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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. November 2010; 22:39
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Buecher:

> Ohne Rauch gehts nicht

Eindruecke von einer Buchpraesentation

Wippersberg, Walter
Der Krieg gegen die Raucher
Zur Kulturgeschichte der Rauchverbote
Promedia, ISBN 978-3-85371-317-4
176 Seiten; 13,90 Euro

Es war eine eingeschworene Gesellschaft, die sich da im Cafe Hegelhof
traf. Das Hegelhof ist eines jener Cafes, die gerade mal klein genug
sind, dass nicht in zwei Gastraeume getrennt werden musste. Es hat
eine gute Lueftung, die Luft ist nicht sonderlich dick -- und das
obwohl es an diesem Abend eine eindeutige Raucherveranstaltung war.

Walter Wippersberg -- dem akin-publikum wohl am ehesten auch bekannt
als Regisseur der Fake-Doku "Das Fest des Huhnes" -- praesentierte
sein Buch "Krieg gegen die Raucher". Er beginnt die Praesentation mit
einem Auszug aus seinem Buch, einem Ueberblick ueber die Rauchverbote
in der Geschichte. Denn diese Geschichte ist lang. Als der Tabak aus
der Neuen Welt nach Europa kam, wurde er bereits von Anfang an von der
Hl. Inquisition verfolgt. Diese sah im ausgeatmeten Rauch ein Indiz
fuer das Hoellenfeuer, das im Raucher wohl lodern muesse. Jakob I.,
Koenig von England war da aber nicht besser. Er meinte, mit dem
Tabakkonsum wuerde "der Zorn Gottes gereizt" und ausserdem die
"Erbgesundheit geschaedigt". Der Koenig war aber genauso pragmatisch
wie es der Staat heute ist -- er erhoehte die Einfuhrzoelle, um an
diesem liederlichen Verhalten etwas verdienen zu koennen.

Auch die Kirche wurde irgendwann pragmatischer: Sie empfahl den
Pfarrern zeitweilg sogar zu rauchen, weil dies die Fleischeslust
daempfen wuerde. Umgekehrt wurde anderswo das Rauchen mit dem Hinweis
auf die 10 Gebote verboten. Nach langem hin und her, was denn dafuer
geeignet waere, entschied man sich fuer das Verbot des Ehebruchs --
denn rauchen wuerde die Zeugungsfaehigkeit beeintraechtigen. Als
Strafe wurden auch gerne Verstuemmelungen durchgefuehrt: In Russland
war das Abhacken der Lippen oder Nasen, am persischen Hof gar der
Geschlechtsteile oder im Osmanischen Reich gleich des Kopfes sehr
beliebt.

In Mitteleuropa kam es dann doch zu einer Liberalisierung -- und zwar
mit der Revolution von 1848. Eine der Forderung der preussischen
Revolutionaere war es naemlich gewesen, dass das Rauchen in der
Oeffentlichkeit erlaubt werde. Von da an war das in Preussen kein
Problem mehr.

Was in der geschichtlichen Abhandlungen kommen musste, kam auch:
Wippersberg weiss natuerlich, dass dies sehr plakativ ist, aber der
Hinweis auf den Kampf gegen das Rauchen in der Nazizeit konnte einfach
nicht unterbleiben. Wobei Wippersberg auch meinte, dass es schon
beachtenswert waere, dass ein Terrorstaat wie der Hitlers es auch
nicht geschafft hatte, den Tabak ganz zu verbieten. Nicht nur, dass
seine Soldaten sich das nicht auch noch nehmen lassen wollten, ja,
Hitler habe es nicht einmal geschafft, Eva Braun das Rauchen voellig
auszureden. Ein Erfolg blieb Hitler allerdings bis heute, denn aus
dieser Zeit stammt die Verbreitung des Begriffs des "Passivrauchens".
Wobei Wippersberg betonte, dass damals auch schon innerhalb der
Sozialdemokratie sehr vehemente Tabakgegner praesent waren.

Soweit zum Buch. Das Wort bekommt der als Promi-Anwalt bekannte
Manfred Ainedter, der eine Initiative gegruendet hat mit dem Namen:
"Rauchfrei(heit)! - Dialog statt Verbot". Er meint, seine Gruppe
waeren "keine militanten Raucher". Ihm sei Ruecksichtnahme wichtig --
nicht nur aus Sorge um die Gesundheit sondern auch, wenn sich
Nichtraucher belaestigt fuehlten. Er haelt die jetzige Regelung in den
Lokalen fuer vernuenftig und glaubt nicht, dass die EU den
Mitgliedsstaaten ein generelles Rauchverbot in Beiseln vorschreiben
werde koennen.

Der Philosoph Peter Kampits ist da weniger konziliant im Ton: "Wir
lassen uns einfach zuviel von den Obrigkeiten gefallen" protestiert er
und attestiert einen generellen "Verlust von Toleranz in der
Gesellschaft". Und er sehe auch nicht ein, warum "vieles von den USA
unhinterfragt uebernommen werde".

Ja, das verstehe er auch nicht, meint Peter Huemer, der an diesem
Abend die Moderation uebernommen hatte. Vor allem wenn man sich
anschaue, wer das durchgesetzt habe. George W. Bush wurde doch "in
Europa einfach als Depp angesehen", doch in zukuenftigen
Geschichtsbuechern wird er als derjenige stehen, der mit seinen
Rauchverboten auch hier Erfolg gehabt habe.

Rudolf Burger, der zweite Phiosophieprofessor am Podium -- zuendet
sich zuerst einmal eine an. Nach dieser kleinen Unterbrechung beginnt
er mit dem Gedanken, dass wir eine "Mikronormierung des Alltags" zu
gewaertigen haetten; ueberall "Rauchverbote, Ernaehrungsgebote,
Gesundheitswahn". Fuer ihn war die Forderung der Freiheit des Rauchens
der 1848er signifikant: "Ein Merkmal buergerlicher Freiheit"! Er
stellt die Frage in die Runde, wem ein bedeutender nichtrauchender
Kuenstler oder Philosoph einfiele. Nach einigem Zoegern kommt von
irgendwo "Hemmingway". Ja, schon, praezissiert Wippersberg, aber
Hemmingway habe sich das Rauchen abgewoehnt, weil es ihm den Geschmack
edler Weine zu sehr beeintraechtigt haette. Ein Vorschlag war dann
noch: Goethe. Aber der kommt als Gesundheitsfanatiker ebenfalls nicht
so gut rueber -- Wippersberg: "Der hat ja auch gesoffen wie ein Loch."
Mehr Vorschlaege kamen dann nicht mehr...

Was Burger noch vermutet, ist: "Rauchen hat etwas mit Erwachsenwerden
zu tun" Erwachsen wolle im Zeitalter der Juvenilisierung aber niemand
mehr werden. Burger verortet einen "asketischen Hedonismus". Besonders
auffaellig sei das am ueberhand nehmen von Kochsendungen im Fernsehen,
wo es nicht mehr ums Schlemmen ginge, sondern "wo alles gesund sein
muss". Aber ganz arg findet Burger die Tatsache, dass heutzutage nicht
mehr die Polizei das wichtigste Instrument zur Raucherverfolgung sei,
sondern jene "Sykophanten" (Denunzianten), die mittels sozialer
Kontrolle ihre Macht ausuebten. Das Wort "Sykophant" ist Kampits aber
dann doch wohl zu etwas abgehoben und er uebersetzt es volkstuemlich
mit "Blockwart" -- und Burger kann auch diesem Vergleich etwas
abgewinnen.

Peter Huemer wirft schliesslich ins Publikum: "Sind wir hier eine
Sekte? Warum widerspricht niemand?" Nunja, in diesem Raucherlokal und
bei einer Veranstaltung mit diesem Thema ist der Widerspruch
natuerlich nicht sehr gross. Ein Rauchgegner findet sich doch noch. Er
spricht sehr leise, ein wenig aengstlich, wissend, dass er sich in
dieser Umgebung schwer tut. Ihm geht es vor allem darum, dass er eben
ein Problem hat, wenn er in einem solchen Lokal sitzen muss. Doch
verebbt sein Protest, denn das gesamte Podium hat ja gar nichts gegen
Nichtraucherlokale, ist aber der Meinung muesse eben auch
Raucherlokale geben. Und Peter Huemer nimmt dem ganzen mit einer
persoenlichen Erfahrung die Schneid. Er habe -- zum Erstaunen des
Publikums -- naemlich gerade vor vier Wochen mit dem Rauchen
aufgehoert, weil er meine, es tue seinem Kopf nicht gut. Es waere ihm
schwergefallen, aufzuhoeren, weil das Rauchen eigentlich "so
wunderschoen" gewesen sei. Er habe aber nicht aufgehoert, weil es ihm
ein Arzt geraten habe, sondern aus eigener Erfahrung. Und deswegen sei
ihm die Ruecksichtnahme auf Nichtraucher auch wichtig, egal, ob die
Gesundheitsargumente stichhaltig seien oder nicht: "Die persoenliche
medizinische Erfahrung ist auch zu respektieren!"

Seit zwei Stunden wurde jetzt diskutiert. Die Publikumsdiskussion
hatte noch nicht einmal angefangen. Ich jedoch hatte noch etwas
anderes zu tun an diesem Abend und fuhr nach Hause. Die Veranstaltung
wird aber wohl noch bis zur Sperrstunde gedauert haben. Rauchende
Kaffeehausbesucher sind eben keine hektischen McDonalds-Kunden...
*Bernhard Redl*


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