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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Mai 2010; 17:42
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Bolivien:

> Offener Brief an Evo Morales
> zum Streik des bolivianischen Gewerkschaftsbundes COB

GewerkschafterInnen und linke AktivistInnen aus verschiedenen Laendern
haben diesen Offenen Brief an Evo Morales anlaesslich des Konflikts
zwischen dem Gewerkschaftsbund COB und der MAS-Regierung
unterschrieben.
*

An Genossen Evo Morales,
Praesident des Plurinationalen Staates Bolivien

Die unterzeichnenden linken GewerkschafterInnen, ArbeiterInnen und
AktivistInnen haben den Kampf des bolivianischen Volkes vom
Wasserkrieg, an dem Sie beteiligt waren, ueber den Gaskrieg und die
Aufstaende von 2003 und 2005 bis zu Ihrem ueberwaeltigenden Wahlsieg,
der Ausdruck und Ergebnis dieser Kaempfe war, begeistert unterstuetzt.
Auf die gleiche Art und Weise haben wir Ihre Rede ueber die
Notwendigkeit, den Veraenderungsprozess zu vertiefen, um den
Sozialismus auszurufen, die Sie in der Nacht Ihres Wahlsieges gehalten
haben und Ihre wiederholten Aufrufe zur Verteidigung der Mutter Erde,
deren Hauptfeind - wie Sie sagten - der Kapitalismus ist, begeistert
begruesst. Wie Sie wissen, ist der Kapitalismus nicht nur ein Feind
der Natur, weil er auf Ausbeutung und den Privatbesitz an Ressourcen
beruht, sondern in erster Linie ein Feind der Menschen, denn die
Grundlage des Systems ist die Ausbeutung des Menschen durch den
Menschen. Die Ereignisse in Griechenland, wo die ArbeiterInnen
gezwungen werden mit weiterer Armut zu bezahlen, damit die Profite der
Banker und Spekulanten erhalten bleiben, sind ein deutliches Beispiel.

Wir druecken unsere tiefe Besorgnis aus ueber den Konflikt der
zwischen Ihrer Regierung und dem Central Obrera Boliviana, der
wichtigsten Organisation unserer arbeitenden Brueder und Schwestern in
Bolivien, entbrannt ist. Wir wissen, dass trotz der enormen
Bemuehungen die Armut zu bekaempfen, mit sehr deutlichen und
unbestreitbaren Ergebnissen, viele unserer KollegInnen, ob es nun
Berg- oder normale ArbeiterInnen sind, weniger verdienen als sie zum
taeglichen Leben brauchen. Die meisten bolivianischen ArbeiterInnen
arbeiten in prekaeren Verhaeltnissen, so dass es fuer die
Grossunternehmen leicht ist, sie zu erpressen. In vielen, viel zu
vielen, Privatunternehmen gibt es keine Gewerkschaften und die
KollegInnen muessen bis zu 12 Stunden arbeiten. Die deutlichen
Lohnerhoehungen, die Sie in den letzten Jahren als wichtig anerkannt
haben, sind von den Unternehmen rueckgaengig gemacht worden, indem man
sie mit den Produktivitaetssteigerungen verrechnet wurden, was dazu
gefuehrt hat, dass mehr Stunden gearbeitet werden muessen, damit die
Lohnerhoehungen in Kraft treten. Leider gibt es in Ihrem Land auch ein
System der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, bei
dem die ArbeiterInnen die Streikgenehmigung beim Staat einholen
muessen und Unternehmer bei Streiks aussperren duerfen (Kapitel II des
Allgemeinen Arbeitsgesetzes), um so die Gewerkschaften
einzuschuechtern.

Angesichts dieser Situation moechten wir unsere volle Sympathie mit
unseren Bruedern und Schwestern in der COB und unsere Unterstuetzung
fuer ihre Forderungen bekunden. Herr Praesident, die ArbeiterInnen,
die sich jetzt im Streik befinden, sind die gleichen, die Ihnen
waehrend der Klassenauseinandersetzungen und des Wahlkampfs ihre
ueberwaeltigende Unterstuetzung gaben. Ihre Regierung betrachtet sie
in richtiger Weise als die Hauptstuetzen der Wirtschaft und des
Staates. Deshalb moechten wir Sie und Ihre Regierung respektvoll
bitten, mit den ArbeiterInnen in einen sinnvollen Dialog zu treten,
wie es die KollegInnen von Ihnen erwarten, um die Gesamtproblematik
der Loehne und der Arbeitsbedingungen der bolivianischen
Arbeiterklasse anzugehen und es der Arbeiterbewegung zu gestatten,
ihre Beteiligung am Transformationsprozess in Bolivien zu
verwirklichen.

Genosse Praesident, wir glauben dass die bolivianische Revolution ein
Beispiel und ein Orientierungspunkt fuer die Arbeiterbewegung und
antikapitalistische Stroemungen sein koennte. Diese Moeglichkeit wird
dramatisch geschmaelert, wenn die ArbeiterInnen in der ganzen Welt
nicht mehr die reale Moeglichkeit eines Weges und einer anderen Welt
in Bolivien sehen, in der die Wirtschaft gefuehrt wird, um die
menschlichen Beduerfnisse und nicht die Habgier einzelner Individuen
zu befriedigen und eine Demokratie, die auf die Beteiligung der
arbeitenden Menschen bei Entscheidungen ueber die Zukunft der
Menschheit beruht. Wir vertrauen darauf, dass dieses Anliegen auch von
Ihnen geteilt wird und hoffen auf Ihre Faehigkeiten, den laufenden
Konflikt optimal zu loesen, um den Veraenderungsprozess zu vertiefen
und in Richtung Sozialismus fortzuschreiten.
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Quelle und Unterzeichnungsmoeglichkeit:
http://www.derfunke.at/html/index.php?name=News&file=article&sid=1614



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