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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 7. Oktober 2009; 16:53
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Glosse/Linke:

> Ich hab eine Schnapsidee

Wilde Gedanken zum Rechtsruck

In der SPOe gaert es. Da ist die Rede davon, dass man in der
Auslaenderpolitik einen klareren Standpunkt einnehmen solle -- was
viel heissen kann: Noch rigidere oder eben liberale Positionen. Doch
dann wurde es ploetzlich klarer: Zuerst meldete sich ein ehemaliger
steirischer Landesrat, den man auf den Landtagspraesidentensessel
abgeschoben hat, und der jetzt nichts mehr zu verlieren hat. Der alte
Linke meinte in blumigen, aber gut verstaendlichen Worten, dass der
Bundesvorsitzende abgeloest werden muesste. Worauf eben dieser seine
gut eingeuebte Contenance verlor und meinte: "Wenn jemand wie der Herr
Flecker immer glaubt, er kann seinen eigenen Frust abreagieren, dann
muss man schon auch sagen: Das passt nicht in ein Erscheinungsbild
einer modernen sozialdemokratischen Partei." Flecker sei ein
"bekannter Zerstoerer".

Dann musste sich der Kanzler anhoeren, dass der Wiener Buergermeister,
ehemals auch so etwas wie sein Mentor, ein Regierungsressort fuer
Integration fordere. Worauf sich der Kanzler wieder blamierte, weil
sofort das "Njet" der OeVP kam und Faymann das erklaeren musste -- mit
dem Statement, er wolle die Regierung nicht vergroessern, schon gar
nicht in der Krise. Haeupl zog sich zurueck und liess einen anderen
seiner ehemaligen Stadtraete vorpreschen: Hannes Swoboda,
EP-Abgeordneter, meinte dass die Frage wichtig sei und man nicht mit
der Groesse der Regierung argumentieren koenne: "Weniger ist ja nicht
gleich besser", so Swoboda.

Haeupl meint, der Wiener Wahlkampf werde "grauslich" werden -- und
wenn der Wiener Buergermeister seine Position durch einen
SPOe-Vorsitzenden gefaehrdet sieht, wackelt dessen Sessel ganz
gehoerig. Auch wenn Haeupl sich kurzfristig dezent zurueckgezogen und
die steirische SP-Spitze Faymann demonstrativ die Mauer gemacht hat --
Voves will Landeshauptmann bleiben und Haeupl bei wenigstens nur knapp
unter 50% bei den Wiener Wahlen bleiben. Eine Palastrevolte ist daher
nicht auszuschliessen.

Bei den Gruenen liegt die Sache ein bisserl anders -- sie stagnieren
nur in ihren Ergebnissen bei Landtagswahlen, koennten also
einigermassen zufrieden sein. Nur: Jenen Menschen, die ein wenig ueber
den Tellerrand ihrer Partei gucken, kommt das Grausen bei einem so
massiven Rechtsruck in zwei Bundeslaendern. Wenn in Vorarlberg drei
Viertel aller Stimmen an OeVP oder FPOe gehen und in OOe diese beiden
Parteien immerhin beinahe eine Zweidrittelmehrheit haben, dann kann
das auch einem linken Gruenen nicht wurscht sein. Wenn man sich die
Debatten ansieht, die beispielsweise auf dem Weblog von Martin
Margulies gefuehrt werden, wird klar, dass viele sich wuenschen, dass
die Gruenen eine bessere Sprache finden, um die Frustrierten und
Gedemuetigten, die zur FPOe laufen, ansprechen zu koennen -- und
vielleicht auch jene Linken zurueckzuholen, die man mit der versuchten
OeVP-Annaeherung verschreckt hat.

Unter Linken innerhalb und ausserhalb der etablierten Parteien laufen
die Diskussionen heiss, dass man jetzt was tun sollte oder besser: tun
muss, bevor dieses Land endgueltig im schwarzblaunen Sumpf versinkt.
Doch was? Eine linke Partei aus dem Boden stampfen -- nu, das hatten
wir schon 2006. Abspaltungen von Gruenen und SPOe abwarten und dann
zusammenfassen -- I wart auf an Lafontaine, aber er kummt net, kummt
net. Eine Bewegung? Das ist das Bloede an Bewegungen, die lassen sich
so schwer gruenden...

*

Ich hab da jetzt eine schraege Idee -- um 2 Uhr frueh, wo ich
ueberarbeitet und leicht angetrunken war, wurde sie geboren. Waere es
vielleicht moeglich, eine Plattform fuer Linke zu etablieren, wo man
nicht nur parteiungebundene Linke und die KPOe, sondern auch
angefressene Gruene und Sozialdemokraten einbinden koennte? Letztere
muessten ja dazu nicht ihre Parteien verlassen. Dazu braeuchte es
natuerlich auch prominentere Mitglieder dieser Parteien, damit so eine
Plattform medial ernst genommen wird -- gibt es solche Leute, die
keine Angst davor haben, wegen Dissidenz von ihrer Partei gemobbt zu
werden? Koennte so eine Plattform, wo ja wieder die wildesten
ideologischen Differenzen vorhanden waeren, sich tatsaechlich auf
gemeinsame grundlegende Positionen einigen -- ohne dass gleich wieder
eine in diesem Zusammenhang voellig unangebrachte
Israel-Palaestina-Diskussion losbricht und alles kaputtmacht? Und
haetten diese Positionen dann immer noch genug Feuer und
Kompromisslosigkeit, um gehoert zu werden? Koennten wir uns auf ein
oder zwei Leute einigen, die gut reden koennen und das dann
verkaufen -- ohne, dass wir ihnen wegen jedem falsch gesetzten
Beistrich in einem Interview gleich gram sind?

Meine politische Erfahrung sagt: Das geht nicht! Die
ausserparlamentarische Linke ist ein zerstrittener Haufen und die
Parteileute gehen nie wirklich offensiv gegen ihre Fuehrungen vor und
wenn, dann sicher nicht gemeinsam mit Leuten aus anderen Parteien. Das
waere doch parteischaedigendes Verhalten! Wirklich eine Schnapsidee
... Aber was weiss man, vielleicht geht es doch. Oder vielleicht hat
jemand anderer eine bessere verrueckte Idee, was man machen koennte?

Egal was, aber es muss was geschehen. Es ist schlimm, wenn man sich
als Linker um die Zukunft der SPOe Sorgen machen muss, aber in der
jetzigen Situation ist es mir lieber, die SPOe und auch die Gruenen
werden mit einem linksreformistischen Programm und entsprechendem
Auftreten wieder staerker, als dass die Rechte uebermaechtig wird. Es
geht dabei eben nicht nur um die Ergebnisse an der Urne, sondern auch
um die am Stammtisch -- wenn die Zeiten Scheisse sind, muss man klar
machen, dass die Ausbeuter dran schuld sind und nicht die Entrechteten
mit dem falschen Pass. Sorry, wenn ich polemisch werde, aber
vielleicht muss man genau so reden und ein linker Populismus waere
jetzt das richtige Mittel. Wenn dieser Populismus von der SPOe oder
den Gruenen kommt und zwar nicht nur vor der Wahl, sondern auch
danach, soll es mir recht sein.

Das machen die aber nicht freiwillig. Dazu muessen sie getrieben
werden. Wir ausserparlamentarischen Linken sind zu schwach, um mit
einem eigenen Parteiprojekt Furore zu machen, aber vielleicht koennen
wir Krach schlagen ohne Ruecksicht auf irgendwelche Gaslaternen;
Krach, der direkt an den Stammtischen wirkt, aber auch auf die
etablierten Parteien. Es gilt, eine Stimmung zu erzeugen, wo SPOe und
Gruene gar nicht mehr anders koennen, als auf den Zug aufzuspringen.
Jetzt, genau jetzt, kann vieles kippen in diesen Parteien. Vielleicht
sogar in eine Richtung, die uns taugt. Es bedarf nur des richtigen
Anstosses. Glaub ich zumindest. Ja, mag schon sein, viele von uns
lieben diese Parteien nicht, und dann retten wir vielleicht die SPOe
vor der Selbstzerstoerung und helfen den Gruenen bei ihrem Sprung zur
"Mittelpartei" und spaeter aergern wir uns ganz fuerchterlich
darueber, wie wir so bloed sein konnten, ... aber in der jetzigen
Situation ist das in Kauf zu nehmen.

*

Zugegeben, meine Gedanken sind nicht sehr geordnet. Es ist keine
brilliante Analyse. Aber die brillianten Analysen haben uns meistens
auch nicht weitergebracht.

Ich treffe mich am Freitag, den 16.10. um 16 Uhr im Cafe Club
International (Yppenplatz, Ottakring) mit ein paar Leuten. Und wir
wollen einfach ein bisserl rumspinnen. Wer mit uns --- ohne
Zielvorgabe bezueglich irgendeiner Gruendung und ohne sich irgendwie
zu Mitarbeit oder Bierernst verpflichtet zu fuehlen -- ein wenig
phantasieren moechte, ist herzlich eingeladen.
*Bernhard Redl*



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