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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. September 2009; 18:50
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Glosse/Asyl:

> Der Jargon der Unmenschlichkeit

Ich habe soeben die Erklaerung von Guenther Ecker bekommen, den Tod
Gagendeep. S. betreffend. Sie ist so zynisch und grauslich, dass ich
mir erlaube sie kommentiert weiterzuleiten.

Zur Erlaeuterung: Guenther Ecker leitet die zynischerweise "Verein
Menschenrechte Oesterreich" benannte NGO, der das Innenministerium
inzwischen in fast allen Bundeslaendern allein die Schubhaftbetreuung
ueberantwortet hat. Dank seiner grenzenlos devoten Haltung dem
Innenministerium gegenueber, gelang es ihm, sich wirklich fuer die
Menschenrechte und die Anliegen der Schubhaeftlinge einsetzende NGOs
aus diesem Arbeitsbereich zu verdraengen.

>> Der "Verein Menschenrechte Oesterreich" hat unmittelbar nach
>> Bekanntwerden des Todesfalles die im Punjab lebende Familie des
>> verstorbenen Schubhaeftlings informiert. Seine Eltern waren
>> geschockt und bestuerzt. Gemeinsam mit in Italien lebenden
>> Angehoerigen bereitet der Verein nunmehr die Ueberstellung des
>> Leichnams nach dessen Freigabe nach Indien vor. <<

Erster Absatz (wir wissen: im Journalismus enthaelt der erste Satz die
zentrale Aussage): Die zentrale Aussage im Falle Gagendeep ist die
unangefochtene Kernkompetenz des Vereins Menschenrechte:
Rueckfuehrung, ob tot oder lebendig!

Das wichtigste am Ereignis ist also, dass der Verein Menschenrechte
sich kompetent um die Rueckfuehrung der Leiche kuemmern wird. Und die
Eltern waren geschockt. Der Verein Menschenrechte, die
Schubhaftbetreuerinnen, die mit ihm zu tun hat, Herr Ecker sind
natuerlich nicht geschockt. Ein WIR, das zumindest angesichts eines
Todefalles eine gemeinsame Bestuerzung, wenn nicht Trauer von
Familienangehoerigen und "Schubhaftbetreuung" herstellen wuerden ,
kommt Ecker natuerlich nicht unter.

>> Der verstorbene Inder Gagendeep S. (32) kam vor vier Jahren nach
>> Oesterreich und stellte unter den falschen Identitaetsdaten
>> Gaganpreet Singh K. einen Asylantrag. Er gab dabei ein Geburtsdatum
>> an, das ihn damals als minderjaehrig auswies. Das Asylverfahren
>> wurde negativ abgeschlossen. Herr S. hat zunaechst als
>> Zeitungskolporteur, zuletzt ohne legalen Zugang zum Arbeitsmarkt
>> als Pizza-Zusteller in Wien gearbeitet. <<

Zweiter Absatz (erlaeutert naehere Umstaende): Man wuerde erwarten,
man erfaehrt nun von denen, die ihn hier betreut haben, etwas
Menschliches, wie Gagendeep war, seine Hobbys, seine Vorlieben, sein
Beruf, seine Eigenarten.

Das Wichtigste (fuer Ecker) zuerst: Wir erfahren: Gagendeep hat unter
FALSCHEM Namen Asyl angesucht. Er hat ein FALSCHES Geburtsdatum
angegeben, um sich Vorteile zu verschaffen. (Alles klar?
Asylbetrueger! So titelt dann auch die PRESSE: "Toter Schubhaeftling:
Falscher Name, falsches Alter")

>> Herr S. war nicht rueckkehrwillig, da er sich in Indien sehr
>> verschuldet habe, um nach Europa zu kommen. Diese Schulden muesse
>> er zurueckzahlen. Zudem wollte er mit Geldzuwendungen an seine
>> Familie seiner Schwester ein Studium ermoeglichen. <<

Dritter Absatz. Geht zurueck zur Kernkompetenz von Guenther Ecker und
seinem "Verein Menschenrechte": Gagendeep war nicht rueckkehrwillig.
Das ist der Kern des Jargons des Unmenschen. Der Satz wuerde ganz
anders klingen, wenn man nur schreiben wuerde: Er konnte nicht nach
Indien zurueckkehren, da er sich dort verschuldet hatte um nach Europa
zu kommen. Aber die Etikettierung"nicht rueckkehrwillig" macht aus
diesem Satz und damit aus Gagendeep etwas ganz andres: einen als
renitent gegen Eckers Kernkompetenz sich Verweigernden. (Subtext:
selber schuld.)

>> Die hindi- und punjabi-sprachige Betreuerin des Vereins hat Herrn
>> S. waehrend seiner Anhaltung im PAZ Wien sieben mal zu einem
>> Betreuungsgespraech aufgesucht. Er hat in diesen Gespraechen keine
>> Hinweise auf Erkrankungen, vorangegangene Operationen oder
>> dergleichen gegeben, die im Zusammenhang mit einem Hungerstreik zu
>> beruecksichtigen waeren. <<

Vierter Absatz: Ecker putzt sich ab: Die "Betreuung" durch seinen
Verein wusste von nichts, kann nichts dafuer. (Leider beschraenkt sich
die Betreuung durch Eckers Verein meistens darauf, "Rueckkehrberatung"
anzubieten. Beratung dafuer, wie man vielleicht doch noch einen
legalen Aufenthalt hier erwirken koennte, also das, was die meisten
Schubhaeftlinge, vor allem, die, die nicht zurueckkoennen, braeuchten,
bekommt man nicht. Ich masse mir also an, zu sagen, dass es kein
Wunder waere, wenn Schubhaftgefangene kein Vertrauen zu Eckers Leuten
haetten: Tatsaechlich sind die ja wirklich nur HandlangerInnen des
Innenministeriums, denen man besser nicht vertraut.)

>> Beim letzten Besuch am 09.09.2009 hat er gegenueber der Betreuerin
>> einen koerperlich guten Eindruck hinterlassen. Darauf von ihr
>> angesprochen gab er an, dass er ebenso wie andere Schubhaeftlinge
>> in Hungerstreik hin und wieder zwischendurch etwas esse. Gagendeep
>> S.: "Wir koennen nicht ewig hungrig bleiben!" <<

Fuenfter Absatz: Ecker putzt sich ab. Erstens hat Gagendeep einen
koerperlich guten Eindruck hinterlassen, zweitens hat er eh waehrend
des Hungerstreiks gegessen. (Subtext, schon wieder: Betrueger...)

>> Der Verein Menschenrechte Oesterreich hofft darauf, dass die
>> Ergebnisse der Obduktion bald vorliegen werden. Aus den
>> Wahrnehmungen der Betreuung scheint es schwer vorstellbar, dass der
>> 32jaehrige Gagendeep S. "verhungert" ist. <<

Schlusssatz: "Aus den Wahrnehmungen der Betreuung scheint es schwer
vorstellbar, dass der 32jaehrige Gagendeep S. "verhungert" ist." Die
Quintessenz bestaetigt Guenther Eckers zentrale Funktion im
oesterreichischen Schubhaftsystem: Als Schubhaftbetreuung kann die
Organisation tun, was sie will, getarnt durch "Menschenrechte" im
Namen geniesst sie 100% Rueckendeckung des Innenministeriums.

Ich habe diese kleine Textanalyse vorgenommen, um einmal mehr darauf
hinzuweisen, dass dem Verein Menschenrechte Oesterreich und Guenther
ECKER unbedingt der Auftrag zur Schubhaftbetreuung zu entziehen ist
und stattdessen ein Verein mit dieser Aufgabe zu betrauen waere, der
die Menschenrechte und die Menschenwuerde der Betreuten im Auge
haette. Dass ein Pressetext der betreuenden Organisation anlaesslich
des tragischen Todes einen von ihr Betreuten so ausfaellt,
diskreditiert meines Erachtens die Betreuungsorganisation nachhaltig.
*Tina Leisch*

*

Nachbemerkung der Redaktion: Eckers Aussendung stammte vom
15.September, die Textanalyse vom 16.September. Mittlerweile haben die
Behoerden verlautbart, dass Gagendeep S. nicht verhungert sei, sondern
an einem Herzinfarkt verstorben. Allerdings werde noch untersucht, ob
diese fuer einen 32-jaehrigen doch unuebliche Todesursache im
Zusammenhang mit dem Hungerstreik stehen koennte.


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