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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Februar 2010; 21:14
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World Social Forum:

> Rückkehr nach Porto Alegre

Nach fuenftaegigen Debatten und Diskussionen ging am 31. Januar das
10. Weltsozialforum in Porto Alegre zu Ende. *Walter Baier* lieferte
von dort einen eher skeptischen Bericht.

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Porto Alegre. 29. Jaenner. Das Weltsozialforum ist an seinen Ursprung
zurueckgekehrt. Die zahlreichen Debatten der im Grossraum von Porto
Alegre verteilten Veranstaltung stellen zwar kein Weltforum im
formellen Sinn dar, sondern sie sollen den zehnten Jahrestag des
Forums feiern. Trotzdem, 30.000 TeilnehmerInnen sind gekommen.
Darunter viele Delegierte aus Asien, Europa, Afrika und Nordamerika,
die vor allem an einem vom Internationalen Rat des WSF veranstalteten,
viertaegigen, internationalen Seminar ueber die Perspektiven des
Forumsprozesses und die Strategien der politischen und
zivilgesellschaftlichen Linken teilnehmen.

Porto Alegre hat sich veraendert. Nicht nur in politischer Hinsicht --
die linke Verwaltung wurde nach Spaltungen und internem Streit der
Parteien sowohl in der Stadt als auch im Bundesstaat Rio Grande do Sul
abgewaehlt. Aber auch die konservativen Verwaltungen heissen das Forum
willkommen und stellen kommunale Infrastruktur zur Verfuegung. Selbst
der legendaere "Geist von Porto Alegre" scheint noch zu leben. Die
Presse berichtet ausgiebig, in den Strassen gruessen Grossplakate und
Transparente die TeilnehmerInnen, Menschen, die man als FremdeR um den
Weg zu diesem oder jenem Schauplatz befragt, sprechen einen als
Delegierten des "Foro" an.

Auch dieses hat einen weiten Weg hinter sich. Indem es seit 2003 in
Mumbai, in Caracas, in Carachi, in Bamako, in Nairobi und zuletzt
wieder im brasilianischen Belem, der Metropole am Rande des
amazonischen Regenwalds, Halt gemacht hat, hat es sich nicht nur
thematisch verbreitert, sondern auch an Einfluss gewinnen koennen --
auch wenn dies gerade in Europa nicht zutrifft.

Allein in diesem Jahr werden insgesamt 27 regionale und thematische
Foren stattfinden: in Detroit, in Istanbul, im Irak, in Palaestina, in
Paraguay. usw.

Schliesslich ist das Weltsozialforum auch ein wichtiger Partner in der
von Evo Morales ausgeloesten Initiative eines Weltforums fuer
Klimagerechtigkeit, das Ende April in der bolivianischen Stadt
Cochabamba die Bewegungen zusammenbringen wird.

Was die Rolle Europas betrifft, so ist die Verschiebung der
weltpolitischen Gewichte spuerbar: Nicht nur, dass neue weltweite
Player selbstbewusst aufgetreten sind, die wie Brasilien, Indien und
China aus der ersten Phase der Weltwirtschaftskrise sogar gestaerkt
hervorgegangen sind. Erachteten noch in den 90er-Jahren grosse
Organisationen des Suedens, wie die Gewerkschaften oder die linken
Parteien Europa als ein moegliches Gegengewicht gegenueber dem alles
beherrschenden Einfluss der USA in der Hemisphaere, so erwartet man
heute vom alten Kontinent praktisch nichts mehr. Auch wenn das so
nicht ausgesprochen wird, weisen die vorgebrachten Analysen in diese
Richtung. Anders von China, das beispielsweise in Brasilien die USA
als ersten Handelspartner abgeloest hat.

Nachdenklich und gleichzeitig selbstbewusst tritt das Welt Sozial
Forum in sein zweites Jahrzehnt ein. Selbstbewusst, weil die
Vorschlaege des Weltsozialforums und die von ihm verkoerperte
Philosophie im Unterschied zu seinem Konterpart, dem
Weltwirtschaftsforum von Davos, aktueller denn je sind.

Nachdenken erfordern allerdings die Krisen, innerhalb derer sich die
Menschheit befindet, die nicht nur wirtschaftlicher und finanzieller,
sondern auch oekologischer, geopolitischer und sozialer Natur sind,
und die sich zu einer das weitere Bestehen der Menschheit bedrohenden
Zivilisationskrise verdichten.

Keine einzige soziale und politische Kraft wird aus dieser einen
Ausweg und den Zugang zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts auf sich
allein gestellt finden koennen. Die von den Sozialforen praktizierte
Methode, Einheit auf dem Weg des Respekts der Unterschiede zu finden,
bleibt daher unverzichtbar.

Sie zu vertiefen, und sie vor allem zu einer Methode der Aktion
auszubauen, wird wesentliche Aufgabe des im Jaenner des kommenden
Jahres in Dakka (Senegal) stattfindenden 8. Weltsozialforum sein. ###



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