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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. April 2009; 17:07
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Asyl:

> Asylparadies Griechenland

Die Reaktion des Innenministeriums, die Abschiebung der aus der
Schubhaft entlassenen afghanischen Familie nach Griechenland weiter
verfolgen zu wollen, bestaetige einmal mehr die Hardlinerpolitik, die
Markenzeichen von Ministerin Fekter ist, so Anny Knapp von der
asylkoordination in einer Aussendung. Der Fall der drei kleinen
Kinder, die vor zwei Wochen zusammen mit :ihren Vater in Schubhaft
gesetzt worden war, waehrend die Mutter im Spital lag, hatte
bekanntermassen viele Proteste hervorgerufen. Die Familie wurde jetzt
wieder aus der Haft entlassen, die Abschiebung draeut aber immer
noch -- gemaess Dublin-Abkommen ins Erstaufnahmeland. Knapp: "Andere
EU Staaten gehen bei Abschiebungen von Fluechtlingen nach Griechenland
sensibler um, so schickt beispielsweise Deutschland keine Familien
oder Minderjaehrigen nach Griechenland zurueck. Das Innenministerium
behauptet, die Situation in Griechenland geprueft zu haben. Wir haben
festgestellt, dass bei der Beurteilung der Lebensbedingungen von
Fluechtlingen und ihrer Chancen im Asylverfahren kritische Berichte
nicht ausreichend beruecksichtigt werden. Ausschlaggebend bei den
Entscheidungen, Asylsuchende nach Griechenland zurueckzuschicken, sind
beim Bundesasylamt und beim Asylgerichtshof Behoerdenberichte, deren
Objektivitaet ausser Zweifel gestellt wird, selbst wenn sich leicht
aufzeigen laesst, dass sie gravierende Probleme ausblenden. Den
zahlreichen Berichte ueber den fehlenden Schutz von Fluechtlingen in
Griechenland, die von NGOs verfasst wurden, wird eine geringere
Glaubwuerdigkeit unterstellt, weil diese auch eine grundsaetzlich
kritische Haltung gegenueber dem Dublin-System, das die Zustaendigkeit
fuer Asylverfahren regelt, haben. Von einer Behoerdendelegation in
Griechenland wird hingegen angenommen, dass diese nicht
interessensgeleitet vorgeht und berichtet."

Tote vor Athener Fluechtlingsbehoerde

Im wirklichen Leben, vor der Fluechtlingsbehoerde in Athen duerften
sich allerdings tatsaechlich entsetzliche Szenen abspielen. So ist
Mazir, ein 24 Jaehriger Fluechtling, nach drei monatigem Koma in Athen
gestorben. Er ist der dritte Tote vor der Behoerde in der Petrou
Ralli-Strasse in Athen seit Oktober 2008. Mazir wurde am 3.Jaenner
schwerverletzt in einem Graben 600 Meter vor dem Tor der
AuslaenderInnenbehoerde aufgefunden. Seither war er im Koma gelegen.
Am 3.Jaenner starb auch Tschandir Hosein an der selben Stelle. Am
24.Oktober 2008 war Mohamad Ashraf auch dort schwer verletzt
aufgefunden worden und starb kurz darauf.

Beide Tage waren Samstage -- die Fluechtlinge koennen in Athen nur am
Samstag ihre Asylantraege (oder besser: Antraege auf Erteilung einer
Terminzuweisung zur Stellung des eigentlichen Asylantrags) an dieser
einzigen Polizeistation stellen. Fluechtlinge warten stundenlang in
Schlangen und werden brutal von der Polizei vertrieben und geschlagen,
so dass als Resultat immer wieder Menschen in den Graben stuerzen.

Die absurden Zustaende haben einen Grund: "Wir machen dies zur
Abschreckung, damit einige naechste Woche nicht mehr kommen." Denn:
"300 erhalten einen Termin, der Rest kann gehen." So zitiert eine
Korrespondentin der "Berliner Zeitung" einen nicht namentlich genannt
wollen werdenden Polizisten.

Dennoch werden 94% aller Asylantraege in Griechenland in dieser
Station gestellt -- bis zu 3000 Menschen sollen es sein, die hier
schon immer Freitagabend herkommen, um am naechsten Tag vielleicht
doch Gehoer zu finden. Wobei ein vorderer Platz in der Schlange noch
gar nichts bedeutet: Die Polizei blockt die Fluechtlinge oft nach
Laendern oder waehlt anders willkuerlich die Gluecklichen aus, die
vorgelassen werden sollen.

Warum aber diese Konzentration der Antraege auf Athen? Beim ersten
Kontakt mit griechischen Behoerden an den Landgrenzen oder der Kueste,
werden die Fluechtlinge -- laut Andreas Takis, Buergerbeauftragter der
griechischen Regierung -- wegen Personalmangel und schlechter
Infrastrukur ingnoriert. Wenn Sie dann nach Athen kommen gibt es nur
mehr die Petrou Ralli-Strasse.

Internationale Kritik

In den letzten eineinhalb Jahren sind eine Reihe von kritischen
Berichten und Dokumentationen ueber die Situation von Fluechtlingen in
Griechenland erstellt worden. Das UN-Fluechtlingshochkommissariat hat
zuletzt im Jaenner 2009 die EU-Staaten aufgefordert, keine
Fluechtlinge nach Griechenland zurueckzuschicken und dies sowohl mit
einem unzulaenglichem Asylsystem begruendet, das dazu fuehrt, dass
Schutzbeduerftige durch die systemischen Maengel nicht anerkannt
werden und ihnen die Abschiebung in den Herkunftsstaat droht.

Auch Europarats-Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg forderte
Griechenland im Februar dringend zur Aenderung seines Asylsystems auf.
Die Reformen muessten internationalen Normen entsprechen und die
Menschenrechte beachten. Sein Bericht belegt "schwere strukturelle
Maengel" bei der Behandlung von Asylbewerbern in Griechenland. Das
Grundrecht auf Asyl sei infrage gestellt. (akin)


Quellen u.a.:
Asylkoordination;
http://no-racism.net/article/2900/

http://aufstandisteinargument.blogsport.de/2009/03/29/mazir-24-jahre-alt-gestorben-vor-der-auslaenderbehoerde-der-petrou-ralli
http://de.indymedia.org/2009/04/246639.shtml
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/0205/horizonte/0004/index.html



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