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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Dezember 2011; 01:22
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Polizei/Justiz/Moderne Zeiten:

> Bundestrojaner: Seltsame Rechtsgrundlage

Die Gruenen haben im Oktober in einer parlamentarischen Anfrage eine
Reihe von Fragen an das Innenministerium bezueglich polizeilicher
Computerermittlungen gestellt. In der Begruendung der Anfrage heisst
es: "Wie durch den Unternehmenssprecher von DigiTask Winfried Seibert
in einem Artikel der ,Deutschen Welle' bekannt wurde, hat die Firma
DigiTask Spionagesoftware aehnlich dem deutschen Bundes- bzw.
,Staatstrojaner' an Oesterreich verkauft. Da es in Oesterreich keine
gesetzliche Regelung fuer den Einsatz gibt, ist der Ankauf einer
solchen Software mehr als aufklaerungswuerdig. Dank einer Analyse des
deutschen Chaos Computer Clubs (CCC) des sogenannten ,Bundestrojaners'
ist bekannt, dass diese Software nicht nur das Mitschneiden der
Telekommunikation, die ueber den Rechner laeuft ermoeglicht, sondern
auch saemtliche Taetigkeiten am Geraet selbst dokumentiert. Es bietet
auch die Moeglichkeit der Datenmanipulation am Geraet selbst. Der
Einsatz einer solchen Software ist eine schwerwiegende
Datenschutzverletzung und eine Verletzung des Grundrechts auf Achtung
des Privat- und Familienlebens."

Nun ist die Antwort vom Ministerium da. Albert Steinhauser,
Justizsprecher der Gruenen, kommentiert das auf seinem Blog so: "Sie
ist wortkarg ausgefallen." Er fasst die Antwort wie folgt zusammen:
"Im Jahr 2007 hat man von der Firma DigiTask eine Software im Wert von
22.260.- Euro bezogen. Durch diese Programme konnte ueber ein Key-log-
und Screenshot-Software der codierte Datenverkehr am Laptop des
Betroffenen ueberwacht werden. Wer der Betroffen ist, wird nicht
gesagt, aus den Gerichtsakten von Mohamed M. - er hat Drohvideos
produziert - wissen wir aber, dass bei ihm so eine Software zur
Anwendung gekommen ist. Bei Key-log-Programmen - sie zeichnen alle
Tastaturanschlaege auf - handelt es sich nach ueberwiegender
Expertenmeinung um einer Trojaner-Software. Die Innenministerin fuehrt
auch aus, dass der Einsatz dieser Software von der Justiz genehmigt
wurde. Das ist richtig und fatal zu gleich. Es wurde offensichtlich in
Verkennung der technischen Voraussetzungen argumentiert, dass das
rechtmaessig waere, weil man ja auch eine Kamera hinhaengen koennte,
die die Tastaturanschlaege aufzeichnet, die man dann auswertet."

Tatsaechlich ist diese "Rechtsgrundlage" aeusserst bedenklich. So
heisst es in der Antwort von Ministerin Mikl-Leitner: "Die
Rechtmaessigkeit der Massnahme wurde sowohl im Gesamtbericht des
Bundesministeriums fuer Justiz ueber den Einsatz besonderer
Ermittlungsmassnahmen im Jahr 2007 an das Parlament als auch in einer
Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Jahre 2009 vollinhaltlich
bestaetigt." Das bedeutet, die rechtliche Grundlage fuer diese
Ermittlungsmethode besteht lediglich aus der Feststellung einer
Behoerde, dass das quasi eh okay ist, und einem OGH-Urteil, das sich
nur auf einen ganz bestimmten Fall bezieht und natuerlich post festum
ergangen ist -- also die Polizeimassnahme ohne ein solches
hoechstgerichtliches Urteil durchgefuehrt worden ist. Waehrend es in
Deutschland selbstverstaendlich ist, dass derlei Methoden nur nach
vorangegangener gesetzlicher Verankerung auf Landes- oder Bundesebene
zulaessig sind, haelt also die oesterreichische Regierung derlei nicht
fuer notwendig.
-br-

Link:
http://albertsteinhauser.at/2011/12/16/trojaner-in-osterreich-das-hat-die-ministerin-geantwortet/
Dort finden sich auch die Verlinkungen fuer Anfrage und Beantwortung.
Ueber die deutsche Debatte siehe auch: "Der Trojaner der Chaoten",
akin 23/2011, http://akin.mediaweb.at/2011/23/23troj.htm

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Dazu passend:
Parlamentarische Buergerinitiative betreffend "Stoppt die
Vorratsdatenspeicherung" -- Online-Unterstuetzung zur bereits
eingebrachten Initiative:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/BI/BI_00037/index.shtml
oder http://tinyurl.com/bnzs5lu



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