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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. Maerz 2011; 02:15
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Libyen:

> "Man muss die Geschichte kennen"

Jean Ziegler ueber Muammar al-Gaddafi

Das "Deutschlandradio" interviewte am 23.Februar den Schweizer
Soziologen Jean Ziegler zu seiner Einschaetzung Muammar al-Gaddafis.
Ziegler versucht darin das Verhalten des "Revolutionsfuehrers", den er
mehrere Male persoenlich getroffen hat, etwas verstaendlicher zu
machen. Ziegler: "Er war sicher einmal ein Revolutionsfuehrer,
naemlich am 1. September 1969, als er die Freien Offiziere angefuehrt
hat, ... den Koenig Idris gestuerzt hat und dann gleich das Erdoel,
die riesigen Erdoelvorkommen nationalisiert hat. Da war er ein
Revolutionaer und wurde als solcher auch von seinem Volk ... gefeiert.
Gestern habe ich ihn am Fernsehen reden hoeren, gesehen, ich habe ihn
auch verschiedene Male auf dem Gruenen Platz in Tripoli gesehen, ...
er ist ein ganz grosser Redner. Gestern war er pathologisch, gestern
war ein Verrueckter vor dem Mikrofon."

Der Moderator der Sendung bemueht den Vergleich mit Ceausescu, doch
Ziegler widerpricht: "Nein, Ceausescu war sicher ein kommunistischer
Buerokrat, ... und er wurde dann hingerichtet von seinem Volk.
Vergleichen koennte man eigentlich Gaddafi mit Robert Mugabe, der den
Befreiungskampf gegen die weisse Siedlerregierung von Ian Smith in den
70er-Jahren in Simbabwe angefuehrt hat, und wurde dann spaeter, in
einem spaeten Stadium seines Lebens, zum perversen ... korrupten
Diktator."

Ziegler ueber bei Gaddafis im Westen manchmal mit Kopfschuetteln
bedachtes Verhalten: "Man muss aufpassen, wenn es um Beduinen geht,
also so grosse intuitive kluge wie Gaddafi ... Wenn Sie sagen, ein
Clown - das stimmt, fuer Europaeer, wenn er da in Rom auftritt, aber
alles ist genau kalkuliert bei Gaddafi. Ich moechte Ihnen ein Beispiel
sagen: Sie haben den Besuch bei Berlusconi angesprochen, da ist
Gaddafi aus dem Flugzeug gestiegen und hat mitten auf der Brust ein
grosses Foto von Omar Mukhtar gehabt, und Omar Mukhtar, das war der
letzte grosse Rebellenchef in Tripolitanien, der sich gegen die
italienische Besetzung, Kolonialbesetzung aufgebaeumt hat im Jahre
1931, und ist dann nach langem Widerstand gefangen genommen und
gehaengt worden.... diese Geste hat in der ganzen nordafrikanischen
Welt unglaubliche Zustimmung ausgeloest, weil Omar Mukhtar wurde in
Rom gehaengt, und jetzt kommt Gaddafi, der Nachfolger, und
rehabilitiert den im Angesicht des ehemaligen Kolonialherren. Man muss
die Geschichte kennen, um das Betragen von Gaddafi richtig
einzuschaetzen." ###


Das komplette Interview ist nachzulesen und nachzuhoeren unter:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1395861



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