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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Mai 2011; 23:11
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Vergangenheit/Bewaeltigung:

> Ehrenbuerger Hitler

Amstetten hat es noch immer nicht geschafft, Adolf Hitler die
Ehrenbuergerschaft abzuerkennen. Schon im Jahr 2008, als der
Amstettner Josef F. Schlagzeilen machte, war die Ehrenbuergerschaft
Hitlers kurzfristig ein Thema. Jetzt hat der Gemeinderat der Gruenen
in Amstetten (NOe), Raphael Lueger, neuerlich die formelle Aberkennung
der Ehrenbuergerschaft fuer Hitler eingefordert und noch einen
weiteren Ehrenbuerger genannt, dem sie entzogen werden sollte: Paul
Scherpon.

Scherpon war von 1955 bis 1965 Vizebuergermeister fuer die SPOe. In
der Nazi-Zeit aber war er SS-Hauptmann und Landrat des Kreises
Amstetten. 1944 schrieb er an den Reichsstatthalter: "...die Juden
sollten in einem KZ ihrer Bestimmung zugefuehrt werden, aber so, dass
es die Bevoelkerung nicht sieht" (Oesterreich, 22.5.2011). Amstetten
war damals auch Standort eines Nebenlagers des KZ Mauthausen.

Doch nicht nur Amstetten hat Probleme mit seinen Ehrenbuergern aus der
Nazi-Zeit. An die 4.000 Gemeinden im "Grossdeutschland" der Nazis
haben Hitler die Ehrenbuergerschaft verliehen, andere haben
"Hitler-Eichen" gepflanzt oder Plaetze und Strassen nach ihm benannt.
Wie viele Ehrenbuergerschaften fuer Hitler noch immer in Oesterreichs
Gemeindechroniken schlummern, ist unbekannt. Noch weniger
aufgearbeitet sind jene Faelle, wo anderen Nazi-Groessen oder
Lokalnazis eine Ehrenbuergerschaft verliehen oder ein Strassenname
zuerkannt wurde.

Waehrend die Kommunen in Deutschland ziemlich konsequent Beschluesse
zur Aberkennung der Ehrenbuergerschaft gefasst haben, tun sich
Oesterreichs Gemeinden damit um einiges schwerer.

Die Ehrenbuergerschaft ist die hoechste Auszeichnung, die eine
Gemeinde vergeben kann. Bei Jubilaeen und in Chroniken werden die
Ehrenbuerger erwaehnt - oder auch verschwiegen, wenn die Erinnerung
unangenehm ist. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts hat nach
Medienberichten schon vor Jahren ein Gutachten erstellt, wonach eine
Ehrenbuergerschaft ueber den Tod hinaus wirksam sein und deshalb auch
aberkannt werden kann.

Der niederoesterreichische Verfassungsdienst ist im Jahr 2008
angeblich zu einem gegenteiligen Urteil gekommen: die
Ehrenbuergerschaft erloesche mit dem Tod des Ehrenbuergers, ein
Aberkennungsbeschluss sei daher nicht notwendig. Oberoesterreich hat
wiederum ein Gutachten, wonach ein Aberkennungsbeschluss durch die
Gemeinden fuer "zulaessig" erklaert wurde. Der Streit erinnert an die
Auseinandersetzung um die Deserteure der Deutschen Wehrmacht, wo
ebenfalls lange behauptet wurde, eine formelle Rehabilitierung
eruebrige sich, weil die Urteile der NS-Justiz sowieso fuer nichtig
erklaert worden seien.

Einige Gemeinden haben in den vergangenen Jahren - unabhaengig von
Rechtsgutachten - dennoch Beschluesse gefasst und Hitler die
Ehrenbuergerschaft entzogen: Rohrmoos/Untertal (Stmk) 2005,
Haslach/Muehl (OOe) im Jahr 2004, Puchenstuben (Bez. Scheibbs/NOe)
2003 und Leibnitz (Stmk) im Jahr 1995.

Waidhofen/Ybbs (NOe), Kufstein (T) und Schalchen (OOe) sind jene
Gemeinden, von denen eine Ehrenbuergerschaft fuer Hitler bekannt
wurde, die aber dennoch keine Beschluesse zur Aberkennung gefasst
haben.

Kramsach (T) waehlte eine typisch oesterreichische Variante: der
Gemeinderat hat sich von der Ehrenbuergerschaft distanziert, sie aber
formell nicht aufgehoben. Nach Angaben von Historikern gab es im Jahr
2005 noch ein gutes Dutzend andere Tiroler Gemeinden mit einer
Ehrenbuergerschaft fuer Hitler. Demnach koennte es in ganz Oesterreich
noch etliche Dutzend Gemeinden mit einer schlummernden
Ehrenbuergerschaft fuer Hitler geben!

Dazu kommen noch in ganz Oesterreich jene Ehrenbuergerschaften, die
anderen Nazis verliehen wurden, etwa in Mauterndorf (Szbg) Hermann
Goering. Der Buergermeister von Mauterndorf war noch im Jahr 2007 der
Ansicht, eine Aberkennung sei nicht notwendig, weil die
Ehrenbuergerschaft ohnehin mit dem Tod erloschen sei. Goerings Familie
war zeitweise Eigentuemerin von Burg Mauterndorf, der Obernazi Hermann
Goering galt als Foerderer der Gemeinde - reiner Zufall und ohne
Belang fuer die Haltung der Gemeinde? Blosser Zufall sicher auch, dass
die neonazistische AfP ihre Politische Akademien 1996 und 2001 auf
Burg Mauterndorf abhielt.

Die Stadt Salzburg wiederum hat die Ehrenbuergerschaft fuer Josef
Thorak, den Bildhauer des "Fuehrers" und Eduard Tratz,
SS-Hauptsturmfuehrer und Gruender des "Hauses der Natur" bis heute
nicht aufgehoben.

Und dann bleiben noch die ungezaehlten sonstigen Ehrungen ueber
Strassen- oder Plaetzenamen fuer Nazis oder bekannte Antisemiten, bei
denen zumindest eine historische Klarstellung ueber Zusatztafeln
angebracht waere...
(stopptdierechten.at/gek.)

Quelle: http://www.stopptdierechten.at/2011/05/23/ehrenburger-hitler/

*

Anmerkung der Redaktion:

Was Amstetten Hitler ist Wien Dollfuss. Dessen letzte Ruhestaette in
Hietzing ist naemlich immer noch als Ehrengrab der Stadt Wien
ausgewiesen. Derzeit muss sich auf Antrag der Bezirksgruenen die
dortige Beziksvertretung damit beschaeftigen. Siehe dazu:
http://hietzing.gruene.at/demokratie/artikel/lesen/72385/



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