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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Juni 2011; 22:35
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Asyl:

> Zwei ganz nette Menschen

"Asyl in Not" ueber zwei Schluesselfiguren der oesterreichischen
Fremdenrechtsverwaltung
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Das Innenministerium haelt sich einen Verein, der als NGO ausgegeben
wird und hohe Foerderungen kassiert. Fuer Schubhaft-"Betreuung",
Rueckkehrberatung, ja sogar "Rechtsberatung": den "Verein
Menschenrechte Oesterreich".

Dieser Verein ist es, der die Beschwerdefrist fuer die
Transgenderperson Yasar versaeumt hat und so beinahe mitschuldig
geworden waere an ihrer Abschiebung. Der Geschaeftsfuehrer des
besagten Vereins, Guenter Ecker, hat es sich zum Ziel gesetzt,
"Abschiebungen professionell durchzufuehren". So schaut das aus:

Mein tschetschenischer Klient V. unterschrieb in der Schubhaft am 7.
Februar 2007 ein Formular mit dem Titel "Hilfe & Beratung": "Ja, ich
moechte mit einem Mitarbeiter des Vereins Menschenrechte Oesterreich
sprechen!" Am 6. Maerz 2007 unterschrieb er einen
Rechtsmittelverzicht. Er wurde abgeschoben. In die Slowakei, die
Tschetschenen grundsaetzlich keinen Schutz gewaehrt.

In einem Interview fuer die (von SOS Mitmensch herausgegebene)
Zeitschrift "MO" behauptet Ecker, Schubhaeftlinge versuchten, sich
"als besonders hilfsbeduerftig darzustellen", obwohl doch angeblich
"ein Drittel bis zur Haelfte" von ihnen ein "strafrechtliches
Vorleben" habe; sie nuetzten das "Kindchenschema" aus, indem sie "sich
klein und hilfsbeduerftig machen". Ecker zeigt unverbluemt, wie sehr
er sie verachtet. Und dass er ihnen kein Wort glaubt.

Eckers Aufgabe ist: die Leute muessen weg. Diesem Ziel widmet er sich
mit vollem Engagement. Nicht nur, weil er vom Staat bezahlt wird. So
zynisch redet nur einer, der es aus Ueberzeugung tut.

Schubhaeftlinge im Hungerstreik sind "clevere Leute", behauptet Ecker
im selben Interview. Wenn sie freigelassen werden, weil sie
haftunfaehig sind, gelten sie (Ecker zufolge) als "role models". Und
wenn einer stirbt, wie der Inder Gagendeep Singh, kann Ecker nichts
dafuer: Der hungerstreikende Singh sei ja "nicht an etwas verstorben,
was man mit freien Augen haette sehen koennen", sondern "an einem
Herzinfarkt"...

Hungerstreik ist fuer viele verzweifelte Menschen, die in Oesterreich
vergebens Schutz suchten, das letzte Mittel, um der Abschiebung in den
Tod zu entgehen. "Clevere Leute". Ich erinnere mich an einige meiner
Klienten, die sich freihungern konnten und Asyl erhielten. Politische
Fluechtlinge aus dem Iran, aus dem Kongo, aus Tschetschenien -- ohne
"strafrechtliches Vorleben", wie Ecker vermeint.

SOS und SOS

Guenter Ecker war einmal Vorstandsmitglied von SOS Mitmensch und
Geschaeftsfuehrer eines Vereins mit aehnlichem Namen, der in Linz
Schubhaeftlinge betreute: "SOS Mitmensch Oberoesterreich". Manche
hielten Ecker damals noch fuer einen Kollegen. Einige erkannten
frueher, andere spaeter, wie es um ihn steht. Nur das Innenministerium
haelt ihm jetzt noch die Stange.

Anfangs kritisierte Ecker die Schubhaft, verkaufte aber geringfuegige
Verbesserungen als gewaltigen Erfolg. Die "offene" Station: Haeftlinge
duerfen tagsueber aus der Zelle auf den Gang. Waehrend Asyl in Not
fuer die Abschaffung der Schubhaft kaempfte, griff uns Ecker
oeffentlich an.

1998 sassen zwei iranische Fluechtlinge in Salzburg in Schubhaft. Die
Polizei uebermittelte ihre Daten an die iranische Botschaft in Wien:
Bitte um Ausstellung eines Heimreisezertifikats. Die Abschiebung der
beiden haette ihren Tod bedeutet. Darueber informierte mich die
Amnesty-Fluechtlingsgruppe Salzburg. Ich erstattete Anzeige gegen die
Salzburger Polizeidirektion wegen versuchter Beihilfe zum Mord. Die
Medien berichteten. Die Abschiebung wurde verhindert, die Fluechtlinge
erhielten Asyl.

Meine Anzeige gegen die Polizei wurde "zurueckgelegt". Guenter Ecker
(der mit der Sache gar nichts zu tun hatte) schrieb einen Leserbrief
an den "Standard": er wundere sich ueber die "Geduld" der Polizei,
weil sie noch nicht gegen mich vorgegangen sei.

Daher war er dann bald nicht mehr im Vorstand von SOS Mitmensch. Er
galt bei uns seither als Denunziant. Sein Linzer Verein musste, um
Verwechslungen zu vermeiden, den Namen aendern. Er hiess seither "SOS
Menschenrechte". Ecker grenzte sich selbst immer mehr aus.

Anfang 2001 musste Ecker aus der von der Asylkoordination geleiteten
Arbeitsgruppe "Unbegleitete minderjaehrige Fluechtlinge" ausscheiden,
da einige Mitglieder sich weigerten, an den Sitzungen teilzunehmen,
sollte er weiterhin dabei sein. Niemand hatte mehr Vertrauen zu ihm.

Schliesslich verzichtete auch "SOS Menschenrechte" auf seine
Mitarbeit. Ecker gruendete sofort einen neuen Verein, wieder mit einem
zum Verwechseln aehnlichen Namen ("Verein Menschenrechte
Oesterreich"), und erhielt Anfang 2003 vom damaligen Polizeiminister
Strasser den Vertrag fuer die Schubhaftbetreuung nun auch in Wien.

Die bisherigen BetreuerInnen vom Schubhaftsozialdienst waren auf
einmal ausgesperrt. Sie hatten naemlich -- in Zusammenarbeit mit Asyl
in Not -- viele Fluechtlinge vor der Abschiebung bewahrt.

Ecker hat dann ein Gefaengnis nach dem anderen seiner
Schubhaft-"Betreuung"-Firma angeschlossen: Linz, Wien, Innsbruck,
Eisenstadt. Und die Rueckkehrberatung. Und dann noch das, was er
"Rechtsberatung" nennt. Heute leitet er einen staatsnahen Konzern, der
alle Stadien des Asylverfahrens umfasst - ein geschlossenes System,
das keiner oeffentlichen Kontrolle zugaenglich ist:

Am Anfang erklaert man den Fluechtlingen (natuerlich "ganz
objektiv".), dass sie ohnedies keine Chance haben. Dann verwahrt man
sie im Gefaengnis. Am Ende werden sie "professionell abgeschoben".
Ecker hoechstpersoenlich begleitet sie manchmal sogar. Vorausgesetzt,
sie leben dann noch.

In Eckers Obhut verdurstete der Schubhaeftling Yankuba aus Gambia in
der Isolierzelle, der Maghrebiner Fethi verbrannte fast, der Inder
Gagendeep ist verhungert, ein Afghane hat sich aufgehaengt. Ihre
Faelle wurden bekannt. Wer weiss, ob es alle sind?

Es sind oeffentliche Gelder, europaeische Gelder, die das
Innenministerium dem Ecker-Konzern hineinschiebt. Eine Verhoehnung der
EU, der Fluechtlinge und aller echten NGOs.

Ein klagefreudiges Nicht-Wuerstel

Wilfried Kovarnik, scheidender Chef der Fremdenpolizei, behauptete vor
kurzem in einem "Profil"-Interview, er sei "nicht das letzte
Wuerstel". Ein evangelischer Bischof habe naemlich nicht mit ihm reden
wollen, woraufhin er aus der Kirche ausgetreten sei (1). Derselbe
Kovarnik ist nun mit einer Klage gegen den gruenen Politiker Niki
Kunrath abgeblitzt.

Kunrath hatte sich kritisch mit einer Weisung Kovarniks
auseinandergesetzt, wonach Georgier und Moldawier polizeilich
ueberprueft werden sollten, und dieses Vorgehen als "ethnic profiling"
bezeichnet. Kovarnik hatte Kunrath daraufhin wegen "uebler Nachrede"
geklagt und in erster Instanz gewonnen; das Oberlandesgericht Wien
sprach Kunrath aber nun zur Gaenze frei.

Asyl in Not hat Niki Kunrath fuer diesen Prozess unser reiches
Archivmaterial zur Verfuegung gestellt. Dieser Wilfried Kovarnik war
uns naemlich in den vergangenen Jahren immer wieder aufgefallen:

So, als er "die Verwendung von Klebebaendern" gegen Marcus Omofuma als
"gelinderes Mittel im Sinne des Waffengebrauchsgesetzes fuer
gerechtfertigt" erklaerte ("Der Standard", 5.5.1999). Omofuma wurde
bekanntlich mit diesen Klebebaendern umgebracht.

Dass Frau Brichta - zu Prokops unseliger Zeit - fuer lange Jahre von
ihrem Mann getrennt und nach China abgeschoben wurde, liess Kovarnik,
wie er dem ORF bestaetigte, "ruhig schlafen"; er bedauerte freilich,
dass "dieser einzige Sager" vom ORF "in eine sehr ruehrselige
Geschichte eingeschnitten" wurde. So Kovarnik in einem Interview fuer
"Afrikanet"(2).

Dafuer schob er fuer "Afrikanet" gleich noch ein paar "Sager" nach, um
das Opfer schlecht zu machen: "Die Frau" habe naemlich "ein
fremdenpolizeiliches Vorleben in Oesterreich". Sie habe "uns sechs
Jahre lang in verschiedenster Weise beschaeftigt". Sie habe "mehrmals
Gewerbenormen gebrochen" und "wurde als Wanderhaendlerin in Wien
erwischt".

Immerhin raeumte er ein, dass sie "keine Kriminelle" ist. Im September
2010 ist Frau Brichta, unterstuetzt von SOS Mitmensch, Kovarnik zum
Trotz, zu ihrem Mann nach Oesterreich heimgekehrt. (3)

Auf der Homepage des "Verein Menschenrechte Oesterreich" wurde
Kovarnik im Juli 2005 mit einer Aussage ueber hungerstreikende
Schubhaeftlinge zitiert: "Die werden schliesslich nicht auf der Bahre
hinausgetragen. Sie gehen hoch erhobenen Hauptes hinaus, und sie
werden wie Helden gefeiert." (4)

Wesensverwandte

Kovarnik und Ecker sind offenbar Wesensverwandte. Gemeinsam betrieben
sie viele Jahre lang, bis Kovarnik nun in die Rente ging,
"professionelle Abschiebungen". Wir werden uns mit beiden auch weiter
beschaeftigen; denn Dergleichen verjaehrt nicht, und Kovarniks
Geistesart haftet auch in seinem Ruhestand an den Waenden und Akten
der Fremdenpolizei.

Kovarnik behauptet uebrigens im erwaehnten "Profil"-Interview, Asyl in
Not sei ein "Einmannunternehmen von Michael Genner". Offenbar war er
in seinen letzten Dienstjahren nicht mehr allzu einsatzfreudig und hat
daher von meiner Kollegin Judith Ruderstaller und unseren anderen --
durchwegs jungen und hochmotivierten -- MitkaempferInnen nichts
mitbekommen.

Aber das wird schon noch werden. Eines steht fest: Der Geist, der uns
beseelt, ueberlebt den seinigen jedenfalls.
*Michael Genner*


(1) http://www.profil.at/articles/1123/560/299168/auslaender-das-wuerstel
(2) http://www.afrikanet.info/archiv1/index.php?option=com_content&task=view&id=389&Itemid=2
(3) http://oe1.orf.at/artikel/257523
(4) http://www.verein-menschenrechte.at/presse/presse-2005-07-08.html
(5) http://www.asyl-in-not.org/php/portal.php


Zum Thema siehe auch: "Das Letzte" in diesem akin-pd


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