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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. April 2011; 05:19
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Palaestina:

> Auf der Mauer

In Erinnerung an Juliano Mer Khamis - Nachruf von *medico
international*

Am 4. April 2011 ist unser Freund und Projektpartner Juliano Mer
Khamis auf offener Strasse im palaestinensischen Fluechtlingslager
Jenin erschossen worden. Der Schauspieler und Filmemacher Juliano Mer
Khamis war Direktor des Freedom Theatre in Jenin - einem Ort der
kuenstlerischen und politischen Freiheit, der der israelischen
Besatzung ebenso widersteht wie den patriarchalen und religioes
verbraemten lokalen Machtsstrukturen. Juliano war ein unerschrockener
Vorkaempfer fuer einen gerechten Frieden zwischen Israel und
Palaestina. Er kritisierte die israelische Kriegs- und
Besatzungspolitik aufs Schaerfste. Genauso schloss seine Solidaritaet
mit den entrechteten Palaestinensern die Kritik am politischen Irrwitz
und an der Rueckwaertsgewandtheit einer vermeintlichen
palaestinensischen Selbstbehauptung ein. Juliano war schonungslos mit
sich und mit den politischen Kraeften, die die strikte Trennung und
die Unversoehnlichkeit zwischen beiden Lagern auf ewig zu zementieren
suchen. Sohn zweier israelischer Kommunisten - einer juedischen Mutter
und einem palaestinensischen Vater - verweigerte er sich mit all
seiner Kraft und persoenlichen Praesenz ethnischen, politischen,
religioesen Zuschreibungen, die den Einzelnen nicht mehr die Wahl
einer freien Entscheidung und einer eigenen politischen Haltung
lassen, die Unrecht als Unrecht erkennt.

In diesem Sinne hat er die Schauspielschule und das Theater in Jenin
betrieben. Und er hat dabei mit grosser Vehemenz die kuenstlerische
Freiheit verteidigt und dies nicht als eine kuenstlerische sondern als
eine politische Herausforderung verstanden. Immer wieder erhielt er
Morddrohungen. Gegen das Theater wurden mehrere Anschlaege veruebt. In
einem Interview 2009 in der taz sagte er auf die Frage, ob er sich in
Jenin bedroht fuehle: "Manchmal mehr, manchmal weniger. Aber das ist
immer noch besser als in Tel Aviv den Entertainer zu spielen." Er war
kein Hasardeur, sondern ein Kuenstler und ein politisch denkender und
handelnder Mensch, der sich widersetzte. Keiner verkoerperte wie er
den Brueckenschlag zwischen Juden und Palaestinensern. Er gehoerte zu
denen auf beiden Seiten, die die Universalitaet der Menschenrechte und
das kritische Denken gegen die Mehrheitsmeinungen in ihren
Gesellschaften verteidigen.

Bei der Tournee des Freedom Theatres in Deutschland 2009 sagte er von
sich: "Ich sitze auf der Mauer." Ein Bild der Freiheit und des
Selbstbewusstseins. Aber in Zeiten wie diesen ein todgefaehrlicher
Ort. Juliano Mer Khamis wurde 53 Jahre alt. Zu seiner Haltung und
seiner Handlung gibt es keine Alternative. Wir werden, so gut es geht,
in seinem Sinne die Arbeit fortsetzen.
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