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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. September 2010; 23:04
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Glosse:

> Istanbul und wie weiter im europaeischen Sozialforumsprozess?

Die Bilanz des ESF in Istanbul vom 1.-4-Juli ist mehr als
widerspruechlich. Letzendlich gelang es doch, wichtige Debatten
durchzufuehren und zentrale Beschluesse zu fassen: Insbesonders den,
am 29. September EUROPAWEIT gegen die kapitalistischen Krisen zu
mobilisieren.

Diese positiven Aspekte koennen jedoch nicht ueber die politischen und
organisatorischen Defizite dieses ESF hinwegtaeuschen.

Es ist keine Uebertreibung zu sagen, dass mit Istanbul der
europaeische Sozialforumsprozess an einem Scheidepunkt angelangt ist.
Entweder gelingt es aus den Maengeln zu lernen oder es droht ein
weiterer Degenerationsprozess.

Trotz aller politischen Defizite und organisatorischer und
finanzieller Huerden gab es ein Sozialforum mit zum Teil sehr hohem
inhaltlichem Niveau: Zumeist wurde von den Krisen des Kapitalismus im
Plural geredet, also nicht nur die oekonomische und soziale, sondern
ebenso die oekologische Dimension behandelt; mit der international
ansteigenden Flut des Rechtsextremismus setzte man sich fundiert
auseinander - wobei die grosse Zahl junger TeilnehmerInnen ins Auge
fiel; bereits am Donnerstag den 1.Juli gab es eine sehr gut besuchte
Veranstaltung zu der Frage, ob nicht eine "neue Internationale"
notwendig waere.

Insgesamt waren wir jedoch herzlich wenig: Rund 3 000, und nur 5000
auf der Demo. Natuerlich gilt es die spezifische Situation der Tuerkei
zu beruecksichtigen. Aber das darf keine Ausrede sein, UNSERE EIGENEN
SCHWAeCHEN beim Namen zu nennen.

Um nur die wichtigsten anzufuehren: :

- obwohl bereits vor einem Jahr vom Tuerkischen Organisationskomitee
(TOC) der politische Rahmen abgesteckt wurde, verblieb vieles auf dem
Papier. Der Vorschlag auf der Wiener European Assembly (EPA) im
Vorjahr ein gesamteuropaeisches Mobilisierungs-Komitee einzurichten
wurde erst heuer nach der EPA in Berlin realisiert.

- es gab keine aktive Informationspolitik (auf der website des ESF
stand nahezu nichts). Fuer viele war so in keiner Hinsicht klar, warum
sie nach Istanbul kommen sollten, weder die west- und osteuropaeischen
Bewegungen, noch die Bewegungen in der Tuerkei oder die tuerkischen
oder kurdischen ImmigrantInnen in Westeuropa.

Derart wurde die Basis fuer das ESF immer schmaeler und die
organisatorischen und finanziellen Probleme immer gravierender. Erst
in der Schlusspase der Vorbereitung wurde im Rahmen des TOC ein
kleines Buero von Half- und Fulltimern eingerichet und das ESF
garantiert.

Was brauchen wir in Zukunft

Um jeglichem Missverstandnis vorzubeugen sei es explizit gesagt: Diese
Zeilen sind von einem Geist kritischer SOLIDARITAeT getragen und gehen
von einer POSITIVEN Grundhaltung aus. Es geht darum, was WIR GEMEINSAM
machen koennen, damit der europaeische Sozialforumsprozess wieder
Schwung bekommt. M. E. nach geht es v.a. um folgende Punkte:

- das ESF muss theoretisch auf der Hoehe der Zeit sein - also nicht
Phrasen produzieren, sondern serioese Analysen liefern (das Seminar in
Prag "Alternativen zum Rechtsextremismus in Zeiten oekonomischer und
oekologischer Krisen" faellt in diese Kategorie).

- einige wenige - gut ausgewaehlte - Kampagnen, wo moeglichst alle an
einem Strang ziehen, um politische Sichtbarkeit zu erzielen

- organisatorische Strukturen, die die gemeinsamen Beschluesse auch
real umzusetzen. Daher gilt es mit dem - aufzustockenden -
gesamteuropaeischen Mobilisierungskomitee weiterzufahren.

- eine staendige, lebendige Homepage, wo sich das widerspiegelt

All das gilt es auf der naechsten EPA zu diskutieren, entsprechende
Beschluesse zu fassen und real in den Prozess fuer das naechste ESF
einfliessen u lassen.
*Hermann Dworczak*


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