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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Maerz 2009; 17:30
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Recht und Gesetz:

> Asyl in Not: Wir trauern um Josef Rohrboeck

Asylrichter Josef Rohrboeck ist am 14. Februar 2009 gestorben. Er war
ein Pionier des Asylrechts, einer der ganz Grossen in diesem Bereich.
Einer, der unbeugsam fuer Gerechtigkeit und Menschlichkeit eingetreten
ist.

Ich habe eine Weile gewartet, ob vielleicht der Asylgerichtshof einen
Nachruf auf einen seiner Gruender veroeffentlicht. Bis heute ist aber
auf der Homepage http://www.asylgh.gv.at/ nichts dergleichen zu sehen.
Ueberhaupt hat sich das offizielle Oesterreich, das sonst so viele
Traenen vergiesst, wenn AmtstraegerInnen (auch solche uebelster Art)
aus dem Leben scheiden, ueber Rohrboecks Tod in Schweigen gehuellt.

Josef Rohrboeck war Leuten mancher Sorte stets ein Dorn im Auge. So
scheiterte er Anfang der Neunzigerjahre mit dem Versuch, die
Asyl-Fachabteilung des Innenministeriums zu einer serioesen
Berufungsbehoerde zu machen. Weil er rechtswidrige Bescheide behob,
zog er sich die Ungnade des damaligen Innenministers Loeschnak und des
Sektionschefs Manfred Matzka zu und wurde strafversetzt.

1998 war Rohrboeck Gruendungsmitglied des Unabhaengigen
Bundesasylsenats (UBAS), dessen Judikatur er massgeblich praegte.
Nicht zuletzt durch ihn wurde der UBAS (oder sagen wir besser: ein
Teil davon...) erstmals zu einer echten Berufungsinstanz.

Rohrboeck war unter anderem fuer Asylwerber aus Afghanistan und aus
der Tuerkei zustaendig und hat (im Zusammenwirken mit einigen anderen
hervorragenden Senatsmitgliedern sowie international renommierten
Sachverstaendigen) bahnbrechende Entscheidungen herbeigefuehrt:

So etwa dass afghanische Frauen Asyl erhalten, wenn sie nicht bereit
sind, sich den islamischen Moralbegriffen zu beugen. Aber auch viele
lang anhaengende, von Asylamt und Innenministerium verpfuschte
Tuerkeiverfahren wurden unter seiner Aegide zu einem rechtsstaatlichen
Abschluss gebracht.

Auch als Rechtswissenschafter hat Rohrboeck Grosses geleistet. Seine
Veroeffentlichungen sind Standardwerke und unentbehrliches Ruestzeug
fuer jeden, der sich ernsthaft mit Asylsachen beschaeftigen will.

Als im Vorjahr der UBAS zum Asylgerichtshof wurde, wollte man
Rohrboeck gerne los werden. Auch damals hatte Matzka seine Hand im
Spiel. Man verbreitete, Rohrboeck habe "nicht genug Erledigungen"
gebracht... Trotz schwerer Krankheit (Dialyse, Herzinfarkte) hatte er
all die Jahre unermuedlich seine Arbeit im UBAS fortgesetzt. Seine
Krankheit nutzten seine Gegner nun schamlos aus.

Durch Proteste der NGOs gelang es trotzdem, seine Uebernahme in den
Asylgerichtshof zu erzwingen. Aber dort entzog man ihm durch eine neue
Geschaeftsverteilung seine zentralen Aufgabenbereiche Tuerkei und
Afghanistan. Einigen hervorragenden RichterInnen aus seiner Schule
erging es ebenso.

Rohrboeck wurde auf die Herkunftslaender Bulgarien (!), von wo sich
bekanntlich Fluechtlingsstroeme nach Oesterreich ergiessen, und Kosovo
reduziert. Unterdessen verschlechterte sich die Rechtsprechung fuer
Fluechtlinge aus der Tuerkei, aus Afghanistan, ja sogar aus
Tschetschenien dramatisch.

Das liegt vor allem daran, dass der Instanzenzug zum
Verwaltungsgerichtshof weggefallen ist. Verfahrensmaengel, die der
Verwaltungsgerichtshof nie haette durchgehen lassen, koennen jetzt
nicht mehr angefochten werden. Das wirkt sich massiv aus:

Wer schon zu UBAS-Zeiten geneigt war, Grundregeln des fairen,
rechtsstaatlichen Verfahrens zu missachten, aber auch nicht unbedingt
zu viele Behebungen durch den Verwaltungsgerichtshof riskieren wollte,
wittert jetzt Morgenluft.

Der Verfall der Judikatur liegt ebenso daran, dass Richter wie
Rohrboeck, deren Treue zur Genfer Fluechtlingskonvention ungebrochen
blieb, an den Rand gedraengt wurden. Mitansehen zu muessen, was aus
seinem UBAS wurde, und nichts dagegen tun zu koennen, hat Rohrboeck
wohl sehr weh getan.

Wir verkennen nicht, dass im Asylgerichtshof auch einige hervorragende
neue RichterInnen sind. Der Gesamteindruck, den wir vom
Asylgerichtshof gewonnen haben, bessert sich dadurch aber nur zum
Teil.

Wir trauern um Josef Rohrboeck. Er hinterlaesst eine tiefe Luecke. Wir
werden ihn nicht vergessen.

*Michael Genner, Obmann von Asyl in Not*


WWWebtip:
http://www.asylum-online.at/
Josef Rohrboecks sowohl rechtspraktische aber auch -philosophische
Homepage



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