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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. Oktober 2010; 23:14
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Moderne Zeiten:

> Big Brother Awards vor allem fuer die Justiz

Auch Bandion-Ortner und J.Proell wurden bedacht

Am Montag wurden die Big Brother Awards (BBA) Oesterreich verliehen.
Besonders bedacht wurde diesmal die Justiz. Der "Preis, den keiner
haben will" ging in der Kategorie "Behoerden und Verwaltung" an die
Staatsanwaltschaft Wien. Wie alle Preistraeger hat sich auch diese
nach Ansicht des Preiskomitees "im Feld der Ueberwachung, Kontrolle
und Bevormundung ganz besonders verdient gemacht". Aus der
Begruendung: "Rechtstitel bestand in Oesterreich zwar keiner,
Amtshilfe wurde fuer die Staatsanwaltschaft Muenchen trotzdem
geleistet -- auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien wurden zwei
oesterreichische Journalisten, die fuer ein oesterreichisches Medium
[profil] arbeiten als 'Beschuldigte' zur Einvernahme in das
Landeskriminalamt Wien bestellt. Blosses Zitieren aus den
Gerichtsakten eines laufenden Verfahrens ist in Oesterreich legal und
stellt keinen Straftatbestand wie in Deutschland da. Da Aehnliches aus
gleichem Anlass drei weiteren oesterreichischen Journalisten [News,
Wirtschaftsblatt] widerfuhr, draengt sich schon der Verdacht auf, dass
es sich dabei weniger um juristische Inkompetenz, sondern vielmehr um
Methode handelt. Dieselbe Staatsanwaltschaft Wien ist naemlich
zeitgleich durch einen eigenwilligen Umgang mit dem
Terrorismusparagrafen aufgefallen, wegen zweier Mistkuebelbraende
wurde ueber vier Studierende eine mehrwoechige Untersuchungshaft
verhaengt." Wobei in der Begruendung auch die Staatsanwaltschaft
Wiener Neustadt "lobend" fuer ihre Nutzung dieser
Terrorismusparagraphen zur Aufmischung der Tierrechtsszene erwaehnt
wird.

Ebenso konnte auch deren Vorgesetzte, die Justizministerin einen Preis
einheimsen. Die Wahl des Publikumspreises fiel zu ihren Gunsten aus --
schliesslich ist sie die politisch Verantwortliche fuer die Grosstaten
der Anklagebehoerden in Wien und Wiener Neustadt.

In der Kagegorie Business und Finanzen gewann stellvertretend fuer
viele AMS-Service-Anbieter die Firma "itworks Personalservice
gemeinnuetzige Arbeitskraefteueberlassung GmbH". Die BBA-Jury meint:
"`Handeln wir mitarbeiterInnenorientiert, gender- und
diversitysensibel', heisst es im ,Leitbild´ der Firma, denn ,die
Menschen, ihre Beduerfnisse und persoenlichen Herausforderungen stehen
im Vordergrund´. Danach ist noch von ,respektvollem Umgang,
Wertschaetzung und einem individuellen Betreuungsverhaeltnis´ die
Rede -- man ahnt es schon: Wer mit sovielen hehren Worten
herumschmeisst, hat etwas ganz anderes vor. ... Die ,gemeinnuetzige
Arbeitskraefteueberlassung´ bedeutet naemlich ,Leiharbeiterfirma', die
Arbeitssuchenden werden -- auf freiwilliger Basis -- dazu ,motiviert'
einen umfassenden Fragebogen auszufuellen, zum Zwecke schnellerer
Arbeitsvermittlung. Gender- und diversitysensibel wird da abgefragt,
ob die bisherigen Beschaeftigungen einvernehmlich aufgeloest wurden
oder nicht. Dazu kommt eine ganze Latte von Fragen nach persoenlichen
Problemen, wie es die Arbeitssuchenden mit Drogen, Alkohol,
Spielsucht, oder Medikamentenkonsum halten - und nach schon getilgten
Vorstrafen wird auch gefragt."

Der Preis "Lebenslanges Aergernis" ging an das Kollektiv der
Internetabsperrer: "Die amtlichen Stopptaferlaufsteller, deren
Vorgangsweise -- Manipulation des Domain Name Systems -- jener der
Phishing-Betrueger technisch zum Verwechseln aehnlich ist, sind nicht
die einzigen Internetabsperrer. Massives Interesse daran hat auch die
Medien- und Unterhaltungsindustrie, sowie jene Politiker, die sich von
dieser Lobby Vorteile fuer die Oeffentlichkeitsarbeit versprechen. In
welch engem Verhaeltnis zwei voellig ungleiche Delikte wie Downloads
von urheberrechtsgeschuetztem Material und sexueller Missbrauch von
Kindern stehen, lassen wir am besten einen Vertreter der genannten
Lobby selbst erklaeren. Woertliches Zitat von Johan Schlueter, Anwalt
und Lobbyist der International Federation of Phonographic Industries
in Daenemark auf einer Veranstaltung der amerikanischen Handelskammer
in Stockholm am 27. Mai 2007: 'Kinderpornografie ist grossartig, weil
sie von Politikern verstanden wird. Wenn wir diese Karte spielen,
kriegen wir sie dazu, zu handeln und Websperren einzufuehren. Wenn das
geschafft ist, werden sie auch bereit sein, Filesharing-Sites zu
blockieren.'

Die weiteren Preistraeger waren Josef Proell fuer seine intransparente
Transparenzdatenbank und T-Mobile fuer ihren (hoeflich ausgedrueckt)
mangelnde Bekaempfungswillen gegenueber betruegerischen
Bezahl-SMS-Diensten.

Der Titel "Defensor Libertatis", der einzige Positiv-Preis der BBA,
ging an John Young. Dieser ist der Website Cryptome.org auf der er
56.000 Dokumente angesammelt, deren Verfuegbarkeit Regierungen rund um
die Welt ein permanenter Dorn im Auge ist. Bevor Wikileaks diese Rolle
uebernahm, war, nach Ansicht der BBA-Jury, Cryptome die zentrale
Anlaufstelle fuer jene Informationen, die ansonsten erfolgreich
vertuscht worden waeren. Aus der Begruendung der Jury: "John Young hat
sich im Lauf der Jahre mit praktischem jedem Protagonisten des
militaerisch-elektronischen Ueberwachungskomplexes der Vereinigten
Staaten von Amerika angelegt: Mit vielen davon auch persoenlich, weil
dieser zornige alte Mann den grassierenden Ueberwachungswahn ganz
persoenlich nimmt. Fuer ein Leben im Kampf gegen Ueberwachung und
Zensur und fuer nachgerade beaengstigenden Mut wird deshalb der
"Defensor Libertatis" an den Verteidiger der Freiheit John Young
verliehen."
(akin)

Link: http://bigbrotherawards.at/



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