**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. April 2009; 17:52
**********************************************************

Demonachlese:

> NATO-Gipfel: Repression in Strassburg

Schon am Vortag hatte Nicolas Sarkozy von den CRS, der fuer
Knueppelorgien bei Demonstrationen spaetestens seit 1968 beruechtigten
Spezialtruppe der franzoesichen Polizei, grossspurig gefordert: "Ich
will keinen Demonstranten sehen!" Ordnungsgemaess kam es dann noch
dicker als die meisten der etwa 25 000 engagierten Friedensbewegten,
die nach Strassburg gekommen waren, um gegen die Nato zu protestieren,
erwartet hatten .

Francis Wuertz, der Vorsitzende der linken Fraktion im Europaparlament
waehrend der Demo: "Es war wirklich unglaublich: zuerst akzeptierten
die franzoesischen Behoerden erst in allerletzter Minute die
Demo-Route und dann blockierten sie die vereinbarten Zufahrtswege und
liessen den gesamten oeffentlichen Verkehr einstellen. Durch
Einschuechterungen in den lokalen Radiosendern wurde auch die lokale
Bevoelkerung davon abgehalten, zur Kundgebung bei der Europa-Bruecke
zu kommen. Und dann flogen die Hubschrauber sogar noch bei der
Kundgebung im Tiefflug. Ein gefundenes Fressen fuer die Provokateure."

Sekunden nach diesem Statement feuerte die CRS Traenengas ueber die
DemonstranInnen, die gerade von einer Gruppe schwarz gekleideter
Jugendlicher ueberholt wurde, eine Szene, die sich an diesem 4. April
2009 noch dutzende Male wiederholen sollte.

Tatsaechlich konnten weder die 8000 deutschen DemonstrantInnen, die
auf der anderen Seite der Europa-Bruecke standen, noch Tausende von
franzoesischen "Schlachtenbummlern" ihr Ziel, den unweit der
Europa-Bruecke gelegenen Platz erreichen, auf dem eine Stunde spaeter
die Kundgebung begann.

Weitaus flinker waren da die schwarz gekleideten Jugendlichen, die von
den uebrigen DemonstrantInnen etwas zu Unrecht als "black block"
identifiziert worden waren. Denn sie waren zwar schwarz angezogen,
aber keineswegs ein homogener politischer Block. Das zeigte sich auch,
als ein Aktivist der oesterreichischen Anti-Imperialistischen
Koalition einem der "schwarzen" Buben, die gerade das Zollhaus in
Brand gesteckt hatten, einen Flyer reichte, in dem die Anerkennung der
palaestinensischen Hamas gefordert wurde, und der spontan mit den
Worten reagierte: "Hamas, um Gottes willen! Die sind doch
Terroristen!".

Diese Jugendlichen hatten bereits ein oder zwei Naechte im Camp hinter
sich, von wo es Stunden zu Fuss ins Stadtzentrum dauerte. Gemeinsam
marschierten mit den etwa 2000 "Schwarzen" auch die Clowns, die sich
lustig verkleidet hatten, um die Anrainer zum Lachen zu bringen und
einzuladen, sich der Demo anzuschliessen.

Doch es kam anders: die Polizei blockierte ausgerechnet jene
Zufahrtswege, die die deutsch-franzoesische Demoleitung mit den
Polizeibehoerden muehsam ausgehandelt hatte, was einen
"Schlagabtausch" zwischen den steinewerfenden "Schwarzen" und den CRS
mit jeweils Dutzenden verletzten DemonstantInnen zur Folge hatte.
Augenzeugen zufolge waren dies vor allem auf eine "falsche" Handhabung
der Patronen mit den Gummigeschossen zurueckzufuehren. Anstelle die
Geschosse zuerst auf den Boden zu richten, wurden sie blindlings in
die Menge geschossen...

Trotz dieser Kanonaden schafften es etwa 10 000 Menschen immer wieder
sich zusammenzufinden, bis sie vor einer nur etwa 10 Meter breiten
Bahnunterfuehrung zum Stehen kamen. Die Polizei hatte den Durchgang
untersagt, weil auf der anderen Seite ein Hotel zu brennen begonnen
hatte, wobei die Urheberschaft dieses Brandanschlages bis zur Stunde
ungeklaert ist.

Jetzt waren die DemonstrantInnen gefangen: waehrend sich an der Spitze
des Demonstrationszuges die "Schwarzen" mit der Polizei schwere
Gefechte lieferten, hatte die Polizei zwei oder drei Keile in die
Menge getrieben und dadurch den Demozug in mehrere Teile zergliedert.
Gleichzeitig waren die "Schwarzen" anscheinend bereit, Barrikaden
anzuzuenden, ein Vorhaben, von dem sie dann unter dem Druck der Menge
doch Abstand nahmen.

Einige Gruppen von CRS stellten den "Schwarzen" nach und knueppelten
sie nach dramatischen Verfolgungsjagden nieder. Wie in einem
Buergerkrieg gingen daraufhin die nicht schwarz gekleideten
DemonstrantInnen mit erhobenen Haenden durch die von der Polizei
errichteten Sperren, wobei Jugendliche herausgegriffen und verhaftet
wurden.

Wie nach einer verlorenen Schlacht marschierten bei Sonnenuntergang
Tausende in die ausserhalb des Stadtkerns von Strassburg gelegenen
Camps, die sich fuer ein paar Tage zu regelrechten Widerstandsdoerfern
entwickelt hatten. Vermutlich war es dem kleinen Mann vom Elysee
gelungen, dass die Blicke der illustren Runde, die gekommen war, den
60- jaehrigen Bestand des Nato-Buendnisses zu feiern, von keinem
einzigen Demonstranten gestoert wurden.
*Leo Gabriel*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin