits im gemeinsamen Koalitionsvertrag von CDU-CSU-FDP nennt die
deutsche Regierung den "Aufbau einer europaeischen Armee" als Ziel.(1)
Die tiefe EU-Finanzkrise wird nun von den deutschen Machteliten als
"Chance" (Schaeuble) gesehen, dieses Projekt voranzutreiben. Unter
deutscher Fuehrung sprachen sich im Juni 2012 zehn EU-Aussenminister
fuer eine neue EU-Machtstruktur aus, mit umfassenden Vollmachten fuer
eine EU-Regierung bzw. eines nach US-Vorbild installierten
EU-Praesidenten: Diese soll nicht nur die Budgetpolitik der
Mitgliedsstaaten diktieren, sondern auch die Aussen- und
Sicherheitspolitik bestimmen, einschliesslich des Oberbefehls
zentralisierter EU-Streitkraefte. Die machtpolitischen Motive fuer
diesen Vorstoss koennen in den Publikationen einschlaegiger
Think-Tanks und Experten schon seit laengerem nachgelesen werden. So
heisst es etwas in einer Studie des Centrums fuer Angewandte
Politikforschung, einer regierungsnahen deutschen Denkfabrik im Solde
der Bertelsmann-Stiftung: "Der Aufbau der Vereinten Europaeischen
Strategischen Streitkraefte, die sich unter einem gemeinsamen
europaeischen Oberkommando des Atomwaffenpotenzials Franreichs und
Grossbritanniens bedienen koennen, wird die internationale Rolle der
EU veraendern. [...] Die Supermacht Europa verabschiedet sich endgueltig
von der Idee einer Zivilmacht und bedient sich uneingeschraenkt der
Mittel internationalen Machtpolitik." (2)

"Soehne in den Krieg schicken"

Auch Alan Posener, Kommentarchef der konservativen "Welt" (BRD),
erlaeuterte 2007 unter dem bezeichnenden Titel "Imperium der Zukunft -
Warum Europa das Zeug zur Weltmacht hat" ohne viel Umschweife den
Grund fuer den Drang zur EU-Streitkraeften. Auf die rhetorische Frage:
"Was, wenn die Soehne in den Tod geschickt werden muessen?" bleibt er
die Antwort nicht schuldig und meint ueber die militaerischen
Faehigkeiten der EU: "Will Europa sie nicht nur auf dem Papier
realisieren, werden neben nationalen Eitelkeiten wie ueppige
Generalstaebe und eigene Ruestungsindustrien auch nationale
Eigenheiten wie etwa Deutschlands Parlamentsvorbehalt beim
Auslandseinsatz fallen muessen. Das ist nicht trivial: Europas Elite
ruestet sich, um Krieg auch dann kollektiv fuehren zu koennen, wenn es
in keinem einzelnen EU-Mitgliedsland dafuer eine Mehrheit gibt." (3)

Bismarck reloaded

Treffender laesst sich der antidemokratische Antrieb des
deutsch-europaeischen "Willens zur Weltmacht" kaum formulieren. Unter
diesen Bedingungen verwundert es auch nicht, dass in der Partei der
deutschen Kanzlerin bereits wieder offen dem Ahnherr des deutschen
Militarismus und der Demokratieverachtung, Bismarck, gehuldigt wird.
So schreibt Alexander Gauland (CDU), ehemaliger Staatssekretaer der
hessischen Staatskanzlei, im August 2012: "Die Deutschen haben ein
gestoertes Verhaeltnis zur militaerischen Gewalt. Sie betrachten sie
nicht als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln im Sinne von
Clausewitz, sondern als das schlechthin Boese und Falsche, als ein
Mittel, aus dem nie und unter keinen Umstaenden Brauchbares entstehen
koenne. [...] Statt [...] immer von Neuem die pazifistische Melodie zu
singen, waere es klug, eine politische zu intonieren, weil eben
militaerische Gewalt [...] nicht an sich schlecht, sondern nur als
falsche Politik schlecht ist. Das aber setzt voraus, dass die
Deutschen wieder eine Tatsache der Weltgeschichte akzeptieren lernen,
die Bismarck in seiner ersten Regierungserklaerung als preussischer
Ministerpraesident 1862 in die beruehmten Worte fasste: 'Nicht durch
Reden und Majoritaetsbeschluesse werden die grossen Fragen der Zeit
entschieden - das ist der grosse Fehler von 1848 und 1849 gewesen -
sondern durch Eisen und Blut.'" (4)

Rot-schwarz-blau-gruener Schulterschluss fuer EU-Armee

Auch der oesterreichische Aussenminister Spindelegger war einer der
zehn Aussenminister, die den deutschen Vorstoss in Richtung EU-Armee
abgenickt haben - mit oeffentlicher Unterstuetzung durch Bundeskanzler
Faymann. Die muessen freilich dafuer von Seiten der parlamentarischen
Opposition keine Schelte fuerchten. Denn Gruene wie Freiheitliche
fordern schon seit Jahren eine EU-Armee. Beim blauen Chefideologen
Andreas Moelzer liest sich das so: "Das Europa der Zukunft soll ein
starker und unabhaengiger Faktor der Weltpolitik sein. Dieses Europa
muss eine unabhaengige Weltmacht sein, das nicht nur die eigene
Sicherheit und die all seiner Mitglieder garantieren kann, sondern
seine vitalen Interessen auch weltweit zu vertreten und durchzusetzen
weiss. Eine gemeinsame Aussenpolitik und eine gemeinsame
Sicherheitspolitik sind dafuer die unabdingbaren Voraussetzungen. Eine
starke europaeische Armee mit internationalen Eingreiftruppen, ein
Verteidigungsbuendnis, das Europa zu Lande, zu Wasser und zur Luft
unangreifbar macht und gleichmaessige und gerechte Beteiligung aller
Mitgliedstaaten dieser Union waeren dafuer die Voraussetzung." (5)

Beim Gruenen Sicherheitssprecher Peter Pilz klingt dasselbe etwas
buendiger: "Wir wollen in der EU gemeinsame Streitkraefte mit einem
gemeinsamen Verteidigungsminister [...] Die Neutralitaet wird damit
ersetzt." (6)

Berufsheer: "Transformation in Richtung Intervention und
Expeditionskriegszuege"

Die EU-Armee ist die Armee einer Supermacht und als solche den
globalen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen verpflichtet.
In einem Strategiepapier des EU-Instituts fuer Sicherheitsstudien
heisst es daher: "Die Transformation Europaeischer Streitkraefte von
der Landesverteidigung in Richtung Intervention und
Expeditionskriegszuegen ist eine unabdingbare Voraussetzung fuer eine
effektive Europaeische Sicherheitsstrategie."(7). Die wichtigste
Aufgabe sei es, "die transnationalen funktionellen Stroeme und deren
Knotenpunkte" sicherzustellen: also vor allem die Waren-, Kapital- und
Rohstoffstroeme. Das erfordere "globale militaerische
Ueberwachungskapazitaeten und die Faehigkeit zur Machtprojektion". (8)

Neutralitaet statt EU-Kampftruppen und Berufsheer!

Verteidigungsminister Darabos will nun einen weiteren Schritt dieser
"Transformation" des Bundesheeres in die Wege leiten. Eine
Volksbefragung ueber pro und contra Wehrpflicht geht aber an der
entscheidenden Fragestellung in Bezug auf die sicherheitspolitische
Weichenstellung vorbei. Diese muesste lauten: Entweder Weitermarsch in
Richtung einer imperialen EU-Armee, inklusive der entsprechenden
Profitruppen oder glaubwuerdige Neutralitaet und der sofortige
Ausstieg aus den ganzen militaerpolitischen EU-Verbaenden und
Institutionen (Battlegroups, PSK, EU-Militaerausschuss und
EU-Militaerstab, Ruestungsagentur, usw.). (gek.)

Quelle:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=718

Petition: http://www.solidarwerkstatt.at/Forum/GegenBerufsheer.php


Zitate aus:
(1) Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP, 2009, Seite 118
(2) Zukunft Europas, Mai 2003, CAP)
(3) Die Welt, 16.9.2007
(4) Der Tagesspiegel, 23.07.2012
(5) Andreas Moelzer, in: Europa im rechten Licht, S. 97; Wien 2004
(6) Standard, 9.10.2007, http://derstandard.at/3020226
(7) EU-Institut fuer Sicherheitsstudien, European Defence Paper, Paris
2004
(8) EU-Institut fuer Sicherheitsstudien, What Ambitions for European
Derfence in 2020, Paris, 2009



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