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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. April 2009; 17:57
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Demonachlese/Glosse/Termin:

> "Wir zahlen nicht fuer Eure Krise!" Wetten, dass doch?!

Oder wollt Ihr wirklich die Marktwirtschaft abschaffen?

"Wir zahlen nicht fuer Eure Krise!", wurde diese Demonstration
genannt. Schoen waer's. Tatsaechlich wird laengst bezahlt! Die
Demo-Aufrufe benennen das auch: Wenn die Maerkte einbrechen, wenn in
Industrie und Handel die Geschaefte schrumpfen, dann wenden die
Unternehmen Schaden von ihren Bilanzen ab, indem sie ihn nach Kraeften
an ihre Arbeitskraefte weitergeben: Sie entlassen, verordnen
Kurzarbeit, senken Loehne. Sie passen ihre Kosten an die verminderten
Geschaeftsgelegenheiten an und verteidigen ihre Gewinnrechnungen. An
dieser Front findet der Kampf darum statt, wer in welchem Mass Opfer
zu bringen hat dafuer, damit das "Wachstum" wieder in Gang kommt, d.h.
die ganze kapitalistische Scheisse wieder ihren profitlichen Verlauf
nimmt. Wer sich die Rolle als Kostenfaktor nicht mehr gefallen lassen
will; wer es satt hat, in Zeiten der Konjunktur mit flexibler
Arbeitsbereitschaft fuer das Wachstum der Profite bereit zu stehen und
in der Phase der Schrumpfung die Firmenbilanzen durch Lohnverzicht zu
sanieren, der/die kommt um eine Kuendigung seiner/ihrer Rolle als Ware
Arbeitskraft nicht herum. Die Aufrufe zu dieser Demonstration
schimpfen teilweise lautstark auf den Kapitalismus und verlangen "ein
anderes Wirtschaftssystem, das Mensch und Natur dient" - aber den
Kampf um die Abschaffung des Kapitals halten sie nicht fuer noetig.

Stattdessen fordert der gemeinsame Aufruf einen "Systemwechsel". Ein
merkwuerdiger Systemwechsel ist das, der all die Figuren wieder mit an
Bord nimmt, die in der schlechten alten Gesellschaft das Sagen haben
und deren Profitmacherei all die aufgezaehlten Uebel von der Armut in
Europa und in der Welt bis hin zum Klimawandel verursacht.

- Die "Vermoegenden" und "Profiteure" zum Beispiel. Sie sollen
grundsaetzlich bleiben, was sie sind. Nur ein bisschen mehr
"beitragen" zum grossen gemeinsamen Ganzen, indem man ihnen
"Vermoegenssteuern" aufbrummt, um die staatlichen Kosten der
Bankenrettung zu mindern.

- Denn die Banken muessen selbstredend gerettet werden! Auch sie sind
in der "solidarischen Gesellschaft" unverzichtbar. Nur prosperierende
Banken koennen der Wirtschaft Kapitalvorschuss auf Kredit spendieren -
und Kapital braucht die arbeitende Bevoelkerung ja so noetig wie das
taegliche Brot, nicht wahr? Nur vermoegende, vor Geld strotzende
Banken koennen leisten, was der Demo-Aufruf - ganz gerecht - von ihnen
verlangt: die "Finanzierung aller Krisenkosten" inklusive der so
unumgaenglichen "Sanierung des Finanzsektors" ...

- Die Wirtschaftskapitaene aus der "Realwirtschaft" werden
selbstverstaendlich auch gebraucht in der neuen "oekologischen und
solidarischen Gesellschaft": Wer sonst koennte den Kredit der Banken
verwenden und neben dem eigenen Profit noch den Zins fuer die Banken
aus der Arbeit herauswirtschaften. Nur erfolgreiche Ausbeutung kann
die Arbeitsplaetze sichern, die das Volk braucht! Die muss wieder in
Gang kommen. Denn fuer die kapitalismuskritischen Aufrufe scheint das
Uebel des Kapitalismus nicht darin zu bestehen, dass es in diesem
System Lebensunterhalt fuer Arbeiter nur gibt, wenn ihre Arbeit Profit
abwirft. Sondern darin, dass der Kapitalismus gegenwaertig mal nicht
so wie sonst funktioniert!

Nicht nur die Reichen und Maechtigen, auch die Armen und Abhaengigen
treten in der "solidarischen Gesellschaft" wieder in ihren alten
Rollen auf: Wozu fordert man wohl einen "Sozialen Schutzschirm", wenn
man nicht davon ausgeht, dass es weiterhin ohnmaechtige und
schutzbeduerftige Sozialfaelle geben wird:

- Einen "Mindestlohn" fuer die Beschaeftigten in den beschissen
bezahlten Sektoren. Diese sollen der Gesellschaft offenbar erhalten
bleiben!

- "Hoeheres Arbeitslosengeld" - bei selbstverstaendlich
fortbestehender Abhaengigkeit des Grossteils der Leute von der
Freiheit derjenigen, die Arbeitsplaetze einrichten oder streichen,
Menschen einstellen oder entlassen!

- Wofuer eine "Entschuldung" der Laender des "globalen Suedens",
wofuer einen "gerechten Handel", wenn nicht dafuer, dass das
marktwirtschaftliche Regime von Kredit & Schuld, Handel & Gewinn
weitergehen soll?!

Geht's noch etwas bescheidener?! Sind das die "Kreativitaet" und
"Fantasie", die gern beschworen werden? Was soll man schon erwarten
von einem Demonstrationsaufruf, der die "Menschen vor Profite" setzen,
also lediglich die Rangordnung der beiden hohen Gueter korrigieren
will? Profit soll schon sein, aber der Mensch darf darueber nicht
vergessen werden, oder wie?! Mensch und Profit sollen ko-existieren
koennen, so ist es doch gemeint? - Wie passt das dazu, dass Profit von
vornherein auf Kosten der arbeitenden Menschen geht!? Dass der
vielgeruehmte Arbeitsplatz betriebswirtschaftlich gar nichts anderes
ist als ein Kostenfaktor; der Gewinn also das, was der "Arbeitgeber"
aus seinen Lohnabhaengigen herausholt!

Sieht so die "andere Welt" aus? Ist das das "neue Wirtschaftssystem",
die "solidarische Oekonomie", fuer die demonstriert wird?

Natuerlich nicht, denn mit Mindestsicherung, "repressionsfreiem"
Existenzminimum, Schuldennachlass etc. ist die "solidarische
Gesellschaft" noch nicht fertig. Das alles seien nur
"Sofortmassnahmen", "erste Schritte" - aber Schritte wohin? Die
Demo-Aufrufe zaehlen viele Uebel auf, die das kapitalistische
Wirtschaften bei der Klasse der Lohnabhaengigen verursacht, aber sie
wenden sich nicht gegen das Kapital, sondern gegen angeblich zu
Unrecht Bevorzugte. Sie wenden sich nicht gegen den Staat, sondern im
Gegenteil vertrauensvoll an ihn, er moege den Schaeden Grenzen setzen.
Also an genau die Adresse, die mit ihrer politischen Macht durch die
Garantie des Privateigentums die Wirtschaftsmacht des Kapitals in die
Welt setzt, absichert - und derzeit versucht, mit moeglichst viel Geld
wieder anzukurbeln. Eine "sozialere Politik" soll die Schaeden
einhegen, die die Wirtschaft verursacht. Im Fordern nach
Schadensbegrenzung werden all die oekonomischen Prinzipien, die im
Kapitalismus herrschen, und all die sozialen Rollen, die er
hervorbringt, vorausgesetzt und anerkannt. Das ist nicht ein erster
Schritt zur Abschaffung des Kapitalismus, es ist der Ruf nach einer
Organisation der Armut, der diese Ausbeutungsoekonomie begleitet,
solange es sie gibt. Und der fromme Wunsch, dass die Gegensaetze, die
der Kapitalismus braucht und bestaendig reproduziert, "solidarisch" zu
"loesen" waeren.

Wer nicht weiterhin zum Opfer von Krise und Krisenbewaeltigung gemacht
werden will, wer in einem neuen Aufschwung nicht erneut Mittel des
Profits sein will - der hat anderes zu tun, als danach zu rufen, dass
die Obrigkeit sich mit "uns allen" an einen Tisch setzt!!

Ihr wollt nicht zahlen fuer die Krise des Kapitals? - Dann verweigert
Euer Mitmachen! Und feilscht nicht mit der Staatsgewalt um
"Gerechtigkeit" und Preisnachlaesse bei der Bezahlung der
Krisenlasten.
(Aussendung Gegenstandpunkt)
*

GegenStandpunkt & Diskussion
"Neoliberalismus" gescheitert?
Wie linke "Kritiker" den Kapitalismus "nachhaltig" machen wollen.
Dienstag 21. April, 19 Uhr
Uni Wien, NIG HS 2,
Universitaetsstrasse 7, 1010 Wien



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