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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Oktober 2009; 19:46
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Glosse:

> Mehrheitspartei FPBZOeVP

Das Ergebnis der Stichwahl zum Welser Buergermeister war erschreckend.
Eigentlich nicht verwunderlich, aber doch auch irgenwie erschreckend.
Der SPOe-Buergermeister Peter Koits, 2003 mit fast 74% im ersten
Wahlgang gewaehlt, erreichte nun in der Stichwahl gegen den
FPOe-Kandidaten Bernhard Wieser gerade mal 53,5% in der ehemals
erzsozialdemokratischen Industriestadt.

Nun koennte man nach Welser Besonderheiten suchen, um das Wahlergebnis
zu begruenden, aber die duerften eher rar sein. Ja, Koits ist mit 68
nicht mehr der Juengste und hatte in der vergangenen Amtsperiode es
nicht geschafft, eine von ihm gewuenschte Nachfolgerin auch
tatsaechlich zu installieren. Aber auch Wieser konnte mit seinen 60
Lenzen nicht gerade mit rebellischer Jugendlichkeit punkten -- vor 30
Jahren, also noch lange vor der Haider-Aera, ist der FPOeler bereits
in den Gemeinderat eingezogen und seit 18 Jahren Stadtrat. Schon
mehrmals hatte er erfolglos fuer den Buergermeistersessel
kandidiert -- ein dynamischer Siegertyp ist er nicht.

Also hat es doch etwas mit der Bundespolitik zu tun. Und das macht die
Sache so interessant, denn Wieser hatte im ersten Wahlgang nur 29% --
gerade genug, um in die zweite Runde zu kommen. Doch ganz
offensichtlich sind die Waehler der OeVP-Kandidatin aus dem ersten
Wahlgang beinahe geschlossen zur FPOe uebergelaufen. Nochmal: Es
handelt sich hier um eine oesterreichische Statutarstadt -- nicht um
irgendein Nest, wo die Schwarzen noch feudal regieren, sondern um
einen recht urbanen Ort mit einem breiten gesellschaftlichen und
urbanen Angebot -- und die Waehlerschaft der OeVP hat keinerlei
buergerliche Zurueckhaltung gegen eine Partei, die sich so auffuehrt,
wie sie sich eben auffuehrt.

Denn das Verhalten der OeVP hat eben schon lange nichts mehr mit der
Berufung auf buergerliche Werte zu tun. Die juengsten Poltereien von
OeVP-Generalsekretaer Kaltenegger im Bezug auf die Mindestsicherung,
die OeVP sei "fuer jene da, die frueh aufstehen, um zur Arbeit zu
gehen" und nicht fuer "Langschlaefer" bestaetigen das -- dabei hatte
eine Sozialdemokratin nur eine Erhoehung der Zahlungen fuer
Sozialfaelle in einer Hoehe gefordert, wie sie auch die Caritas fuer
notwendig erachtet. Die OeVP gibt sich aber -- ganz nach
FPOe-Manier -- als Vertreterin der "Ehrlichen und Anstaendigen" --
wohl wissend, dass auch der aergste Spiessbuerger und OeVP-Waehler
einmal zum Sozialhilfeempfaenger werden kann. Und diese Sprueche, die
verdammt nach Arbeitslager riechen, fallen nicht unter einem Hardliner
wie Schuessel, sondern stellvertretend fuer den doch so liberalen,
vormaligen "OeVP-Vordenker" Josef Proell.

Naja und wenn wir von solchen Figuren wie Maria Fekter, ... nein, von
denen brauchen wir eigentlich gar nicht mehr reden. Buergerliche Werte
wie das Verfechten der Menschenrechte und aehnlichen Anachronismen?
Diese Maske ist da laengst gefallen.

Also ich traeume ja noch immer von der herrschaftslosen Gesellschaft,
aber frueher besucht der erste Mensch den Neptun, als dass das
passiert. Daher muss ich manchmal auch realpolitisch traeumen. Und
dann traeume ich von einer SPOe, die deswegen eine linke Politik
machen kann, weil die Gruenen noch viel linker sind... Dieser Traum
ist Wirklichkeit geworden, nur mit dem Unterschied, dass er eben auf
der rechten Seite passiert.

Es gibt im oesterreichischen Parlament drei Parteien, die in der
Tradition faschistischer Bewegungen stehen. Die VdU, Vorgaengerpartei
der FPOe, hatte ihre Waehlerpotential aus den alten Nazis geschoepft
und spaeter hatte Haider immer wieder mit seinen Anspielungen klar
gemacht, dass er sich in der Tradition eines ganz anderen "Fuehrers"
sieht -- aber immerhin haben sich die FPOe und ihr Kaerntner Klon
immer wieder von den Nazis vollmundig distanziert, wenn die Rede
explizit darauf gekommen ist -- weil das ist in Oesterreich naemlich ein
Ghoertsi. Die OeVP hingegen ist da nicht so g´schamig, die stiftet
immer noch Kerzen fuer den Putschisten Dollfuss und geniert sich nicht
einmal dafuer. Und wenn man daran denkt, dass die Heimwehr sich nur
darin einig war, dass Sozialdemokraten und Kommunisten eingesperrt und
umgebracht werden sollten, aber nicht geklaert hatte, ob sie lieber
klerikalfaschistisch oder nationalsozialistisch orientiert sein
sollte, dann muss man den Verdacht haben, dass das immer noch alles
ein und dieselbe schwarzbraune Sosse ist.

Worauf ich hinauswill: Die Linke hat sich in den letzten Jahren immer
nur auf FPOe und BZOe eingeschossen, wenn es um Antifaschismus ging --
wir wollten irgendwie nicht wahrhaben, dass der Feind viel groesser
ist und die Mehrheit in diesem Land aeusserst rechte Parteien waehlt.
Nur weil uns bislang noch so eine hauchduenne Decke an Zivilisation
und die Uneinigkeit der Rechten vor der Katastrophe geschuetzt haben,
heisst das noch lange nicht, dass das so bleiben muss. Die Welser Wahl
oder die Fruehaufsteher-Sprueche sind nur Beispiele, einfach was so
letzte Woche zu hoeren war, aber wer sich ehrlich umsieht in diesem
Land wird noch eine Menge anderer solcher Beispiele finden, die meine
Thesen bestaetigen.

Es ist schlimmer als wir dachten. Leider.
*Bernhard Redl*



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