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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Dezember 2008; 20:42
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Glosse:

> Ein besseres Management des Kapitalismus

Linke Forderungen angesichts der Finanzkrise

Die deutsche Linke ist schon dort, wo die oesterreichische noch hin
will: Im Parlament. Dementsprechend uebt sie sich in Verantwortung
fuer den Kapitalismus, was nicht bedeutet, dass freischwebende linke
Geister besser beieinander sind. Die Krise geht jedenfalls einher mit
einer Konjunktur in der Produktion hoeheren Bloedsinns. Einige
Spitzenleistungen:

Wenn die Marktwirtschaft in der Finanzkrise Billionen-Summen verbrennt
mit unabsehbaren Folgen auch fuer Leute, die nicht Geld, sondern ihre
Arbeitskraft auf den Markt tragen, dann ist das fuer die deutsche
parlamentarische Linke eines jedenfalls nicht: ein Argument zur
Abschaffung des Kapitalismus durch Klassenkampf. Das Gegenteil ist der
Fall: Demokratische Sozialisten rehabilitieren das System. Das tun
sie, indem sie gierige Manager, also Menschen mit schlechtem
Charakter, verantwortlich machen, und sie tun es, indem sie die
Politik wegen mangelhafter Regulierung anklagen; denn das unterstellt,
das Problem liege in der Inkompetenz der Regierung und mit richtiger
Regulierung waere alles in Ordnung. Konsequenterweise rufen Oskar
Lafontaine und seine Fans im Deutschen Bundestag zu nichts Geringerem
auf, als "endlich wieder Ordnung in das System zu bringen".

Keine Frage, wen die Linke damit beauftragt: Die als geschaedigt
bedauerte Klientel der Lohnempfaenger, Sparer und Steuerzahler hat
sich da herauszuhalten. Denn das ist Aufgabe ihrer dazu besonders
berufenen politischen Vertreter aus den Reihen der parlamentarischen
und universitaeren Linken, z.B. Professor Hickel von der Uni Bremen,
der frueher als staats- und kapitalismuskritischer Wissenschaftler
auftrat: "Wir brauchen eine strenge Regulierung ... wir brauchen einen
TUeV. Warum werden Nahrungsmittel kontrolliert, marode Finanztitel
aber nicht?"

Ohne den nationalen Plural geht gar nichts. Natuerlich brauchen "ich
und du" eine von der Produktion getrennte Finanzindustrie, mit allen
Feinheiten, einschliesslich Hypotheken, Wertpapieren und sonstigen
"Finanzprodukten", und ebenso deren Freiheit, "uns" staendig mit neuen
"Finanzinnovationen" zu begluecken. Dann aber haette der Staat
aufzutreten, mit Massnahmen, die ein kleiner Scherz sind. Fuer ein
aufgelegtes Wertpapier echtes Geld zu erloesen, oder besser, erloest
zu haben, ist der erstklassige und einzige Beweis der Guete dieses
Papiers. Das weiss man aber leider erst nach der Marktplatzierung –
und ob sich dieser Wert eines Tages in Luft aufloest, weiss man immer
erst hinterher ... Also braucht es den Staat als echt unabhaengige und
vertrauenswuerdige Werpapierkontrolle – mit der wundersamen
prophetischen Gabe, heute schon zu wissen, welche Papiere morgen
"faul" sind. Ob der Professor ueberhaupt weiss, was ein garantiert
sicheres Spekulationspapier fuer ein Unsinn ist, auch wenn genau das
jeder Anleger gerne haette?

*

Die Linkspartei fordert den Dienst des Finanzsektors fuer ihre
Lieblingskapitalisten und sieht in den Sparkassen das Ideal von einem
total sicheren Finanzmarkt in etwa verwirklicht. Der Parteivorstand
fordert per Beschluss vom 29. September eine "Gewaehrleistung
ausreichender und zinsguenstiger Kreditversorgung … speziell fuer
kleine und mittelstaendische Unternehmen; weitgehende Beschraenkung
der Aktivitaet von Banken auf das Einlagen und Kreditgeschaeft; harte
Spielregeln; dauerhaftes Verbot von Leerverkaeufen; Zurueckdraengung
und strenge Kontrolle des Investmentbankings, oeffentliche Aufsicht
von Ratingagenturen" …

Was sagt diese Linke, wenn die Schlagzeile mittlerweile lautet:
"Sparkassen verzocken sich", wenn also zu erfahren ist, dass die auch
nicht viel anders sind als die anderen? Egal – fuer diese
Politikberater waere das mal ein feiner staatlicher Dienst: Nur
diejenigen Kredite und Investments erlauben, die sicher ausgehen, und
die anderen, die platzen, gleich schon vorher verbieten – oder
zumindest zurueckdraengen – man will ja nicht unrealistisch
erscheinen. Damit ist die Linke dann ungefaehr bei den
Regulierungsvorschlaegen der liberalen und konservativen Konkurrenz,
von der sie sich hauptsaechlich durch den regen Gebrauch der
Steigerungsform unterscheidet. Sie wuerden viel "haerter, dauerhafter,
radikaler regulieren".

Letztlich besteht der Standpunkt in nichts anderem als in dem
sorgenvollen Zweifel: Muss man den Finanzkapitalisten nicht mehr
Vorschriften machen, damit das groesstmoegliche Gute beim Kapitalismus
rauskommt? Und umgekehrt: Wenn der linke Wunsch nach – nein, nicht
nach Krisenkritik, sondern – Krisenbewaeltigung nicht aufgeht, dann
waren die staatlichen Vorschriften viel zu lasch.

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Fuer Juergen Elsaesser im "Neuen Deutschland" zeigt "das US-Beispiel,
warum die Billionenhilfe vergebens war: Die Banken nutzen die
Staatszuschuesse zum Stopfen ihrer Bilanzloecher, anstatt damit
Kredite an Privatleute und Unternehmen zu vergeben."

Kredit fuer Unternehmen gut, zum Bilanzloecher stopfen schlecht? Und
was pflegen die Unternehmen mit den Krediten zu machen? Sie
investieren sie in neue Produktionsanlagen, um mit der erhoehten
Produktivitaet von weniger Arbeitskraeften ihre Konkurrenten
niederzumachen, so dass die entweder dasselbe hinkriegen muessen oder
vom Markt verschwinden – und mit ihnen der Lebensunterhalt der
Arbeiter, die sie weniger effektiv ausgebeutet haben als die
Konkurrenzsieger.

*

Sarah Wagenknecht gibt sich zusammen mit ihrer "Kommunistischen
Plattform" mit Theorien ueber das Finanzkapital nicht allzu lange ab.
Fuer sie "ist die aktuelle Finanzkrise letztlich nichts anderes als
das Resultat neoliberaler Umverteilung: Durch die Senkung von
Unternehmens-, Vermoegens- und Spitzensteuersaetzen sowie einer
Politik des Lohn- und Sozialdumpings sind jene Rekordgewinne
entstanden, die anschliessend auf den Finanzmaerkten auf der Suche
nach immer hoeheren Renditen verspekuliert wurden." "Umverteilung von
unten nach oben" – das ist der Gemeinplatz dieser Linken, der Skandal,
ueber den sie sich immer neu erregen koennen, und der jetzt sogar noch
die Ursache fuer die Finanzkrise sein soll. Die Armut der Leute
entsteht aber nicht dadurch, dass man ihnen von ihrem ehrlich
Verdienten etwas wegnimmt und es den Reichen zuschiebt. Arm sind die
Leute, weil sie wenig verdienen, und das liegt am generellen Diktat
des Kapitalismus: Arbeit muss fuer die Reichen rentabel sein, d.h. die
Produktion von Profit verlangt aeusserste "Kosteneffizienz" beim
Einsatz der bezahlten Arbeit, also niedrige und zu senkende Loehne bei
maximaler Leistungsanforderung.

Soll man wirklich glauben, der Reichtum im "Finanzsektor" speise sich
aus dem Geldbeutel der kleinen Leute, dazu noch aus einer Spende des
Staates, der immer nur den "kleinen Leuten" das Geld wegnimmt, den
Reichen aber die Steuern senkt? Dem widersprechen schon die Zahlen:
Allein der so genannte "Kreditderivatemarkt" hat ein Volumen von 52
Billionen Dollar.

*

Den Linken scheint es eben zu reichen, wenn sie die Rollen von gut und
boese klar verteilt haben. Staat, Konzerne und Banken auf der einen
Seite nehmen der Bevoelkerung auf der anderen Seite etwas weg und
veranstalten damit Blasen, die dann auch noch kaputtgehen. Eine
weitere Erklaerung der Sache scheint sich zu eruebrigen, weil der
Kapitalismus sich ja selbst an die Wand faehrt. Das beweist
ausreichend die Ungerechtigkeit des Systems, was diese Linke schon
immer gewusst hat. Und die raecht sich jetzt am System, gibt ihnen
also recht. Joern Schulz in "Jungle World":
"Weil es seit Mitte der achtziger Jahre kaum noch offensive
Klassenkaempfe gab, konnten die Konzerne sich einen immer groesseren
Teil des Mehrwerts aneignen, wussten aber nicht, was sie mit dem
vielen Geld anfangen sollten… Mittlerweile ist der Finanzmarkt so
komplex, dass viele Banker zugeben, selbst nicht mehr durchzublicken."

Das ist mal glasklar argumentiert! Grund der Krise ist das, was fehlt,
der Klassenkampf. Ohne den machen die Kapitalisten doch nur Unsinn,
wissen mit Geldueberfluss nichts Gescheites anzufangen und machen aus
lauter Verlegenheit einen Finanzmarkt auf, den sie selber nicht
verstehen. Es ist schon absurd, den Klassenkampf deswegen zu
vermissen, weil dann die Kapitalisten eine Finanzkrise hinlegen. Die
Auskunft, dass die Leute immer weniger Geld haben und dass das
geaendert gehoert, ist diesem Mann viel zu billig. Wenn er der
Gegenseite einen Schaden fuer sie selbst vorrechnen kann, meint er,
ein unschlagbares Argument zu haben. Wenn die Kapitalisten das Geld
verspekulieren und abstuerzen, zeigt sich, wie berechtigt der
Klassenkampf gewesen waere. Und wie wertvoll fuer alle! So machen sich
dann "offensive Klassenkaempfer" die merkwuerdigsten Sorgen um das
Funktionieren des Kapitalismus: "Wird den Kapitalisten zu viel
Freiheit gelassen, untergraben sie die Grundlagen ihres
Wirtschaftssystems. Sie verhalten sich wie kleine Kinder vor einem
Eisstand … Das Kind mault, wenn es nicht genug bekommt, insgeheim aber
ist es sogar dankbar, denn es ahnt, dass es sich selbst nicht vor den
Bauchschmerzen bewahren koennte … Die Kapitalisten wuerden maulen,
waeren aber insgeheim sogar ein bisschen dankbar, denn sie ahnen, dass
sie als Klasse mit unbeschraenkten Freiheiten unfaehig sind, die
Wirtschaft zu stabilisieren."

Die Linke muss sich also als Erziehungsinstanz fuer kindische
Kapitalisten verstehen und wird dann – zwar "insgeheim", aber doch –
am Schluss von denen Dank ernten.

*

Einer von der DKP fuehrt vor, wie man dafuer sorgt, dass sich die
Kapitalisten nicht uebernehmen: "Massnahme Nr. 1 fuer diese notwendige
Umkehr ist der Kampf der Gewerkschaften fuer eine kraeftige Steigerung
der Loehne und Gehaelter. Auch weitere Forderungen zur Hebung des
Einkommensniveaus vor allem der armen Schichten ... und zur hoeheren
steuerlichen Belastung von Profiten, hohen Einkommen und Vermoegen
beruehren stets auch die Frage der monetaeren Verfuegensmasse von
Kapital und Reichen und sind geeignet, einen Teil der ueberschuessigen
Geldfluten trocken zu legen." (isw-report Nr. 75, September 2008)

Es ist also das Anliegen des DKP-Mannes, "ueberschuessige Geldfluten
trocken zu legen". Dafuer erscheinen Lohnerhoehungen und hoehere
Steuern fuer hohe Einkommen und Vermoegen gleichermassen brauchbar.
Einfach hoehere Loehne zu fordern, weil die heutigen Einkommen nicht
zum Leben reichen, ist jenseits dieses Weltbildes. Ebenso wenig kommt
die Frage auf, warum die Loehne nie reichen: Das liegt Zweck am der
ganzen Veranstaltung, von Bankkapital und "Realwirtschaft"
gleichermassen und kooperativ betrieben: Aus einer Geldsumme immer
mehr Geld zu machen! Stattdessen schliessen diese Kaempfer gegen die
kapitalistische Pleite auf ein dem System zugrunde liegendes
"monetaeres" Missverhaeltnis. Dieses wollen sie durch einen Lohnkampf
der Gewerkschaften wieder ins Gleichgewicht gebracht sehen.

Linke wollen den Kapitalismus vor dem Finanzkapital retten!
(GegenStandpunkt)



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