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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Maerz 2010; 21:52
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Debatten:

> Was soll das? Solidaritaet? Mit wem?

Vor geraumer Zeit erschien im Falter ein nicht-so-netter Artikel zum
Thema Tierschutz und Martin Balluch, geschrieben von F. Klenk.
Bernhard Redl antwortete darauf mit einem nicht-so-netten Artikel in
akin 06/2010, und beschrieb -- uebertrieben gesagt -- eine Art
Schulterschluss mit diesem "mutigem" Rebellen, der dem Falter wohl
gerne eine Blattlinie wie die der deutschen "Bahamas" verschaffen
moechte... wenn der Falter diese nicht schon laengst uebernommen hat.
Quasi allen Barrieren der Political Corectness zum Trotz! Ich moechte
die Reihe der nicht-so-netten Artikel fortsetz/en, und mich
schriftlich fragen: Was soll das? Und: Wem gilt unsere Solidaritaet?

Da wird (wieder einmal) eine kriminelle Organisation konstruiert (wie
z.B. "La Mano Negra" in Spanien ab 1883,... ), um politisch unbequeme
GegenerInnen aus dem Weg zu raeumen, und "wir" schliessen uns der
Meinung des Mainstreams an, ohne uns mit der Sachlage
auseinanderzusetzen? Ohne ausreichend nachzufragen: Worum geht es hier
eigenltich wirklich? Um Tierschutz? Um Rechtsstaatlichkeit? So etwas
tun wir nicht wirklich, oder?

Also, worum geht es hier eigentlich wirklich? Was wird den Angeklagten
vorgeworfen? Die meisten Anklagen wegen Brandstiftung,
Sachbeschaedigung, usw. mussten ja fallen gelassen werden. In der
Argumentation gegen die TierschuetzerInnen (auch gegen die
Angeklagten) behalten sie aber die Oberhand.

Vielleicht deswegen, weil man mit dem, was nun von den massiven
Ueberwachungsmassnahmen uebergeblieben ist, die "Bildung einer
kriminellen Organisation" nicht so gut argumentieren kann? Die
Organisation in diesem Fall ist tatsaechlich konstruiert. Wo gar
nichts mehr ging, verstrickte man die Animal Liberation Front in die
Organisation. Wer aber ist die Animal Liberation Front? Ein
Terror-Netzwerk wie Al Quaida? Eine Vereinigung wie die RAF? Eine
fiktive Gruppierung wie Fuchs' Bajuwarische Befreiungsfront?

Von wegen. Richtig ist vielmehr: Wenn die ALF als internationales
Netzwerk durchgeht, dann auch die Antifaschistische Aktion. Nur dass
dann eine Gesinnung kriminalisiert werden kann (auf Grund der
Straftaten einzelner), die so ziemlich alle Linken etwas angeht. Denn
wenn es um Antifaschismus geht, sind wirklich alle gemeint. Aber wenn
es um andere Dinge geht? Wie zB um Tierschutz?

Tierschuetzerisch veranlagt sind ja doch die meisten Leute, die uns im
Alltag begegnen. "Wir wollen ja nicht, dass das Schweinderl in unserer
Schnitzelsemmel zu lange fahren hat muessen zum Schlachthof. Wir
fuehlen uns ja selber auch nicht so wohl, wenn wir mit der U-Bahn oder
im Stau zur Arbeit fahren muessen. Goe Bauer?"

Denn wenn es um die Aenderung der Lebenspraxis geht, um Selbstkritik
und das Ziehen wirklicher Konsequenzen, eben um das Suchen oder
wenigstens um die Anerkennung von Alternativen, dann werden wir
schnell defensiv, und nehmen Distanz an zu denen, die uns kritisieren.
Solidarisieren uns vielleicht sogar mit anderen "FleischfresserInnen".

Hinter dem "Tierschutz" der jenigen, die die Straftaten begangen
haben, fuer die nun die Angeklagten nach §§278 ff. verantwortlich
gezeichnet werden, steht oft eine Gesinnung, die etwas mehr
einfordert, als Huehner doch bitte in nicht ganz so enge Kaefige zu
stecken, oder Tiere nicht als industrielle Fertigungsanlagen zu
betrachten. ANTISPEZIEISMUS als Einstellung mag einem normalen
Menschen vielleicht etwas absurd erscheinen, aber das trifft deswegen
nicht auf jene zu, die sich dafuer einsetzen. Und wer alle Lebewesen
als Wesen gleichen Wertes wahrnimmt, fuer den koennen "Tierfabriken"
(eigentlich sind es ja Eier-, Milch- und Fleischfabriken) nichts
anders bewertet werden wie Straflager -- welchen Regimes auch immer.

Wer sich vor Augen fuehrt, wie Tierleichen an der Foerderanlage
kopfueberhaengend zur Weiterverarbeitung durch riesige
Manufakturhallen ziehen, der versteht vielleicht so manchem Vergleich,
der im Mainstream als skandaloes und verharmlosend wahrgenommen wird.
Fuerwahr, der Vergleich ist skandaloes und verharmlosend. Denn noch
nie -- auch "damals" nicht -- wurden soviele Menschen industriell
getoetet und verwertet wie jedes Jahr allein Kuehe, Schweine,
Truthuehner und Huehner allein in Oesterreich getoetet, verwertet und
VERKAUFT werden.

Und auch Bernhard Redl wird keine Uebertreibung finden, die an die
Opfer der oesterreichischen Fleischmanufaktur herankommt. Grausliche
Tatsache ist: Allein 15 Millionen Huhnkueken und 1,5 Millionen
Truthuhnkueken sterben in Oesterreich JAeHRLICH, weil sie sich in den
Brutanlagen der oesterreichischen Mastbetriebe nicht schnell genug
ihrer Schale entledigen konnten und enden im Zerkleinerer gemeinsam
mit den Schalen jener Kueken, die die Frist von 21 Tagen einhalten
konnten. (Quelle:
http://www.vgt.at/projekte/mastgefluegel/fakten.php).

Angesichts dieser Zahlen erscheint eher der Befreiungsschlag durch
Luftangriffe einer Weltmacht angemessen, und das Anpatzen eines Autos
nur als Tropfen auf den heissen Stein. Die Noetigung / Bedraengung von
Lebewesen laesst sich aber auch aus (mir eigener) eher
antispezieistischer Position nicht rechtfertigen. Aus
rechtsstaatlicher Sicht natuerlich schon gar nicht! Diese vertritt die
herrschenden Verhaeltnisse und kann die Ansichten von AktivistInnen
nicht in die Urteilsfindung mit einbeziehen (waere schoen, wenn die
"...Aussicht des/der Beschuldigten auf Emanzipaton von Individuen
durch Begehung der Straftat..." im Gesetz als Freispruchsgrund
verankert waere). So steinern ist Justitio -- den ich an anderer
Stelle in der akin ja schon als Mann geoutet habe -- nun mal.

Aber bei einer Urteilsfindung durch Linke erwarte ich mir die
"...Aussicht des/der Beschuldigten auf Emanzipaton von Individuen
durch Begehung der Straftat..." zumindest als Milderungsgrund. Und
viele sehen das ja auch so, wie Redls Wahrnehmung eines
"vorweggenommenen Freispruches durch Linke und Gruene" ahnen laesst.
Schlussendlich bleibt es naemlich ein Kampf gegen das System und seine
Regeln, die wir alle mehr oder weniger verinnerlicht haben.
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WWWebtip: Der Prozess geht weiter. Zu verfolgen ist er auch in sehr
ausfuehrlichen Tagesberichten unter http://tierschutzprozess.at



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