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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 24. November 2010; 03:45
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Glosse:

> Wehrpflicht fuer alle?

Es gibt niemanden, der nicht fuer irgendwas taugt -- und sei es fuer
den Sozialdienst

Die Debatte um die Umstrukturierung des oesterreichischen Bundesheers
geht in eine skurrile Phase. Wir schreiben das Jahr 2010 und
schliesslich sollte die Umgestaltung des Heeres in ein Berufsheer mit
diesem Jahr abgeschlossen werden. So sieht es zumindest ein
Reformpapier vor, welches vor 10 Jahren ausverhandelt wurde. Es mehren
sich die Gegenstimmen, jene, die an der allgemeinen Wehrpflicht
festhalten wollen, obwohl Militaristen hohen Ranges eingestehen
muessen, dass es weit und breit kein Bedrohungsszenarium gibt, die
diese rechtfertigen koennte. Es gibt die Berufsheerbefuerworter im
Heer, die ein schlagkraeftiges, kleines, aus Elitetruppen bestehendes
Heer fordern, fuer das sich die Armee im Rahmen der EU-weiten
Schlachtgruppen nicht zu schaemen braucht, schliesslich beteiligen
sich ab 2011 oesterreichische Soldaten an den battle groups der EU, um
fuer internationale Kampfeinsaetze bereit zu stehen. Das gefaellt dem
Milizverband gar nicht, das gefaellt all jenen nicht, die an der
Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht interessiert sind. Ob
Bedrohung oder nicht, alle sollen ihren Dienst am "Vaterland" leisten.
In der "Kleinen Zeitung" wurde von Bundesheerbefuerwortern wieder
einmal implizit geaeussert, dass ein Berufsheer zu einer Entfremdung
zwischen Armee und Bevoelkerung fuehren koennte.(1)

Die Fronten schienen klar, jetzt wurden sie von zwei Seiten um neue
Dimension bereichert -- von Innenministerin und vom OOe.
Kameradschaftsbund.

Bislang gilt: All jene oesterreichischen maennlichen Staatsbuerger,
die vom Heer als untauglich zur Ableistung des Grundwehrdienstes
befunden werden, sind damit auch untauglich fuer den Zivildienst. Es
muss ein oesterreichischer Staatsbuerger schon gewichtige
gesundheitliche Probleme haben, damit ihn die Stellungskommission als
untauglich befindet, es werden reihenweise junge Leute einberufen, die
beim besten Willen aus gesundheitlichen Gruenden nicht in der Lage
sind, die Ansprueche zu erfuellen, die eine Armee ihnen aufbuerdet.

Frau Fekter sieht das anders. Ihrer Meinung nach gibt es zu viele
Maenner in diesem Land, die keinen Frondienst am Staat leisten, sie
sollten, wenn sie nicht geeignet sind, dem Heer zu dienen, zumindest
einen Sozialdienst leisten. Allein auf die Idee zu kommen, dass
Menschen, die aus gesundheitlichen Gruenden nicht in der Lage sind
einen Wehrdienst zu absolvieren zu einem Sozialdienst zu verpflichten,
stellt nicht nur einen Schlag ins Gesicht der betroffenen Menschen
dar, es stellt auch einen Schlag ins Gesicht der sozialen Dienste, der
der Pflege beduerftigen Menschen und ihrer MitarbeiterInnen dar. So
quasi: Zum Schiessen ist er nicht zu gebrauchen, soll er doch
stattdessen Pflegeleistungen an Menschen erbringen, das ist sicher
nicht so anspruchsvoll, was ist denn schon dabei, einem Menschen Essen
zu geben oder die Kleidung zu wechseln.

Doch Arbeit ist im Bereich der sozialen Dienste eine physische wie
psychische Herausforderung fuer alle in diesem Bereich taetigen. Jene
Menschen, die auf Unterstuetzung angewiesen sind, haben ein Recht auf
professionelle und qualitativ hochwertige Hilfe. Werden sie von
Zivildienern unterstuetzt, benoetigen diese ein hoeheres
Anforderungspotential als jenes, welches einem Dienst im Bundesheer
genuegt.

Volksbegehren des Kameradschaftsbunds

Der oberoesterreichische Kameradschaftsbund (2) uebt sich ebenfalls in
der Kategorie kreativen Denkens und initiierte nun ein Volksbegehren
zur Einfuehrung einer allgemeinen Wehrpflicht fuer Staatsbuergerinnen
und Staatsbuerger. Dieser Traditionsverband sieht es nicht ein, warum
nicht auch Frauen zum Dienst an der Waffe fuer das oesterreichische
Vaterland verpflichtet werden sollen. Die drei K's: Kinder, Kirche,
Kueche haben ausgedient, es kommt ein A zuerst, die Armee, wir leben
in Zeiten der Mehrfachbelastung. Der Kameradschaftsbund gibt sich
grosszuegig und denkt drei Ersatzdienste fuer Frauen mit: Im
Sozialbereich, im Katastrophenschutz und dem Terrorschutz waeren
Frauen auch brauchbar. Ganz lieb. Schwangere und Muetter mit kleinen
Kindern sollen nicht einberufen werden, mann wolle ja Frauen nicht
veraergern. Es sieht so aus, als waeren die Einsatzgebiete
Katastrophendienst, aber insbesondere Terrorschutz nachgeschoben. (Was
bitte soll im Terrorschutz geschehen? Ausser dass dieses Land harmlose
TierschuetzerInnen ueber 100 Tage lang in U-Haft gesperrt hat und nach
einem laecherlichen Paragraphen bemueht ist, Straftaten nachzuweisen,
die nicht nachzuweisen sind?) Es geht also wieder einmal um die
sozialen Dienste.

Der Kameradschaftsbund leistet nicht nur Wehrpflichtbefuerwortern
Schuetzenhilfe, die Innenministerin giesst nicht nur Oel ins Feuer
jener, die sich denken, Menschen, die untauglich fuer das Heer werden,
seien Drueckeberger. (Da hat sie nicht unrecht: viele, viele
Leistungssportler oder Minister der OeVP waren untauglich, K.H.Grasser
musste wegen Gastritis untauglich geschrieben werden, Niki Lauda war
untauglich ...)

Worueber nicht laut geredet wird

Die Frage, die nicht offen gestellt wird, ist eine Frage, die das
Bundesheer als solches gar nicht betreffen sollte. Es ist die soziale
Frage, die Frage der Absicherung der sozialen Dienstleistungen. Dass
diese im Kontext des Bundesheeres von BundesheerbefuerworterInnen
gestellt wird, legt eines offen: Dass das Zivildienstgesetz bislang
von Militaerbefuerwortern definiert worden ist, insbesondere in den
strengen disziplinaeren Vorgaben. Die sozialen Dienste koennen mit den
engen Vorgaben dieses Gesetzes ohnehin nicht arbeiten.

MilizbefuerworterInnen betonen die Wichtigkeit der sozialen
Dienstleistungen, obwohl ihnen der Zivildienst als Ersatzdienst zum
Heer aus Gewissensgruenden abgerungen werden musste, viele Menschen
hatten aus Gewissensgruenden Haftstrafen zu verbuessen, bis es endlich
gelungen ist, sich diese Moeglichkeit zu erkaempfen, jetzt wird
versucht, die Frauen zu verpflichten, soziale Dienste zu leisten.

Innenministerin und Kameradschaftsbund machen sich nicht primaer
Sorgen um ein marodes Bundesheer, welches dank des
Verteidigungsministers viel viel Geld in den Sand gesetzt hat, damit
die Eurofighter zumindest tagsueber, bei Schoenwetter, ohne Regen,
Nebel und Schneetreiben fliegen koennen, sie machen sich Sorgen um die
Finanzierbarkeit des Sozialsystems und denken darueber nach, welche
Moeglichkeiten es geben koennte, Menschen in den Zwangsarbeitsdienst
zu schicken, die bislang davon verschont geblieben sind: Frauen und
Untaugliche.
*Rosalia Krenn, Arge Wehrdienstverweigerung*

Quellen. (1) Kleine Zeitung, 21.11.2010; (2) Neues Volksblatt, 30.10.
2010, S.2; http://www.ooekb.at u.a.



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