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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 22. Februar 2012; 02:05
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Debatte

> Lasst die Bonzen tanzen!

Warum der WKR-Ball das bessere (deutlichere) Angiffsziel darstellt als
der Opernball.
Antwort auf B.Redl in akin 4/12
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In den letzten fuenf Jahren vollzog sich bei Ballgegner_innen in Wien
ein Lastwechsel. Die Demos gegen den Opernball ebbten ab, bis sie im
Sand verliefen; woraufhin 2009 ein neues "Opfer" -- der Ball des
Wiener Korporations Rings als Treffen der Who-is-Who der europaeischen
rechts-aussen-Szene -- gefunden wurde. Ich vermute dahinter nicht
unbedingt eine politische Motivation, sondern eine eher
"opportunistische" Ausrichtung des "einfachen Demovolkes". Ich
unterstelle der Masse, dass es ihr eher wurscht ist, ob der Opernball
oder der WKR-Ball die Buehne des Protests gegen das falsche Leben, das
Universum und den ganzen Rest darstellt, frei nach dem Motto
"Schatzal, gegen welchen Ball wird den heuer mobilisiert? Gemma hin?".

Dennoch: die Entwicklung von der "Opernball-Demo" weg zur
"WKR-Ball-Demo" hin ist eine Entwicklung, die meinem Verstaendnis von
Antifaschismus entgegenkommt, und zwar auch (vielleicht sogar
gerade)deswegen, weil ich finde, dass eine Demonstration gegen den
Opernball Gefahr laeuft einen unangenehmen Beigeschmack zu kriegen
(fuer eine wirkliche Kritik an den vergangenen Opernball-Demos bin ich
aber eigentlich zu jung).

Uuhh, "dort versammeln sich die Politiker, die Grossindustriellen, und
die Prominenten und und ..." ...und eine ganze Menge Leute, fuer die
dieser Ball ein prestigetraechtiges Ereignis darstellt, das sie einmal
im Leben erreicht haben moechten. So what? Wollen wir uns wirklich
dazu herablassen, den Kapitalismus zu kritisieren anhand einer
Veranstaltung, die von Menschen besucht wird, fuer die der Verzehr von
zwei Wuerstln um 10 Euro ein Statussymbol bzw. Lebensziel darstellt?

Mag sein, dass sich viele Leute an diesem Tag in der Oper fuer etwas
besseres halten. Aber wie viele Leute gehen auf Demos, und halten sich
dort fuer was besseres?

All die Gruende, weshalb ich und wohl auch Andere den Opernball
frueher gern zerwalzt haetten, sind mir bei kritischer Betrachtung
suspekt. "Der Opernball und die entstehenden Kosten sind
ueberfluessig, genau wie die Lebenserhaltungskosten der "Bonzen",
niemand darf so viel Geld ausgeben, mit dem Geld koennte man
sinnvollere Dinge anfangen, usw."

Eigentum und Diebstahl.

Tatsache ist doch: Noch leben wir in einem Rechtssystem, wo jeder
Mensch das Recht hat, Ressourcen zu erwerben, anzuhaeufen und frei
ueber sie zu entscheiden. Jeder groessere Versuch, an diesem Recht
etwas zu aendern war eher mit Rueckschritten, als mit dem erwuenschten
Fortschritt verbunden. Und genauso rueckschrittlich ist die Kritik
daran, was Menschen so alles mit Geld fuer -- subjektiv betrachtet --
unsinnige Sachen machen, mit Geld, das anderen Ortes dringender
gebraucht wuerde.

Das Geld der Opernballbesucher_innen bleibt das Geld der
Opernballbesucher_innen, und sie haben das Recht, damit jedwedes
Beduerfnis zu befriedigen, dass sich in ihnen regt (ueber Details
laesst sich streiten). Hand an dieses Geld zu legen waere Diebstahl;
einen Gedanken dafuer aufzuwenden, was man mit dem Geld alles noch
machen koennte waere Neid.

Waehrend ich Diebstahl im Rahmen des Opernballs noch irgendwie
verstehen koennte, faend ich neidige Kritik doch eher unpassend.
Lassen wir den Opernballgaesten doch den Spass -- lassen wir sie
tanzen, sich mit Alkohol betrinken, und sie eines Jahres daraufhin am
Morgen danach feststellen, dass -- so stell ich mir das vor -- es auf
dem Opernball eigentlich eh nur eng ist, und dass richtige Parties
oder gemuetliche Kaffeekraenzchen viel mehr Spass machen.

Warum Rechtsradikale schlimmer sind als "Bonzen".

Den Gaesten des WKR-Balles goenne ich diesen Spass allerdings nicht
Was Bernhard Redl (akin#04/12), am Protest gegen den WKR-Ball
auszusetzen hatte -- dass man sich an ein paar seltsamen Figuren
abarbeitet -- trifft doch eher auf Demos gegen den Opernball zu, als
gegen den WKR-Ball.

Oder Besser: Die Figuren auf dem Opernball und deren Umfeld sind
hoechstens seltsam, die Figuren auf dem WKR-Ball und deren Umfeld sind
MINDESTENS seltsam und obendrein gefaehrlich. Es mag stimmen:
Strukturelle Gewalt im Sinne von reaktionaerem Einfluss auf die
Gesetzgebung mag von beiden Seiten ausgehen. Zu dieser strukturellen
Gewalt gesellt sich jedoch noch die offene Gewalt in Form von
persoenlichen Uebergriffen seitens der Burschenschafter und ihres
Umfelds. Mir ist nicht bekannt, dass jemals reiche Menschen
Demonstrationen gegen den Opernball angegriffen haetten bzw. einzelne
Demonstrant_innen. Es sind die ueblichen Verdaechtigen, arme
Polizist_Innen, ausgeruestet mit Schild, Gummiknueppeln und der Lizenz
zum Doegeln, die sich keine Kundgebung entgehen lassen. Bei den Demos
gegen den WKR-Ball hoert man zudem aber immer wieder von privaten
Schlaegern, die auf der Suche sind nach einzelnen Teilnehmer_innen
sich aufloesender Demos.

Ich bin trotzdem ganz bei Bernhard (akin#04/12), dass bei der
Agitation gegen den Burschenschafter-Ball eine Auseinandersetzung mit
dem Thema Faschismus und reakionaere Bewegungen so abzufassen ist,
dass auch OeVP bzw. CV ihr Fett weg kriegen. Auch der Kapitalismus
oder noch mehr die buergerliche Gesellschaft als Ursprung
rechtsradikaler, faschistischer und antisemitischer, etc. Stroemungen
duerfte bei der Kritik am WKR-Ball nicht fehlen.

In Ansaetzen gibt es diese Auseinandersetzung aber eh (Demo gegen den
CV-Ball am 14. 1. in Linz) und ich vermute eher eine Schwaeche der
"Wiener Szene" -- und zwar die generell fehlende Theorielastigkeit --
hinter der mangelnden Ausgestaltung als eine echte Oberflaechlichkeit.

Vielleicht ist es aber auch unsere selektive Wahrnehmung, die uns --
Bernhard und mich -- daran hindert, gute Theoriearbeit der uns jeweils
weniger sympathischen Seiten zu erkennen.

Wenn es nicht am bereits erwaehnten Umstand liegt, dass der Opernball
als Demoziel gerade nicht so trendy ist, liegt es wohl tatsaechlich
daran, dass gegen den WKR-Ball eher und schneller ein Konsens erzielt
werden kann, als gegen den Opernball. Was an feiernden Nazis
auszusetzen ist, laesst sich von jeder und jedem schnell -- wenn auch
nicht immer ausreichend -- erklaeren. Vielleicht verkoerpert der
WKR-Ball den Faschismus also wirklich deutlicher, als der Opernball
den Kapitalismus.

Who the fuck are the 99%?

Was die Okkupisten und Okkupistinnen betrifft, bin ich Bernhard
(akin#04/12) fuer die physikalische, eigentlich schon axiomatische,
Feststellung dankbar, dass eine "Bewegung eine bestimmte Richtung"
haben muss. Es ist dies naemlich ein schier unschlagbares Argument in
der Diskussion um die fehlende Distanzierung von Teilen der Bewegung
zu braun-stinkenden Formulierungen. Eine Bewegung kann nur in die eine
oder die andere Richtung stattfinden. Ueber die Definition von links
und rechts mag sich mancher streiten. Ein Antikapitalismus, der sich
unwidersprochen gegen ein Weltjudentum und seine vermeintlichen
Instrumente ausspricht (naemlich auch noch ausdruecklich, und nicht
mal mehr nur metaphorisch) und umfassende Kapitalismuskritik sind
jedoch definitiv zwei verschiedene Richtungen. Ebenso hat der
angesprochene antisemitische Antikapitalismus mit Meinungsfreiheit
nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Bereits wenn dieses Parkett der
Faschisten betreten wird, ist die Meinungsfreiheit in hoechster
Gefahr, nicht erst dann, wenn dem Antisemiten als Konsequenz uebers
Maul gefahren wird, oder wenn die Zusammenarbeit mit einer schlecht
distanzierten Gruppe verweigert wird.

Antisemiten: Gusch!

Es wuerde mir auch nicht reichen, wenn sich die Occupy-Partie darauf
beschraenken wuerde, eine Kommune oder ein Debattier-Klub zu sein.
Verzapfter Bloedsinn moege sich dann wohl meiner Kenntnis entziehen,
weshalb er mir per se egal waere; allerdings bleibt einmal gesponnenes
Gedankengut selten im urspruenglichen Kreise des Gespraeches, sondern
findet meist einen Weg in die Oeffentlichkeit. Es ist schwer, solch
dummen Menschen zu widersprechen. Und so stehen dann entsetzliche
Meldungen unkommentiert im Raum, und erscheinen jenen richtig, denen
Verbindungen zwischen Verschwoerungstheorie und Antisemitismus bzw.
Antisemitismus und Holocaust nicht schmerzhaft ins Aug stechen.
Falsche Weltbilder festigen sich, und es braucht meistens keinen
Standard-Reporter, um festzustellen, dass da schon wieder irgendwo ein
paar Deppen unter sich waren.

Womit wir irgendwie wieder bei den Burschis und bei HC Bumsti waeren.
Logischerweise bin ich nicht froh darueber, dass sich Strache das Leid
der Opfer des Holocaust an Hand seiner verspaeteten Ballgaeste
vorstellt -- aber wenigstens waren HC's Aeusserungen nicht ohne
Konsequenzen und hatten einen Aufschrei zur Folge. Ohne solche Schreie
wuerde mir in diesem Land naemlich ein bisserl anders werden, und ich
wuesste nicht mehr, ob OeVP oder FPOe mehr Macht ueber das Volk haben.
Ich bin allerdings der Meinung, dass "innerliche Empoerung", wie sie
Herr Spindelegger den Berichten der Printmedien zufolge empfand, fuer
einen fuehrenden Politiker -- also quasi einen Arbeitskollegen
Straches -- nicht genug ist, um einen "Lauser" wie Strache in die
Schranken zu weisen.

Moege der Kapitalismus weiterhin das groessere der beiden besprochenen
Probleme der Linken sein, moege Antikapitalismus weiterhin unsere
Stossrichtung sein und Antifaschismus nur ein Standpunkt, auf den man
sich ohne Diskussion einigen kann.
-postcore-



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