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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. August 2009; 15:23
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Schweiz/Militarismus:

> Zahlen fuer die Untauglichkeit

Wer in der Schweiz untauglich ist, braucht nicht zu glauben, dass er
ungeschoren davonkommt. Wenn nicht zumindest eine Behinderung im
Ausmass einer 40%igen Beeintraechtigung der physischen oder
psychischen Integritaet vorliegt, wird er zur Kasse gebeten. Denn die
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bestimmt in
Art. 59, dass jeder Schweizer zum Militaerdienst verpflichtet ist und
dass derjenige eine Abgabe schuldet, der weder Militaer- noch
Ersatzdienst leisten kann. Diese Abgabe wird ueblicherweise vom 20.
bis zum 30.Lebensjahr eingehoben.

Unter diese Regelung fiel auch der Diabetiker Sven Glor, der 2001 zur
Zahlung einer jaehrlichen Ersatzabgabe von 716 Franken (etwa 477 Euro)
aufgefordert worden war. Glor sah aber nicht ein, dass er wegen seiner
gesundheitlichen Einschraenkung bezahlen sollte, kaempfte sich durch
die nationalen Instanzen und landete schliesslich heuer beim
Europaeischen Gerichtshof fuer Menschenrechte. Der EGMR gab ihm recht
und hob hervor, dass dienstuntaugliche Maenner, die wie Herr Glor
einem normalen Beruf nachgehen koennen, einerseits gegenueber Maennern
mit einer als erheblich eingestuften Behinderung, die von der Zahlung
befreit sind, aber auch gegenueber Dienstverweigerern, die Zivildienst
leisten duerfen, diskriminiert werden.

Die Schweiz koennte jetzt auf ihrem Rechtsverstaendnis beharren, doch
ist nach Beobachtern nicht davon auszugehen, dass hier entgegen den
internationalen Gepflogenheiten ein Urteil des EGMR ignoriert werden
wuerde.

Wie allerdings die Eidgenossenschaft dieses Problem loesen wird, ist
noch unklar: Dienstuntauglichen muesste nach Ansicht des EGMR unter
Verweis auf die Konvention ueber die Rechte von Menschen mit
Behinderungen und das darin verankerte Prinzip der angemessenen
Vorkehrungen, eine Funktion in der Armee entsprechend ihren
Faehigkeiten angeboten oder sie muessten zum Zivildienst zugelassen
werden. Andernfalls muesste das Gesetz wohl zumindest Personen mit
geringem Einkommen unabhaengig vom Grad ihrer Behinderung von der
Ersatzpflicht befreien.

Eine gaenzliche Abschaffung der Steuer, wie sie von
Behindertenorganisationen und anderen NGOs immer wieder gefordert
wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn 2007 waren 167.000 Maenner
ersatzpflichtig und sorgten fuer Staatseinnahmen von rund 100
Millionen Franken.
(klagsverband.at/akin)

Weitere Informationen zum Urteil:
http://www.klagsverband.at/archives/2491
Kurzfassung des Urteils:
http://www.menschenrechte.ac.at/docs/09_2/09_2_17



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