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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. September 2011; 01:58
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Das Letzte:

> Initiative Gewerkschafter fuer den Krieg

Die deutsche Industriegewerkschaft Metall bekennt sich zum Umbau der
Bundeswehr zur global operierenden Interventions- und Besatzungsarmee
und fordert eine drastische Ausweitung der deutschen Ruestungsexporte.
Das "neue sicherheitspolitische Umfeld des 21. Jahrhunderts" sei
bestimmt von dem "Konzept weltweit mobiler Streitkraefte, die flexibel
an wechselnden Schauplaetzen fuer militaerische Einsaetze zur
Verfuegung stehen", erklaert der IG Metall-Vorstand in einer Studie
ueber den "militaerischen Schiffbau" vom Dezember 2010. Die Autoren
sprechen sich nicht nur dafuer aus, die "Einsatzfaehigkeit" der
Kriegsmarine gegen die "Bedrohung des freien Warenverkehrs"
ruestungspolitisch sicherzustellen; sie fordern ebenso, die
"Exportfaehigkeit" deutscher Waffen zu gewaehrleisten. Den
Gewerkschaftern zufolge zielen die "Hoffnungen in der Branche" auf
"Wachstumsmaerkte ausserhalb Europas"; verwiesen wird auf die von
"einigen Schwellenlaendern" geplanten "milliardenschweren
Beschaffungen". Um bei diesem "Rennen" zum Zuge zu kommen, muessten
die "wehrtechnischen Kernfaehigkeiten" der deutschen Wirtschaft
ausgebaut und vertieft werden, heisst es: Es gelte, die "Entwicklung
neuer Produkte fuer neue Maerkte zu beschleunigen".

Weltweit mobile Streitkraefte

Wie der Vorstand der IG Metall und sein "Arbeitskreis Wehrtechnik und
Arbeitsplaetze" in einer aktuellen Studie erklaeren, stehe die
Bundeswehr "vor der Aufgabe, zunehmend neue internationale Aufgaben zu
uebernehmen, die veraenderte militaerische Faehigkeiten und neue
Ausruestung erfordern". Die Publikation traegt den Titel "Perspektiven
der deutschen militaerischen Schiffbaukapazitaeten im europaeischen
Kontext"; ihre Autoren gehen uebereinstimmend davon aus, dass das
"neue sicherheitspolitische Umfeld des 21. Jahrhunderts" bestimmt ist
"von dem Konzept weltweit mobiler Streitkraefte, die flexibel an
wechselnden Schauplaetzen fuer militaerische Einsaetze zur Verfuegung
stehen". Exemplarisch wird in diesem Zusammenhang auf eine "neue
Herausforderung" verwiesen - "die zunehmende Bedrohung des freien
Warenverkehrs zu See durch Piraterie und Terrorismus" etwa am Horn von
Afrika und im Golf von Aden.[1]

Ruestungsexportmaerkte

Damit einhergehend aeussern die Autoren die Befuerchtung, die
angemahnte Umruestung des deutschen Militaers zur global agierenden
Interventions- und Besatzungsarmee koenne wegen der aktuellen
Finanzkrise auf der Strecke bleiben. Die "Transformation der
Bundeswehr" falle in eine "Phase oeffentlicher Sparpolitik"; dies
fuehre dazu, dass das "nationale Beschaffungsvolumen" nicht ausreiche,
"um vorhandene Entwicklungs- und Produktionskapazitaeten wirklich
auszulasten", heisst es. Gerade im Marineschiffbau koenne eine
wirkliche Kapazitaetsauslastung daher "nur ueber Exporte erfolgen",
ist der Publikation der IG Metall zu entnehmen; militaerische
Auftraege haetten insbesondere fuer die deutschen Werften "eine klar
stabilisierende Funktion". Da jedoch die europaeischen Exportmaerkte
"hart umkaempft" seien, richteten sich die "Hoffnungen in der Branche"
auf "Wachstumsmaerkte ausserhalb Europas", erklaeren die Autoren - und
verweisen auf von sogenannten Schwellenlaendern wie China, Indien oder
Brasilien geplante "milliardenschwere Beschaffungen". Im Rahmen der
"Entwicklung neuer Produkte fuer neue Maerkte" werde die Konkurrenz
jedoch nicht abnehmen, wissen die Gewerkschafter: "Bei diesem Rennen
werden laengst nicht alle europaeischen Anbieter zum Zuge kommen
koennen."[1]

EADS der Meere

Um nun einerseits die fuer den Bau von Kriegsschiffen aller Art
notwendigen "wehrtechnischen Kernfaehigkeit(en)" mit "nationaler
Bedeutung" zu erhalten und andererseits auf dem internationalen
Waffenmarkt zu reuessieren, favorisiert die IG Metall in ihrer Studie
eine "europaeische Loesung". Auf der Grundlage einer EU-weiten
"Definition der militaerischen Anforderungen" seien die "Ergaenzungs-
und Ersatzbedarfe" der jeweiligen nationalen Kriegsmarinen festzulegen
und in "europaeische Beschaffungsprogramme" zu ueberfuehren, heisst
es. Das Ziel bestehe dabei in der Errichtung einer "gemeinsamen Basis
der Ruestungsindustrie als Element der europaeischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik". Konkret werden hierunter "uebergreifende
Kooperationen" der wirtschaftlich staerksten und technologisch
fortgeschrittensten Waffenschmieden verstanden - etwa in Form der
Herausbildung einer "EADS der Meere".[1]

Dieser Vergleich kommt wahrscheinlich nicht von ungefaehr, denn bei
der echten EADS wurde in letzter Zeit gerade bei den deutschen
Standorten immer wieder von Kuendigungen oder Absiedlungen geredet.
Auch die deutsche Bundesregierung zeigt immer weniger Lust auf weitere
Bestellungen von Flugzeugen aus dem militaerischen Segment des
Konzerns.[2] Da koennte die Kriegsschiffproduktion fuer die IG Metall
eine willkommene Alternative sein.

Nationale Interessen

Die in der Studie zum "militaerischen Schiffbau" dargelegten
Auffassungen entsprechen offenbar einer laengerfristigen strategischen
Orientierung der IG Metall. Bereits 2005 forderte der beim Vorstand
der Gewerkschaft angesiedelte "Arbeitskreis Wehrtechnik und
Arbeitsplaetze" in einer "Erklaerung zur Lage des Marineschiffbaus"
die "Schaffung eines europaeischen Werftenverbundes". Voraussetzung
fuer die Implementierung einer solchen "maritimen EADS" sei allerdings
die "grundlegende Staerkung der Systemfuehrerschaft in Deutschland",
hiess es: "Gefordert ist (...) ein starker nationaler Industrie- und
Forschungsverbund, der genuegend Potential hat, um die verschiedensten
internationalen Allianzen zu schliessen und dabei eine fuehrende Rolle
zu spielen." Um die "entscheidende(n) Kernkompetenzen der deutschen
Wehrtechnik" zu erhalten und weiterzuentwickeln, verlangten die
Gewerkschafter von der Bundesregierung die "entschlossene Durchsetzung
der nationalen und strategischen Interessen (...) auf allen Ebenen":
"Anderenfalls wird Deutschland den Ambitionen der Konkurrenten nicht
gewachsen sein."[4]

Die Kriegsfuehrung der Zukunft

Parallel dazu forderte Hartmut Kuechle vom "Arbeitskreis Wehrtechnik
und Arbeitsplaetze" in einer von der gewerkschaftsnahen
Hans-Boeckler-Stiftung herausgegebenen Publikation eine deutliche
Ausweitung der staatlichen Exportfoerderung fuer Ruestungsgueter: "Da
der Staat der privaten Industrie heute kaum noch eine Bestandsgarantie
geben kann, ist der Export zur Sicherung der erforderlichen
Mindestkapazitaeten umso notwendiger." Wer wie die Bundesrepublik
"Weltordnungspolitik" betreiben wolle, tue zudem gut daran, nicht nur
"militaerische Faehigkeiten", sondern auch "ruestungsindustrielle und
ruestungstechnologische Kompetenzen" als "Grundlage fuer politischen
Handlungsspielraum" zu verstehen: Es gelte, erklaerte Kuechle unter
Berufung auf das "Zentrum fuer Transformation" der Bundeswehr [5],
"sich auf die Kriegfuehrung der Zukunft (zu) konzentrieren".[6]

Aber Transparente sind Verbrechen

Wie mit Ruestungskritikern in Deutschland umgegangen wird, passt dazu
ins Bild. Derzeit stehen acht Jugendliche vor Gericht, weil sie ein
Transparent beim Hamburger Schiffbauer Blohm&Voss angebracht hatten.
Nach einer Strafanzeige der Firma wegen Hausfriedensbruch waren vom
Amtsgericht Strafbefehle fuer alle Beteiligten in Hoehe von insgesamt
6.500 Euro bzw. 260 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe erlassen worden. Die
Jugendlichen hatten am 23.10.2010 fuer etwa 15-20 Minuten an der
Aussenseite eines Docks der Schiffs-Werft mit ihrem Transparent gegen
die Kriegswaffenproduktion von Blohm&Voss protestiert. Obwohl der
Werksschutz ihnen bei freiwilliger Beendigung der Aktion zugesagt
hatte, dass keine Anzeigen erstattet wuerden, erfolgten dann doch
Anzeigen und Strafbefehle. Fuer Dienstag war ein Verhandlungstag
angesetzt, Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
(german-foreign-policy.com, Komitee fuer Grundrechte u.a./akin)
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[1] IG Metall Vorstand - Wirtschaft, Technologie, Umwelt: Perspektiven
der deutschen militaerischen Schiffbaukapazitaeten im europaeischen
Kontext. Frankfurt am Main, Dezember 2010
http://www.pcg-projectconsult.de/pdf/dgb_kurzreport_perspektiven_militaerischer_schiffbaukapazitaeten.pdf
[2]
http://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/ig-metall-kuerzung-des-ruestungsetats-gefaehrdet-zehntausende-jobs_aid_551265.html
[4] Erklaerung des "Arbeitskreises Wehrtechnik und Arbeitsplaetze in
der IG Metall" zur Lage des Marineschiffbaus in Deutschland, Emden
2005
http://www.dmkn.de/downloads/97/fd/i_file_50280/Zur_Lage_des_Marinebaus_in_Deutschland%5B1%5D.pdf
[5] bis Juli 2004: "Zentrum fuer Analysen und Studien der Bundeswehr"
[6] Hartmut Kuechle: Die Neustrukturierung des deutschen
Ruestungsmarktes als industriepolitische Aufgabe. Duesseldorf 2005
http://www.boeckler.de/pdf/p_edition_hbs_135.pdf
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Quellen u.a.: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58137
http://www.grundrechtekomitee.de/node/427



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