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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Maerz 2010; 22:01
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Wien/Soziales/Polizei/Kommentar:

> Wo sind die ExpertInnen geblieben?

Beispiel Bettelverbots-Debatte: ORF drueckt das Club 2-Format unter
Stammtischniveau

«Die Anwesenheit auf dem Buergersteig sitzender Menschen, die in Not
geraten sind und an das Mitleid und an die Hilfsbereitschaft von
Passanten appellieren, muesse von der Gemeinschaft jedenfalls in Zonen
des oeffentlichen Strassenverkehrs als eine Erscheinungsform des
Zusammenlebens hingenommen werden und koenne folglich nicht generell
als ein sozial abtraeglicher und damit polizeiwidriger Zustand
gewertet werden.»

Legte man Ursula Stenzel, der konservativen Bezirksvorsteherin des 1.
Wiener Gemeindebezirks, diese Zeilen ohne Hinweis auf den Verfasser
vor, wuerde sie auf «linksgruene Gutmenschenpropaganda» tippen. Es
handelt sich jedoch um ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofs
Baden-Wuerttemberg, bekanntlich weder eine Einrichtung der
BettelLobbyWien noch eine Tarnorganisation der Roten Armee Fraktion.

Die Dominanz der OeVP-Politikerin in der «Club 2»-Diskussion vom 24.
Maerz, in der es um die Verschaerfung des Wiener Bettelverbots ging,
ist Ausdruck der Austreibung von Diskussionskultur aus dem ORF.
Stenzels Sammlung von xenophoben Stereotypen, die zu keinem Zeitpunkt
das Niveau eines LeserInnenbriefes in der Kronenzeitung zu
ueberschreiten vermochte, haette Punkt fuer Punkt entzaubert werden
koennen.

Wie zur Schonung von SPOe und OeVP orientierten die
Sendungsverantwortlichen auf eine bloss moralisierende Debatte. Weder
eine Vertreterin oder ein Vertreter der BettelLobbyWien noch eine
andere sachkompetente Person, die mittels Fakten und Analysen zu einer
Rationalisierung der Debatte beitragen haette koennen, wurde
eingeladen.

In der Diskussionsrunde gab es niemanden der/die nachfragte, woher
Stenzel ihre kruden Theorien ueber «ganze Doerfer, die von ihren
Bossen zum Betteln, Stehlen etc. geschickt werden» beziehe. Niemand,
der die einfache Wahrheit aussprach, naemlich dass das Verbot des
«gewerbsmaessigen Bettelns» (gesetzt den Fall, dass tatsaechlich so
ein «Boss» in Erscheinung tritt) nur die Opfer bestrafen wird, nicht
die TaeterInnen. Denn die strafwuerdige Handlung laege ja dann nicht
in der Taetigkeit des Bettelns, sondern im dahinter liegenden Zwang,
in der Erpressung, im Menschenhandel etc. und diese Vergehen sind
ohnehin im Strafgesetzbuch geregelt.

Und es gab niemanden, der ueber die Unumgaenglichkeit von
«Armutstourismus» in Richtung Oesterreich sprach, solange die soziale
und oekonomischen Spaltung zwischen westlichen und den
postkommunistischen Staaten sich verschaerft; und niemanden, der
darauf hinweisen konnte, dass tausende oesterreichische
UnternehmerInnen jeder Groessenordnung vom alarmierend niedrigen
Lohnniveau in diesen Staaten profitieren und damit einer Aenderung der
Situation, die vor allem Roma nach Wien treibt, entgegenstehen.
Schliesslich gab es niemanden, der die Verschaerfung des Bettelverbots
in den Zusammenhang eines wachsenden Antiziganismus in vielen
europaeischen Laendern stellte oder auf die Suendenbock-Rolle der
osteuropaeischen Armuts-«PendlerInnen» aufmerksam machte.
*Robert Sommer in einer Aussendung des "Augustin"* (gek.)



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