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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Mai 2012; 02:04
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Krise:

> Langsames US-Wachstum verstaerkt Weltwirtschaftskrise

Geld waere vorhanden, aber niemand will investieren

Das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft hat sich im ersten Quartal
des Jahres 2012 verlangsamt; laut letzten Zahlen des
US-Handelsministeriums ist das Bruttoinlandsprodukt nur um 2,2 Prozent
gestiegen. Diese Zahl lag deutlich unter den 2,6 Prozent, die
Oekonomen erwartet hatten, die von Dow Jones Newswires befragt wurden.

Die Zahlen deuten darauf hin, dass die Beschaeftigung auch weiterhin
nur langsam steigen wird und sich die Arbeitslosigkeit ueber den
derzeitigen Stand von 8,2 Prozent hinaus erhoehen wird, nachdem sie in
den letzten sechs Monaten von 9,1 Prozent gesunken war.

Gleichzeitig stagniert die kapitalistische Weltwirtschaft weiterhin
und die grossen Wirtschaftsmaechte Europas - Deutschland,
Grossbritannien, Frankreich, Italien und Spanien - erleben entweder
den Beginn einer neuerlichen Rezession oder stehen kurz davor. Auch
Japan befindet sich in einer Rezession, und das Wirtschaftswachstum
von China und Indien hat sich deutlich verlangsamt - es liegt deutlich
unterhalb der Wachstumsraten der vergangenen Jahre von ca. zehn
Prozent.

Der Weltkapitalismus steht noch immer auf der Kippe. Es droht eine
neue weltweite Finanzkrise, die durch Schocks ausgeloest werden
koennte, wie beispielsweise einen Staatsbankrott Griechenlands oder
eines von sechs andern Laendern der Eurozone, einer finanziellen
Implosion wie dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers 2008, einem Krieg
im oelreichen Nahen Osten oder einem anderen internationalen
Krisenherd.

Der Bericht des Handelsministeriums zeigt, dass die Vereinigten
Staaten nicht der Motor eines weltweiten Wirtschaftsaufschwungs sein
koennen, wie sie es in frueheren Jahrzehnten waren. Die amerikanischen
Unternehmen haben mehr als genug Geld, aber sie halten es fuer
gewinnbringender, ihre eigenen Aktien zurueckzukaufen als in
Produktion zu investieren.

Die Agentur erklaerte, der Rueckgang des BIP-Wachstums sei
hauptsaechlich auf "einen Rueckgang privater Investitionen in Inventar
und einen Rueckgang bei Investitionen in gewerbliche Immobilien
zurueckzufuehren." Mit anderen Worten, er ist das Ergebnis der
Weigerung der Grosskonzerne, neue Gebaeude zu bauen oder Computer und
Ausruestung zu kaufen.

Die Kategorie "Investitionen in gewerbliche Immobilien" ging im ersten
Quartal sogar um 2,1 Prozent zurueck, waehrend sie im ersten Quartal
2011 noch um 5,2 Prozent gestiegen war. Die Unternehmen verlangsamten
auch den Ankauf von Inventar, da sie scheinbar annehmen, sie wuerden
Schwierigkeiten haben, zusaetzliche Gueter zu verkaufen.

Ein weiterer grosser Faktor fuer den Rueckgang ist ein Sinken der
Staatsausgaben von drei Prozent, da kommunale, bundesstaatliche und
die nationale Regierung ihre Ausgaben gekuerzt haben. Im vierten
Quartal des Jahres 2011 hatte es dort bereits einen Rueckgang von 4,2
Prozent gegeben.

Der Vorsitzende der Federal Reserve, Ben Bernanke, sagte nach einem
zweitaegigen Treffen, es werde keine weiteren Bestrebungen geben, die
Schaffung von Arbeitsplaetzen anzukurbeln. Die Fed schaetzt, dass die
Arbeitslosenquote auch bis Ende dieses Jahres bei acht Prozent
bleiben, im Jahr 2013 auf sieben Prozent und im Jahr 2014 auf 6,7
Prozent sinken werde.

Das bedeutet, Millionen von Arbeitern werden mehr oder weniger
dauerhaft arbeitslos bleiben. Fast 25 Millionen Arbeiter sind
arbeitslos, unterbeschaeftigt oder aus der Statistik gefallen, weil
sie keine Arbeit finden koennen. Laut einem Bericht von Associated
Press von letzter Woche sind mehr als die Haelfte aller
College-Absolventen unter 25 Jahren entweder arbeitslos oder
unterbeschaeftigt.

Bei einer Pressekonferenz zum Ende der Tagung wies Bernanke Kommentare
liberaler Kritiker zurueck, die forderten, die Wirtschaft zu
stimulieren und Arbeitsplaetze zu schaffen. "Die Frage ist, ist es
sinnvoll, eine hoehere Inflation zu riskieren, um die Arbeitslosigkeit
etwas schneller zu senken?", fragte er. "Das waere sehr leichtsinnig."

Der Vorsitzende der Fed argumentierte, dass inflationaere Politik
nicht zu einem deutlichen Wachstum auf dem Arbeitsmarkt fuehre, womit
er indirekt zugab, dass die Zentralbank die Unternehmen nicht dazu
zwingen koenne, Arbeiter einzustellen, wenn sie keine Moeglichkeit
sehen, mit ihrer Arbeit Gewinn zu machen.

Ausserdem gibt es Presseberichten zufolge betraechtlichen Widerstand
der Fed-Gouverneure gegen weitere Massnahmen zur Erleichterung von
Krediten. Einige Funktionaere wollten die Zinssaetze ueber den
derzeitigen Stand von fast null anheben, um ihre Entschlossenheit im
Kampf gegen inflationaeren Druck zu zeigen - d.h., um Arbeiter daran
zu hindern, Lohnerhoehungen zu fordern.

Ende April meldete das US-Arbeitsministerium, dass die Zahl der
Neuantraege auf Arbeitslosenhilfe letzte Woche nahezu unveraendert bei
388.000 lag, das ist der hoechste Stand seit dem 7. Januar. Die
woechentliche Zahl war Ende Maerz auf 355.000 gesunken, dann im April
eine Woche lang um 30.000 gestiegen, teilweise wegen der Entlassung
zahlreicher Angestellter an staatlichen Schulen.

Andere Meldungen aus der amerikanischen Wirtschaft waren aehnlich
duester wie die BIP-Zahlen. Das Handelsministerium schrieb am 25.
April, dass die Auftraege fuer langlebige Gueter im Maerz um 4,2
Prozent zurueckgegangen waren - der groesste Rueckgang seit Januar
2009, als sich die amerikanische Wirtschaft im freien Fall befand. Die
Agentur korrigierte auch ihre Schaetzung fuer langlebige Gueter fuer
den Februar von 2,4 Prozent auf 1,9 Prozent Wachstum nach unten.

Letzte Woche meldete die Federal Reserve, dass die Leistung des
produzierenden Gewerbes und die Zahl der Wohnhausneubauten im Maerz
ebenfalls gesunken seien. Die Produktionszahlen gingen um 0,2 Prozent
zurueck, dies war der erste Rueckgang seit vier Monaten.Die
Obama-Regierung nannte den BIP-Bericht "ermutigend", gab aber das
Offensichtliche zu: "Zusaetzliches Wachstum wird benoetigt, um die
Arbeitsplaetze zu ersetzen, die durch die schwere Rezession seit Ende
2007 verlorengegangen sind." Ein Sprecher Obamas beschraenkte sich auf
Allgemeinplaetze und sagte, die amerikanische Wirtschaft "bewege sich
in die richtige Richtung", aber Praesident Obama sei der Meinung, es
"sei noch viel zu tun."

Der voraussichtliche republikanische Praesidentschaftskandidat Mitt
Romney, frueher Gouverneur von Massachusetts, kritisierte die Bilanz
der Regierung fuer den Arbeitsmarkt, hatte aber keine anderen
Vorschlaege als weitere Steuersenkungen und Deregulierung fuer
amerikanische Konzerne, die schon seit mehr als zehn Jahren keine
Arbeitsplaetze geschaffen haben.

Keine der beiden grossen Wirtschaftsparteien, weder Demokraten noch
Republikaner, schlagen ein Programm vor, durch das Millionen neue
Arbeitsplaetze geschaffen wuerden, obwohl derzeit im Vergleich zu 2008
fuenf Millionen Arbeiter mehr offiziell arbeitslos sind und weitere
fuenf Millionen aus der Statistik herausgefallen sind, weil sie es
aufgegeben haben, Arbeit zu suchen.

Laut einer Reportage von Bloomberg News Anfang des Monats sind 70
Prozent aller Arbeitsplaetze in den letzten sechs Monaten in vier
Sektoren entstanden - Restaurants und Hotels, Gesundheitswesen,
Einzelhandel und Zeitarbeit - in denen Niedrigloehne herrschen.

Die amerikanischen Unternehmen haben vorsaetzlich eine riesige
Reservearmee von Arbeitslosen geschaffen, um die Loehne weiter senken
zu koennen. In einem Newsletter an Grossinvestoren schrieb der
Investmentchef von JPMorgan Chase, Michael Cembalest: "Die Lohnkosten
in Amerika sind im Vergleich zu den Umsaetzen und dem
Bruttoinlandsprodukt heute so niedrig wie seit fuenfzig Jahren nicht
mehr."

Waehrend Loehne stagnieren oder sogar sinken, schiessen die Gewinne
der Unternehmen in die Hoehe. Das Nettoeinkommen der Unternehmen im
Index Standard & Poor's 500 ist seit 2007 um 23 Prozent gestiegen, die
Kapitalreserven um 49 Prozent. Laut einem Bericht des Wall Street
Journals von letzter Woche haben diese Unternehmen den jaehrlichen
Umsatz, der von ihren Angestellten im Jahr erarbeitet wird, von
378.000 Dollar pro Arbeiter im Jahr 2007 auf 420.000 Dollar pro
Arbeiter 2011 erhoehen koennen.

Dass es bei den Loehnen und Sozialleistungen der Arbeiter keine
derartigen Erhoehungen gab, versteht sich von selbst.
(Patrick Martin, World Socialist Web Site / bearb.)


http://www.wsws.org/de/2012/mai2012/usa-m02.shtml



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