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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 12. Jaenner 2011; 01:08
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Glosse:

> Rechts nur Gegner, links nur Verbuendete!

Fuer eine linke Wahlplattform 2013

Bei der Abschlussdiskussion der 8. Armutskonferenz im Februar 2010
praegte sich bei mir eine kurze, aber vehemente Wortmeldung besonders
ein. Es war die Frage eines katholischen Telefonseelsorgers aus
Salzburg "Wo bleibt angesichts der grossen
Verteilungsungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft die Wut der von
Armut Betroffenen? Wo bleibt die Wut der Menschen anbetracht der
Tatsache, dass ein Prozent der Superreichen in Oesterreich genau so
viel an Vermoegen besitzen wie die neunzig Porzent der sogenannten
"kleinen Leute". Und dass in einem der acht reichsten Laender der Erde
ueber eine Million OesterreicherInnen armutsgefaehrdet sind?, wo
bleibt da die Wut??

Und diese Wut aeussert sich ja auch immer wieder. Zum Beispiel bei
Wahlen. Einerseits dadurch, dass immer mehr Menschen nicht mehr zur
Wahl gehen, andererseits dadurch, dass immer mehr die Protestpartei
("soziale Heimatpartei") FPOe waehlen. So z. B. war bei den
Gemeinderatswahlen 2010 in Wien die Zahl der NichtwaehlerInnen mit
370.000 hoeher als die der WaehlerInnen der stimmenstaerksten Partei,
der SPOe mit 334.757 Stimmen. Und die rechtspopulistische FPOe erhielt
bedenkliche 25,77%, das heisst jede 4. Stimme (194.500 insgesamt) ging
an die FPOe. Die KPOe erhielt dagegen nur 1,12 %, d. h. sogar noch ein
Minus von 0,35% gegenueber 2005. Und tatsaechlich wurde 2010 die KPOe
nur von 8.425 WienerInnen gewaehl. Dabei koennte die KPOe, waere sie
quantitativ eine nennenswerte politische Kraft, politisch-inhaltlich
die einzige Systemalternative darstellen und die zumindest latent in
der Bevoelkerung vorhandene Wut punktuell, das heisst u. a. bei Wahlen
konstruktiv in eine Systemkorrektur umsetzen. Selbstverstaendlich
sollten diese "Wuetenden" sich - soweit sie doch vorhanden sind - auch
in einen Protest der Strasse einbringen.

Die Gunst der schlechten Stunde ist zu nutzen!

Ein wichtiger Ereignis in einer laenger- bis mittelfristigen
systemveraendernden Strategie sollten aus meiner Sicht auch die
Nationalratswahlen im Herbst 2013 sein. Mir erscheint es sinnvoll -
und manche Ansaetze gibt es ja auch schon - eine moeglichst breite,
nicht primaer von aengstlichen Abgrenzungsbemuehungen gepraegte linke
Wahlplattform 2013 zu schaffen. Meine Offenheit in dieser Sache wird
gepraegt von meiner zweckoptimistischen Einstellung "Rechts habe ich
nur Gegner und Feinde, links von mir nur Verbuendete!". Und so ist es
fuer mich wichtig, dass sich die KPOe mit ihrer unbestrittenen
Organisationsqualitaet, aber bitte ohne Hegemonieansprueche (!!),
ebenso in solch eine Wahlplattform einbringt wie versprengte
Trotzkisten ā la Hermann Dworczak oder die 0,01% SLP. Und diese
Erwartung habe ich auch an endgueltig enttaeuschte und zu einem
zumindest in seinem Ansatz Hoffnung gebenden linken Wahlprojekt
bereite SPOe- und Gruen-Linke wie Alfred Kohlbacher oder Freda
Meissner-Blau.

In die derzeitige rot-schwarze Koalitionsregierung, die ja nie dafuer
angetreten war, die bestehenden und das kapitalistische System
praegenden Verteilungsungleichhditen in irgendeiner nennenswerten
Weise abzubauen, ist im Hinblick auf Systemveraenderung keinerlei
Hoffnung zu setzen. Die Schere zwischen Reich und Arm geht nach wie
vor immer mehr auseinander und zu Beginn des Jahres 2011
veroeffentlichte die Caritas, dass es in so einer an sich reichen
Stadt wie Wien immer mehr Obdachlose gibt und dass sich immer mehr
kaum noch eine warme Mahlzeit am Tag leisten koennen. Diese
rot-schwarze Koalition blockiert sich gegenseitig und bringt noch
nicht einmal kleine Systemkorrekturen wie eine angemessene
Grundsicherung zustande. Zu erwarten von dieser rot-schwarzen
Koalition sind maximal 2013 einige Wahlgeschenke an ihre Klientel, das
heisst von der SPOe einige Wahlzuckerl an die Pensionisten und von der
OeVP an die Bauern und an die Beamten. Das heisst fuer mich, bei den
kommenden Nationalratswahlen 2013 ist den Koalitionsparteien eine
klare linke Alternative entgegenzustellen. Und solch eine Alternative
wird als Linke bei diesen Wahlen nicht so chancenlos sein wie eine
Linke (die KPOe?) bisher. Die Gunst der schlechten Stunde ist zu
nutzen!

Fast ein Lob der Gruenen. Aber...

Und wie schaut es in dieser Situation mit den Gruenen aus? Sind sie
eine ernst zu nehmende systemkritische Kraft?? Fast muesste ich ja,
nachdem sie, wie sich bei der Budgetdebatte im Nationalrat mit Werner
Koglers 13-Stundenrede gezeigt hat, zu ihren aktionistischdn
Ursprungsformen zurueckgekehrt sind, ein Loblied auf die Gruenen
singen. Auch haben Glawischnig, Kogler & Co immerhin Widerstand gegen
das sozial ungerechte Sparpaket der Regierung gezeigt und sind fuer
neue, auch die Reichen in diesem Land treffende Formen der Besteuerung
eingetreten. Auch in Eva Glawischnigs Engagement fuer einen Ausstieg
aus den fossilen Energien und fuer eine regionale Energieautonomie
sehe ich ein Abwenden von den internationalen Superkonzernen und
insgesamt eine antikapitalistische Haltung. Fast tatsaechlich ein
Loblied? Wenn die Gruenn sich dann nicht immer wieder nur in der
Systemkorrektur erschoepfen wuerden. Da gab es z. B. bei dem letzten
Bundeskongress der Gruenen im September 2010 in Graz neben dem
anerkennenswerten Beschluss von "Raus aus dem Oel" auch die "Gruenen
Wege aus der Wirtschaftskrise". Mit diesen "Gruenen Wegen" wollen die
Gruenen "das Problem an den Wurzeln packen" (!). Daher fordern sie
"eine grundlegende Reform der Finanzarchitektur Oesterreichs und
Europas, die das Problem an den Wurzeln packt." Sie fordern "eine
wirkliche Regulierung der Finanzmaerkte, eine europaeische
Aufsichtsbehoerde mit Biss" und sie fordern eine
"Finanztransaktionssteuer auf europaeischer Ebene". Alles durchaus
richtig, nur eine das Problem an den Wurzeln packende, radikale
Loesung sieht anders aus. Sie muss auf eine schrittweise Ueberwindung
des kapitalistischen Produktions- und Verwertungssystems (z. B. durch
einen Rueckbau der Privatisierung, durch "mehr Gesellschaft, weniger
Privat" oder eine Demokratisierung der Arbeitswelt u. v. a.) abzielen.

Versuch einer Vermessung der linken Szene

Inhaltlich wichtig fuer mich bei solch einer linke Wahlplattform 2013
ist auch einerseits ein lockeres Sich-Einbringen von Traudl
Brandstaller, Eva Brenner oder Leo Gabriel und einige anderen, die
schon langfristig manche Vorarbeit fuer solch ein Prokekt geleistet
haben, andererseits hoffe ich aber auch, dass sich aus dem Lager der
Autonomen, der juengeren Anarcho-Linken -- soweit sie ueberhaupt einen
Sinn in einer (punktuellen) parlamentarischen Orientierung sehen --
sich in das Wahlprojekt 2013 einbringen. Hier hoffe ich auf einige
Leute aus der Wiener Hausbesetzerszene, aus der IG Kultur Wien und aus
dem "Platz da"-Projekt.

Getragen wird fuer mich solch ein punktuelles, aber in dieser Form
wichtiges Wahlprojekt 2013 von einer Neuformulierung der
Spielbein-/Standbeintheorie. Das Klugheit, Engagement und Kreativitaet
fordernde Spielbein fuer 2013 ist die linke Wahlplattform, das
Standbein bleibt aber das Eingebundensein in die NGOs, Gewerkschaften
(!), Initiativen und verschiedenen linken Gruppierungen.

In diesem Sinne koennen sich auch Teile der "Superlinken", die sich ja
in ihrer Gesamtheit - und das koennte ihre Qualitaet sein - als ein
emanzipatorisches gesellschaftliches und nicht parlamentarisch
orientiertes Projekt sieht, in eine linke Wahlplattform 2013
einbringen und darin ein sinnvolles Spielbein sehen, waehrend sie ihre
Hauptverankerung, ihr Standbein, gesamtgesellschaftlich sucht.

Nachbemerkungen

Meine Ausfuehrungen sind viel zu Wien-lastig. Kontakte zu den
Bundeslaendern (hier ist z. B. die KPOe am Zuge) sind wichtig. Auch
gibt es sicher Teile einer linke Szene, die mir nicht praesent sind.

In diesem Beitrag geht es mir vor allem um den moeglichst breit
angelegten Aufruf und um eine Vermessung der linken Szene aus meiner
Sicht. In einem der naechsten Hefte folgt, von welchen politischen
Inhalten eine linke Wahlplattform getragen werden soll.
*Dieter Schrage*



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