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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. August 2009; 15:36
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Glosse:

> Oesterreich zuerst

In den Speisewaegen der OeBB werden neuerdings Folder mit dem Titel
"Oesterreicher helfen Oesterreichern" verteilt. "Mit den Mitteln
unserer Zeit - gegen die Not unserer Zeit" steht dort geschrieben.
Spenden werden ausschliesslich via Telefon gesammelt, jeder Anruf an
eine Mehrwertnummer kostet von vorneherein vier Euro, die Spenden
sollen "Notfaellen in ganz Oesterreich" zugute kommen, insbesondere
der Volkshilfe Salzburg, dem "Blinden - und Sehbehinderten - Verein
Salzburg", der "Stiftung Kindertraum in Wien" sowie dem "CS Hospiz
Rennweg Wien". Gruenderin des Hilfsvereins ist das H.
Schulte-Baeuminghaus Cumes, hinter diesem Namen verbirgt sich eine
Immobilien-Gesellschaft, die suendteure Villen und Objekte in ganz
Europa vermittelt, die zynischerweise mehrsprachig agiert. Zu den
SponsorInnen der Aktion zaehlt neben "Generali", oder "Bundy Bundy"
auch die Immobilienfirma "Live Urban", die etwa auch Feriendomizile in
Suedfrankreich anbietet. Spendenfreudige Menschen, die erstmal vier
Euro fuer eine Mehrwertnummer ausgegeben haben, koennen ihre
Unterstuetzungsleistung dann ueber Immobilienhaie abwickeln lassen.
Vielleicht handelt es sich ja um reiche "guetige" SpenderInnen, die
nebenbei nach einer Villa suchen koennten, was wiederum die
Immobilienfirmen erfreuen wuerde: das ist jetzt eine blosse naive
Vermutung! Es fehlt der Hinweis, ob die SpenderInnen auch ueber die
oesterreichische Staatsbuergerschaft verfuegen muessen. Es fehlt der
Hinweis, ob MigrantInnen, welche die oesterreichische
Staatsbuergerschaft erworben haben als "Oesterreicher" gelten.

Die Zeitschrift "News" brachte am 18.12.2002 eine Spendenstory mit dem
Titel: "Oesterreicher spenden bevorzugt fuer Oesterreicher". Das Blatt
bezog sich auf eine Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstitutes
"market": danach wuerden von 500 befragten Personen 45 % fuer
misshandelte Kinder spenden, 42 % fuer Opfer von Umweltkatastrophen,
je 41 % fuer Not leidende Familien und Kinder mit "Behinderung", 34%
fuer krebskranke Menschen, 24 % fuer Umweltschutzmassnahmen, am Ende
der Spendenliste wuerden 14 % fuer Opfer von Umweltkatastrophen im
Ausland spenden, 13 % fuer Frauen in der "Dritten Welt", 11 % fuer
Strassenkinder in Brasilien, 9 % fuer Kriegsopfer und 5 % fuer
politische "Fluechtlinge". Nach dieser Studie wuerden rund dreiviertel
der befragten Personen eher fuer nationale Hilfsaktionen spenden, ein
Viertel eher fuer internationale Hilfsprojekte. Unabhaengig von den
konkreten, etwas aelteren Zahlen duerfte der Trend wohl stimmig sein.

Beim Flugblattverteilen, auf Kundgebungen und Demonstrationen,
insbesonders wenn es sich um ein Engagement fuer mehr Toleranz fuer
Menschen mit migrantischem Hintergrund handelt, wird Mann oder Frau
gelegentlich mit volksduemmlichen Weisheiten konfrontiert, es werden
Empfehlungen ausgesprochen, sich doch um die "eigenen Leute" zu
bemuehen, es gaebe schliesslich genug "arme Oesterreicher", wer
braucht denn das ganze "Gesindel im Land", so lauten die altbekannten
Sprueche. Es wird dabei allerdings nicht ganz klar, was unter einem
"Oesterreicher" zu verstehen ist, der sich einer Spende wuerdig
erweist, denn andererseits werden auch jene als "Gesindel" oder
"arbeitsscheues Gesindel" beschimpft, die sich fuer Einhaltung und
Ausdehnung der Menschenrechte oeffentlich deklarieren, obwohl sie die
oesterreichische Staatsbuergerschaft besitzen. Sind Menschen, die sich
in Situationen der Wohnungslosigkeit befinden unterstuetzenswuerdig?
Sind Menschen, die an HIV erkrankt sind, unterstuetzenswuerdig? Sind
Prostituierte unterstuetzenswuerdig?

Verlockend klingt bei der Organisation "Oesterreicher helfen
Oesterreichern" die Konnotation, dass es sich um "anstaendige"
OesterreicherInnen handeln muss, Vorbilder gibt es dafuer zur Genuege,
etwa den niederoesterreichischen Landeshauptmann Erwin Proell, der
stolz darauf ist, dass das einzige Buch, das er je gelesen hat, der
‚Schatz im Silbersee' gewesen ist, die erschrockenen LeserInnen
duerfen sich beruhigen, er hat es eh nur bis zur Haelfte gelesen. Dazu
passt die Stadt Klagenfurt, die bereits seit fast vier Jahrzehnten
ohne eigene Stadtbibliothek ihr Auslangen findet, vielleicht hat sich
der Herr Haider deshalb so schwer getan, die Zahlen auf seinem Tacho
einzuschaetzen.

Wer nach einer Homepage von "Oesterreicher helfen Oesterreichern"
googelt, findet kaum einen Hinwies auf die Spendenaktion, aber die
Schlagworte sehr rasch und zahlreich in Verbindung mit der FPOe und
dem BZOe. Sehr prominent ist auch das gescheiterte FPOe-Volksbegehren
"Oesterreich Zuerst" zu finden.

Reiche Firmen geben sich truegerisch wohltaetig. Der Kapitalismus
braucht keine politische Gesinnung, er bedient sich jener, die am
meisten Profit abwirft. Bei der letzten Nationalratswahl wurde zu etwa
einem Drittel rechts gewaehlt. Slogans, die rechts konnoniert lesbar
sind, scheinen gepaart mit katholisch gestreuter Mildtaetigkeit einen
Nutzen zu erzielen. Um es mit Konstantin Wecker zu sagen: Zeit
aufzustehen.
*rosalia krenn*



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