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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Maerz 2011; 02:17
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Krise/Protest/Steiermark:

> 25 Prozent weggebombt

Im beschaulichen Oesterreich hielten sich die Proteste ja in letzter
Zeit eher in bescheidenen Grenzen. Doch das koennt noch anders werden,
wie das aktuelle Beispiel auf steirischer Landesbene zeigt.
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"Eigentlich war das eine riesige verpasste Chance - eine Grossdemo und
keine Polizei da. Und das Designstadt-Plakat haengt immer noch." Am
25.3. wurde das steirische Budget beschlossen, das 25% der Sozial- und
Kulturausgaben des Landes kuerzt. Die Stimmung war explosiv. Unter
anderem, weil gleichzeitig mit einer der groessten Demonstrationen in
Graz bisher eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg das
Bahnhofsviertel in Atem hielt. 10.000 (laut Polizei 6.500) Menschen
waren auf der Strasse, aber trotzdem kaum Polizisten.

Die Demo vergangen Freitag wurde von etlichen steirischen Sozial- und
Kultureinrichtungen getragen. Diese Plattform 25 mobilisierte
wochenlang um die Kritik am neuen Budget zu buendeln. Neben den
massiven Kuerzungen bei Kultureinrichtungen und der Einfuehrung von
Kindergartengebuehren trifft das Budget vor allem Pflege- und
Behinderteneinrichtungen. Sie werden in Zukunft Personal entlassen
muessen, was in erster Linie die Klienten trifft. Das Eindrucksvollste
waren deshalb bestimmt die vielen Menschen mit Behinderung, die an der
Demo teilnahmen. Sie haben sich den Begriff "Behinderung" durchaus
zurueckerobert, indem sie mit tausenden anderen den gesamten
innerstaedtischen Verkehr lahmlegten.

Bei der Organisation wurden einige Fehler gemacht. Da der
Suedtirolerplatz kein wirklicher Platz ist, war er als Treffpunkt
nicht die beste Entscheidung. Daher ging die tatsaechliche Groesse der
Demo zunaechst unter und viele Beteiligte in den Seitengassen konnten
die Eroeffnungskundgebung nicht mitverfolgen. Andererseits befindet
sich der Platz auf der rechten Murseite, jenem Teil der Stadt, in dem
sich der Grossteil aller Kultur- und Sozialvereine befindet und der
die Stadt am Leben erhaelt. Der Suedtirolerplatz befindet sich
ausserdem in unmittelbarer Naehe eines der ersten konkreten Opfer der
Kuerzungen: das Café Palaver in der Griesgasse, ein wichtiger
Frauen-Freiraum, muss fix zumachen.

Der Demozug selbst zeigte sich allerdings z.Teil unsolidarisch. Der
Demowagen fuhr viel zu schnell fuer alle weniger mobilen Teilnehmer.
Ausserdem gab es keine Zwischenstopps, wie eigentlich ueblich.
Trotzdem versammelten sich schliesslich die tausenden Teilnehmer fuer
die Abschlusskundgebung auf dem Grazer Hauptplatz. Sie fand vor einem
Plakat statt, das die Ernennung zur City of Design genuesslich feiert.

Zwei kreative Fronten

Neben den stark vertretenenen Behindertenorganisationen kamen dort
auch Betroffene der Kulturkuerzungen zu Wort. Die Kulturinitiative ESC
befindet sich uebrigens mitten im ausgerufenen Designzentrum der
Stadt, dem "Jakominiviertel" - und das schon Jahre bevor die Stadt mit
ihrer Aufwertungskampagne begonnen hat. Der experimentelle
Austellungsraum hat vom Jakominiviertel allerdings gar nichts und ist
nun stark von den Kuerzungen getroffen, die dem Bild, das Graz als
Landeshauptstadt von sich zeichnet, diametral entgegenstehen. Nur ein
Beispiel dafuer, wie Stadt und Land sich zwar mit grosszuegigen
Foerderungen um Prestige-Projekte und verwertbare Kreativitaet in Form
von Design kuemmern - gewachsene Strukturen mit den Kuerzungen aber
nun in ihrer Existenz bedrohen.

Die Fronten in Graz sind im Fruehling 2011 also ziemlich klar. Eine
fahrlaessige Kulturpolitik auf der einen Seite, auf der anderen Seite
die aufgeblasenen Creative Industries Styria mit ihrer Label-Politik.
Ein Transparent auf der Demo traf die aktuelle Situation wohl am
besten. Im Schriftzug der nun allgegenwaetigen "City of
Design"-Werbungen klagten sie Graz als "City of Prestige Politics" an.
Zehntausende DemonstrantInnen zeigten also, dass sie damit nicht
einverstanden sind.
(Imre Withalm, The Gap/gek.)


Quelle:
http://www.thegap.at/rubriken/stories/artikel/graz-25-prozent-weggebombt



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