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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Jaenner 2011; 23:06
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Palaestina:

Vorbemerkung

Im Dezember 2010 kamen in Gaza drei Studentinnen und fuenf Studenten
zusammen und verfassten eine offene e-mail an die Welt, in der sie
ihrer tiefen Frustration Luft machten: ueber die Belagerung Gazas, die
zynischen politischen Spiele von Hamas, Fatah, der UN und der
Internationalen Gemeinschaft und ueber die Allgegenwart der Kontrolle
und des Terrors durch religioese Fanatiker in ihrem Leben. Die
Gazauischen Cyber-AktivistInnen, die ihre Namen nicht preisgeben, um
ihre Familien und sich selber nicht zu gefaehrden, sind ueber die
Resonanz ihres Aufschreis ueberrascht: Tausende aus Gaza selber und
aus aller Welt sind ihrer Aufforderung bereits gefolgt und haben ihnen
zurueckgeschrieben, bereit, sie zu unterstuetzen.

Die Schliessung des Jugendzentrums Sharek am 30.11.2010 hatte das Fass
zum Ueberlaufen gebracht. Die Proteste dagegen waren von der Polizei
brutal niedergeschlagen worden. Neben vielen anderen Jugendlichen
waren auch zwei der VerfasserInnen des Manifests verhaftet und
misshandelt worden.

*

> Es muss sich was aendern!

Manifest der "Jugend von Gaza"

Fuck Hamas. Fuck Israel. Fuck Fatah. Fuck UN. Fuck UNWRA. Fuck USA!
Wir, die Jugend von Gaza haben die Schnauze voll von Israel, der
Hamas, der Besatzung, den Menschenrechtsverletzungen und der
Gleichgueltigkeit der Internationalen Gemeinschaft! Wir wuerden am
liebsten schreien und diese Mauer des Schweigens, der Ungerechtigkeit
und der Gleichgueltigkeit durchbrechen, wie die israelischen F16 die
Schallmauer; schreien mit der ganzen Kraft unserer Seele, um die
gigantische Frustration rauszulassen, die uns in der geschissenen
Situation, in der wir leben, innerlich verzehrt; wir sind wie Laeuse
zwischen zwei Fingernaegeln, leben in einem Albtraum innerhalb eines
Albtraums, da ist kein Raum fuer Hoffnung, kein Raum fuer Freiheit.
Wir haben es satt, in diesen politischen Auseinandersetzungen
festzustecken; haben die pechschwarzen Naechte satt, in denen
Flugzeuge ueber unseren Haeusern kreisen; haben es satt, dass
unschuldige Bauern in der Pufferzone abgeknallt werden, weil sie ihr
Land bestellen; haben die baertigen Typen satt, die ueberall rumrennen
und ihre Macht missbrauchen und junge Leute verpruegeln oder
einsperren, die fuer das auf die Strasse gehen, woran sie glauben; wir
haben die Mauer der Schande satt, die uns vom Rest des Landes
abschottet und uns in einem winzigen Fleckchen Land einsperrt; wir
haben es satt, als Terroristen dargestellt zu werden, als hausgemachte
Fanatiker, die Taschen gefuellt mit Sprengstoff und die Augen voller
Hass; wir haben die Gleichgueltigkeit satt, mit der die Internationale
Gemeinschaft uns begegnet, die sogenannten Experten in der
Formulierung von Betroffenheit und in der Verabschiedung von
Resolutionen, aber Feiglinge, wenn es darum geht, irgendwas von dem,
was sie beschliessen, auch umzusetzen; wir haben die Schnauze
gestrichen voll davon, ein beschissenes Leben zu fuehren, von Israel
gefangen gehalten, von der Hamas verpruegelt und vom Rest der Welt
total ignoriert zu werden.

In uns waechst eine Revolution heran, eine riesige Unzufriedenheit und
Frustration, die uns zerstoeren wird, wenn wir keinen Weg finden,
diese Energie in etwas umzusetzen, was den Status Quo in Frage stellt
und uns irgendeine Art Hoffnung gibt. Der letzteTropfen, der unser
Herz vor Frustration und Hoffnungslosigkeit ueberlaufen liess, war
das, was am 30. November geschah, als Sicherheitsleute von der Hamas
mit ihren Knarren, ihren Luegen und ihrer Aggressivitaet zum Sharek
Youth Forum (http://www.sharek.ps), eine der fuehrenden
Jugendorganisationen, kamen, alle rauswarfen, manche ins Gefaengnis
brachten und Sharek verboten weiter zu machen. Ein paar Tage spaeter
wurden Demonstranten vor Sharek geschlagen und manche eingelocht. Wir
erleben wirklich einen Albtraum in einem Albtraum. Es ist schwer, in
Worten zu beschreiben, unter was fuer einem Druck wir leben. Mit Mueh
und Not haben wir die Operation Gegossenes Blei ueberstanden, als uns
Israel in Grund und Boden gebombt, Tausende Wohnungen und noch viel
mehr Leben und Traeume zerstoert und ausgeloescht hat. Die Hamas sind
sie nicht losgeworden, wie sie eigentlich vorhatten, aber eins haben
sie geschafft: uns Angst einzujagen, die wir nicht mehr loswerden, und
uns alle mit posttraumatischem Stress-Syndrom zu infizieren, weil es
kein Entkommen gab.

Wir sind Jugendliche, auf deren Herzen eine grosse Last liegt. Wir
tragen eine Schwermut in uns, die so drueckend ist, dass wir es kaum
schaffen, den Sonnenuntergang zu geniessen. Wie sollten wir auch, da
duestere Wolken am Horizont aufziehen und sich Bilder elender
Erinnerungen einstellen, sobald wir nur die Augen schliessen. Wir
laecheln, um den Schmerz zu verbergen. Wir lachen, um den Krieg zu
vergessen. Wir hoffen, um nicht gleich und auf der Stelle Selbstmord
zu begehen. Waehrend des Angriffs beschlich uns die Gewissheit, dass
Israel uns ausloeschen und von der Erde verschwinden lassen wollte. In
den letzten Jahren hat die Hamas alles daran gesetzt, unsere Gedanken,
unser Verhalten und unsere Bestrebungen zu beherrschen. Wir sind eine
Generation junger Leute, die daran gewoehnt sind, durch
Raketenbeschuss bedroht zu sein, eine Generation mit der scheinbar
nicht erfuellbaren Mission, unter diesen Umstaenden ein normales,
gesundes Leben zu fuehren, und werden dabei nur zaehneknirschend von
einer maechtigen Organisation geduldet, die sich in unserer
Gesellschaft wie ein Kebsgeschwuer ausgebreitet hat, Chaos und
Verwuestung produziert und dabei in alle lebendigen Zellen, Gedanken
und Traeume dringt und sie zerstoert, waehrend sie die Menschen unter
ihrem Terrorregime laehmt - ganz abgesehen davon, dass wir in einem
Gefaengnis leben, einem Gefaengnis, das von einem sich als
"demokratisch" bezeichnenden Land betrieben wird.

Die Geschichte wiederholt sich auf das Grausamste, und es scheint
niemanden zu kuemmern. Wir haben Angst. Hier in Gaza haben wir Angst
davor, in den Knast zu kommen, verhoert, geschlagen, gefoltert,
bombardiert, getoetet zu werden. Wir haben Angst vor dem Leben, denn
jeder einzelne Schritt, den wir tun, will genau kalkuliert und
ueberlegt sein, allenthalben gibt es Einschraenkungen, wir koennen uns
nicht bewegen, wie wir wollen, sagen, was wir wollen, tun, was wir
wollen, manchmal koennen wir nicht mal denken, was wir wollen, weil
die Besatzung unsere Herzen und Hirne auf eine so graessliche Weise
besetzt hat, dass es wehtut und uns danach ist, vor Frust und Wut
endlos Traenen zu vergiessen!

Wir wollen nicht hassen, wir wollen all das nicht empfinden, wir haben
keine Lust mehr, Opfer zu sein. ES REICHT! Schmerz, Leiden, Kontrolle,
Einschraenkungen, unlautere Rechtfertigungen, Terror, Folter,
Ausfluechte, Bombardierungen, schlaflose Naechte, getoetete
Zivilisten, schwarze Erinnerungen, elende Zukunft, quaelende
Gegenwart, entgleiste Politik, fanatische Politiker, religioeser
Scheissdreck, Einkerkerung - es reicht! WIR SAGEN SCHLUSS DAMIT! Das
ist nicht die Zukunft, die wir wollen!

Drei Dinge wollen wir: Wir wollen frei sein. Wir wollen ein normales
Leben fuehren koennen. Wir wollen Frieden. Ist das zu viel verlangt?
Wir sind eine Friedensbewegung aus jungen Leuten in Gaza und mit
Unterstuetzern anderswo, und wir werden keine Ruhe geben, solange die
Wahrheit ueber Gaza nicht ueberall auf der Welt bekannt ist und zwar
so, dass stille Zustimmung oder droehnende Gleichgueltigkeit nicht
mehr moeglich sind.

Das ist das Manifest der Jugend von Gaza fuer Veraenderung!

Wir werden damit beginnen, die Besatzung, die uns umgibt zu
zerschlagen, wir werden uns aus diesem mentalen Kerker befreien und
unsere Wuerde und unsere Selbstachtung zurueckgewinnen. Wir werden
aufrecht gehen, auch wenn man uns angreift. Wir werden Tag und Nacht
daran arbeiten, diese miesen Bedingungen, unter denen wir leben, zu
aendern. Wo wir auf Mauern treffen, werden wir Traeume errichten.

Wir hoffen nur, dass du, ja du, der du dies gerade liest, uns dabei
unterstuetzen kannst. Um rauszukriegen, wie, schreib an unsere Wand
oder kontaktiere uns direkt: freegazayouth{AT}hotmail.com

Wir wollen frei sein, wir wollen leben, wir wollen Frieden.
FREE GAZA YOUTH!
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