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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 17. November 2011; 21:36
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Originaltext-Weiterleitung der Straßenzeitschrift Augustin
Termin Samstag, 19. November, 13 Uhr vor dem Burgtheater.
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OCCUPY CHRISTKINDLMARKT

Zum Augustin-Verkaufsverbot auf acht Wiener Weihnachtsmärkten
& und zur samstägigen Protestaktion der Augustin-Verkäufer_innen und ihrer
Fans am Rathausplatz



Liebe Freundinnen und Freunde des Augustin!

Eigentlich wollten wir nicht auch noch unseren Senf zur allgemein üblichen,
fast schon obligatorischen, jedenfalls längst zum Ritual gewordenen
Zuwendung zu den Ärmsten in der Zeit des Advent dazu geben. Wir wollen nicht
mitspielen beim bekannten Spiel der jährlichen Kalt-Warm-Fluktuation: In den
Monaten mit «R» Mitleid mit den Marginalisierten und Obdachlosen, in den
Monaten ohne «R» business as usual, und das heißt in Bezug auf die
«Randgruppen»: sie in erster Linie als «Problem» für die Stadt wahrzunehmen,
als Störung des Stadtbildes.

Heuer müssen wir unsere Prinzipien ein bisschen lockern und Ihnen doch eine
Adventgeschichte anbieten - eine Geschichte über das soziale Gewissen einer
Stadt, die nachdenklich macht, als hätten wir sie extra für die
Vorweihnachtszeit erfunden.

Die Geschichte beginnt mit dem Hinweis von Augustin-Leser_innen, sie hätten
auf einigen Wiener Christkindlmärkten die Warnung «Betteln verboten!"
gesehen. Damit zerstöre man die einzige Gelegenheit, die den Bettler_innen
verbleibt, um auf früher übliche «Barmherzigkeits»-Einheiten und damit zu
mehr als den im Jahresdurchschnitt üblichen Einnahmen zu kommen.

Sensibilisiert durch dieses offen zur Schau getragene Anliegen, nur
Konsumierende auf den Plätzen zuzulassen, und gewitzt durch Erfahrungen
vergangener Jahre, fragte der Augustin bei den Veranstalter_innen der
größten Wiener Christkindlmärkte an, ob u. a. Verkäufer_innen der Wiener
Straßenzeitung Augustin die Ausübung ihrer Tätigkeit in den
Weihnachtsmärkten verwehrt wird.

Resultat: Es gibt zwei private Event-Firmen, die mit dem Wissen, der
Billigung oder sogar mit dem Auftrag der öffentlichen Hand öffentliche
Plätze der Stadt für die Dauer der Events zum Privateigentum erklären und
den Straßenzeitungsverkauf verbieten. Es handelt sich dabei um die Event-
und Promotion-Agentur MAGMAG (Chef: Christian Clement) und um den «Verein
zur Förderung des Marktgewerbes» des Herrn Akan Keskin, Landesgremialobmann
der Wirtschaftskammer, Unternehmer am Naschmarkt mit besten Beziehungen zur
Rathausspitze.

Diese beiden Unternehmen verbieten auf öffentlichen Plätzen den
Augustin-Verkauf in folgenden Weihnachtsmärkten: Rathausplatz, Fuzo
Favoritenstraße, Mariahilfer Straße 51-55, Meidlinger Hauptstraße, Campus im
Alten AKH, Maria-Theresien-Platz und Belvedere. Adventmärkte anderer
Trägervereine erlauben Armen und Obdachlosen (zum Teil sogar mit gewisser
Empathie), ihre Zeitungen zu vertreiben: Am Hof, Türkenschanzpark,
Spittelberg, Karlsplatz, Freyung.

Besonders am Beispiel Rathausplatz zeigt sich, wie sehr die Verscherbelung
von Gemeingütern an private Profiteure in Wien gediehen ist und welche
absurden gesellschaftlichen Kosten bei dieser Politik der
Durchkapitalisierung der wichtigsten Plätze der Stadt entstehen. Der
Rathausplatz ist die «Mutter der öffentlichen Plätze in Wien. Nicht zufällig
endeten und enden hier die Demonstrationen der Arbeiter_innenbewegung. Bis
2006 vergab die Gemeinde Wien die Christkindlmarktstände am Rathausplatz
selbst, die Einnahmen flossen in den gesellschaftlichen Topf. Heute
«verschenkt» der Bürgermeister den Platz an den Unternehmer Akan Keskin.
Dieser muss nur 5 bis 10 Euro je Marktplatz pro Tag an die MA 59 (Marktamt)
zahlen. Er kassiert jedoch 7000 bis 10.000 Euro von jedem der rund 150
Christkindlmarkt-Stände für die Dauer des Markts; außerdem subventioniert
die Gemeinde Keskins «Adventzauber» mit EINER Million Euro; eine weitere
Viertelmillion steuert die Wirtschaftskammer bei. Der Markt am Rathausplatz
erwartet 3 Millionen Besucher_innen, jede_r von ihnen wird rund 20 Euro am
Platz lassen.

Wie er bei solchen Gewinnaussichten, die ihm die öffentliche Hand quasi
risikofrei garantiere, den Ausschluss von Obdachlosen oder arbeitslosen
Augustin-Leuten legitimieren könne, fragten wir Herren Akan Keskin. Michael
Häupls Platzhirsch vor dem Rathaus reagierte wirsch: Falls der Augustin mit
dieser Angelegenheit an die Öffentlichkeit gehe, werde er juristische
Schritte gegen das Blatt einleiten. Im Übrigen werde er heuer eine
5000-Euro-Spende für «Licht ins Dunkel» abliefern.

Die Verkäuferinnen und Verkäufer des Augustin lassen sich die Freiheit, den
öffentlichen Raum zu benützen, nicht nehmen. Sie werden am kommenden
Samstag, 19. November, gemeinsam mit Leserinnen und Lesern der
Straßenzeitung, gegen die Kommerzialisierung des Advent, gegen die
Privatisierung des öffentlichen Raums protestieren. Sie werden u.a. solche
Forderungen an die rot-grüne Stadtregierung richten: DIE ARMUT BEKÄMPFEN UND
NICHT DIE ARMEN! SUPPENKÜCHEN FÜR JEDEN CHRISTKINDLMARKT! PLÄTZE GEHÖREN
ALLEN UND NIEMANDEN! OCCUPY RATHAUSPLATZ!

Wir würden uns über Eure Teilnahme sehr freuen. Treffpunkt: Samstag, 19.
November, 13 Uhr vor dem Burgtheater.

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Originaltext Ende
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