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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Maerz 2010; 21:52
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Debatten:

> Was zu erwarten war...

Bei der BP-Wahl zeigt sich wieder, wie Oesterreich funktioniert


Es war so schoen ausgepackelt. Bei der naechsten
Bundespraesidentenwahl wird der nette Onkel, den wir jetzt seit 6
Jahren haben, wiedergewaehlt und basta. Dafuer akzeptiert die SPOe
einen schwarzen EU-Kommissar. Zwar gabs da noch ein bisserl Geplaenkel
beider Proells, aber als Ex-Kommissar Franz Fischler letzten Sommer
davon schwadronierte, ob man den Amtsinhaber nicht einfach so im
Parlament bestaetigen koennte, anstatt so eine unnoetige Wahl zu
veranstalten, war eigentlich schon alles klar gewesen.

Der Bundespraesident ist ja machtpolitisch eh wurscht, schliesslich
uebt er traditionsgemaess "Rollenverzicht" und frisst eh alles, was
ihm die Koalition serviert. Der oberste Notar Fischer hat zwar einmal
eine Unterschrift unter ein Gesetz verweigert, aber da war der
Nationalrat verfassungsrechtlich tatsaechlich schwer neben der Spur
gewesen. Ansonsten ist Fischer aber derselbe guetige Landespapa wie
alle seine Vorgaenger. Also wozu Gegenkandidaten?

Es passierte, was passieren musste. Was ja schon einmal passiert ist,
naemlich, dass die Rechte die Luecke fuellt. 1980, als Kirchschlaeger
zur Wiederwahl anstand und von beiden Grossparteien dabei unterstuetzt
wurde, stellte die FPOe den Diplomaten Wilfried Gredler und die
spaeter verbotene NDP ihren Gruender Norbert Burger auf. Der Effekt:
Der FP-Kandidat kam auf knapp 17%, Burger auf 3,2%. Ein riesiges
Gezeter ging an, wie rechts doch dieses Land sei, dass ein derartiger
Nazi 140.000 Stimmen kriegen konnte. Auch dass Gredler das bislang
beste Ergebnis fuer die FPOe bei Bundeswahlen einfahren konnte,
erstaunte die Republik.

Doch 1980 war die Welt noch in Ordnung. Kreisky residierte am
Ballhausplatz, die OeVP regierte die meisten Laender und im
Nationalrat repraesentierten die beiden Parteien gemeinsam 93% der
abgegebenen Stimmen. Die Arbeitslosigkeit war vernachlaessigenswert
und der Sozialstaat stand in seinem Zenit.

Die kleine oesterreichische Welt sieht jetzt anders aus. Aber auch in
der heutigen Situation verzichteten alle in Frage kommenden
politischen Parteien auf eine Gegenkandidatur -- ausser eben der FPOe.
Ploetzlich gibt es eine Alternative zum netten Onkel und der
grosskoalitionaeren Elite. Barbara Rosenkranz mag sicher kein Angebot
an buergerliche Waehler sein, aber sehr wohl an Waehler der OeVP, vor
allem an jenen Teil, der immer zwischen FPOe und OeVP schwankt. Und
dieser Anteil ist keine quantité négligeable, denn man darf nicht
vergessen, dass die OeVP 2002 ihr Spitzenergebnis eben jenen frueheren
FPOe-Waehlern verdankte, die von ihrer Partei frustriert waren.

Auch ist zu sehen, dass einerseits die beiden
Nicht-mehr-sehr-Grossparteien zuletzt auf nur mehr 55% der Stimmen
kamen und andererseits die beiden ehemaligen Haider-Parteien ueber 28%
auf sich vereinen konnten. Natuerlich, es kommt auch auf die Person
Rosenkranz an und ob ihr geschichtlicher Eiertanz und ihre jetzige
eidesstattliche Erklaerung ihr eher geholfen oder geschadet haben, ist
unklar. Aber ihr Bekanntheitsgrad hat sich damit schlagartig
gesteigert. Und sie ist die Kandidatin der derzeit erfolgreichsten
Oppositionspartei. Das Wehklagen ueber diese Mutterkreuztraegerin von
seiten der anderen Parteien kann einige potentielle Waehler
abgeschreckt haben, aber andere vielleicht auch gerade auf sie
aufmerksam gemacht, analog zu Straches Motto: "Sie sind gegen ihn,
weil er fuer euch ist!"

"Bei der Wahl geht es ja nicht um viel, nur um den
Bundespraesidenten", koennten sich viele denken. Da koennte so
mancher -- aehnlich wie bei der EU-Wahl -- auch eine Stimme fuer
Rosenkranz als willkommenes Protestvoting ansehen. In der Republik
gibt es grosse Missstimmung und wer da nicht antifaschistisch bis ins
Mark ist (und in Oesterreich sind das leider die wenigsten), koennte
leicht in Versuchung geraten, doch Straches Kandidatin zu waehlen --
Kellernazi hin, seltsamer Ehemann her. Umgekehrt: Warum sollen
potentielle Fischer-Waehler zur Wahl gehen, wenn diese doch eh ausgeht
wie weiland das Hornberger Schiessen.

Und wenn dann Rosenkranz gar um die 20% oder mehr einfaehrt, was ist
dann? Dann wird das grosse Geschrei erst so richtig anfangen, wie tief
der braune Sumpf in diesem Land doch sei. Die spaerlichen linken
Kraefte in diesem Land werden sich noch staerker auf die FPOe als
Kritikobjekt stuerzen, derweil SPOe und OeVP und Raiffeisen und wie
sie alle heissen ungestoert uns noch tiefer in den Kapitalismus
fuehren. Beides wird die extreme Rechte weiter staerken -- so wie es
nach den meisten der Wahlen der letzten Jahre war.

Schoene Scheisse!
*Bernhard Redl*


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