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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Februar 2010; 20:59
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Leibesuebungen/Wien:

> Ein violetter Fallrueckzieher

Fussballfans und Expert/innen kritisieren die Einstellung der
Fanarbeit bei Austria Wien, so die antirassistische Initiative
*FairPlay*
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Vom 1.-2. Februar 2010 tagten ueber 100 europaeische Klub- und
Staedtevertreter/innen auf Einladung des Europaeischen
Fussballverbands UEFA in Barcelona. Thema des Seminars: Fanarbeit.
UEFA-Vize-Praesident Senes Erzik und der Praesident des Gastgebers FC
Barcelona, Joan Laporta, liessen in ihren Reden keinen Zweifel daran,
dass eine positive, von Dialog und Respekt gepraegte Arbeit mit Fans
eines der bestimmenden und zukunftsweisenden Themen des
internationalen Fussballs ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint es umso unverstaendlicher, dass
ausgerechnet jener Verein, der als erster Strukturen sozialer
Fanarbeit in Oesterreich geschaffen und der in Kuerze UEFA-Sanktionen
aufgrund von faschistischen Gebaren und eines Platzsturms einiger
weniger Fans zu erwarten hat, nun genau in diesem Bereich einen
Rueckzieher macht. Denn in Folge der Geschehnisse beim Spiel gegen
Atheltic Bilbao wurden alle Massnahmen sozialer Fanarbeit von Austria
Wien eingestellt. Das erst im Maerz 2009 eroeffnete Fanzentrum wurde
geschlossen, die Fanarbeiter/innen Martin Schwarzlantner und Maureen
Schorn gekuendigt. Zudem wird mit weiteren repressiven Massnahmen die
Fanszene Austrias zunehmend unter Druck gesetzt.

Dass Vereine auf rassistisches, diskriminierendes und faschistisches
Verhalten in ihrem Umfeld reagieren und diesbezueglich Verantwortung
uebernehmen muessen, war und bleibt ein Credo der
bewusstseinsbildenden Arbeit. Doch: Jene Aktionen, die die Wiener
Austria nun setzt, sind kontraproduktiv und kritisch zu hinterfragen.
Mit der Schliessung des Fanzentrums und der Kuendigung der beiden
Fanarbeiter/innen gibt Austria Wien ein Pionierprojekt im
oesterreichischen Fussball auf, das diesen erstmals an europaeische
Fanarbeits-Standards heranfuehrte. Denn durchaus konnte man auch die
Erfolge der Fanarbeit der letzten Jahre erkennen: Mehr
Zuschauer/innen, Anstieg der Abos, Stimmung im Stadion, sozialer
Auftrag des Vereins.

Soziale Arbeit mit Fussballfans ist eine der wenigen Massnahmen, die
gemeinsam mit den Fans konstruktiv positive Ansaetze erarbeitet und
jene Mehrheit der Fans weiter staerkt, die Vorfaelle wie beim
Bilbao-Spiel ablehnen. Sie ist gepraegt von gegenseitigem Vertrauen,
das langfristig aufgebaut wird und Fankultur in den Mittelpunkt
stellt. Das alles kann nicht innerhalb von wenigen Monaten erreicht
werden. Es besteht die Wichtigkeit eines Gemeinschaftraumes, wie dem
Fanzentrum, wo es moeglich ist, sich der (Alltags-)Probleme der Fans
anzunehmen und Kontakt zu einem breiteren Publikum aufzubauen.

Wieso wird also die einzige Massnahme gestrichen, die versucht
partnerschaftlich mit den Fans zu arbeiten? Mit dieser Handlung
beweist der Klub keine Weitsicht und scheint das Konzept sozialer
Arbeit mit Fussballfans nicht verstanden zu haben. Die Schliessung des
Fanzentrums trifft nicht diejenigen, die fuer die Vorfaelle gegen
Bilbao verantwortlich sind. Betroffen sind aber jene Jugendlichen,
v.a. Schueler/innen, die von Fanarbeit profitierten und fuer die das
Fanzentrum als wichtiger Ort der Kommunikation, Beratung, Betreuung,
Gemeinschaft und Vorbereitungen sowie sinnvoller Freizeitaktivitaeten
nun nicht mehr existiert.

Jugendarbeit wird nicht eingestellt, wenn es z.B. im Bezirk zu
Reibereien kommt. Im Gegenteil, der Ruf nach Jugendarbeit wird gerade
dann laut, wenn es Probleme gibt. Gleiches muss auch fuer Fanarbeit
gelten.

Konzept der Repression gescheitert

Seit Jahren wird in Oesterreich im Umgang mit Fussballfans fast
ausschliesslich auf Repression, Strafen, moralische Entruestung und
kollektive Verurteilung gesetzt. Die Erfolge dieser Strategie bleiben
bislang aus - trotzdem werden weiterhin Unsummen in veraltete
Massnahmen gesteckt, die zu keinerlei Verbesserungen gefuehrt haben.
Es ist hoechste Zeit, ernsthaft und vorurteilsfrei den Dialog und die
respektvolle Zusammenarbeit mit den Fans zu suchen, anstatt
realitaetsfremde Verallgemeinerungen vom gewalttaetigen,
rechtsradikalen Chaoten aufrecht zu erhalten. Hier gilt es auch zu
hinterfragen, wem ein solches negatives Fanbild nuetzt, und wer daher
an der Aufrechterhaltung dessen aktiv mitwirkt.
(bearb.)

Originaltext: http://fairplay.vidc.org



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