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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Dezember 2008; 20:43
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Glosse:

> Zu Kreuze gekrochen

Das Christentum und die Sozialdemokratie

In Linzer Kindergaerten werden bald Kreuze haengen. Der
sozialdemokratische Buergermeister Franz Dobusch hat den
einschlaegigen Begehrlichkeiten von "Volks"partei und katholischer
Kirche nachgegeben. Mit der Entscheidung bricht Dobusch mit einer
jahrzehntelangen Tradition in der oberoesterreichischen Hauptstadt,
die Kindergartenkinder dem Einfluss von Religionsgemeinschaften
entzogen hatte.

Zwingen liess sich Dobusch nicht. Nur bitten. Nach einem "Runden
Tisch" war keine Rede mehr, dass es die Trennung von Staat und Kirche
verletzen wuerde, wenn die Stadt Linz Kreuze in den Kindergaerten
aufhaengen lassen wuerde. "Es gibt eine Interpretation des
Landesgesetzes insofern, dass man damit diese religioese
Grundsatzorientierung gemeint hat und damit koennen wir sehr gut
leben, weil damit sind wir auch einverstanden." Ein schneller Schwenk.
Wenige Tage davor hatte Dobusch noch angekuendigt, er werde zum
Verfassungsgerichtshof gehen, wenn ihn die OeVP-dominierte
Landesregierung zwingen wuerde, die Kruzifixe aufzuhaengen.

Der oberoesterreichische Landeshauptmann Josef Puehringer (OeVP), ein
ehemaliger Religionslehrer, zeigte sich zufrieden, dass seine
Strategie aufgegangen war. "Meiner Partei geht es um mehr als die
Praesenz des Kreuzes. Es soll wie in den Schulen auch in den
Kinderbetreuungseinrichtungen als Symbol fuer religioese Erziehung
stehen", sagte er als Reaktion auf den Kniefall des Linzer
Buergermeisters. Unterstuetzung hatte er von Anfang an vom Linzer
Bischof Ludwig Schwarz erhalten. Als sich die "Volks"partei immer mehr
auf Dobusch einschoss und einen Kulturkampf inszenierte, schaltete
sich Schwarz als "Vermittler" ein. Der vom Vatikan ernannte Bischof
lud die demokratisch gewaehlten Repraesentanten der Landeshauptstadt
und der Landesregierung zu einem "Runden Tisch" ein. Dort sollte das
Problem geklaert werden. Worin das seiner Meinung nach bestand, hatte
Schwarz von Beginn an klar gemacht: Dass die Linzer Kindergartenkinder
nicht taeglich mit Kreuzen konfrontiert waren. Die Stadt Linz hatte
seit Kriegsende keine religioesen Symbole in
Kinderbetreuungseinrichtungen zugelassen. Die Behoerden erhoben nicht
einmal die Religionszugehoerigkeit der Kinder.

"Natuerlich auch ein Kunstgriff, um sich die Kreuze wenigstens in den
Bereichen zu ersparen, wo man einen Einfluss nehmen kann", erklaert
ein oberoesterreichischer Sozialdemokrat. Er zeigt sich von der
Entscheidung von Franz Dobusch tief enttaeuscht. Zumal Dobusch sich
gleich beim ersten Anlauf von Schwarz und Puehringer zu Tode umarmen
liess.

Bittere Kommentare hoert man auch aus Wien. Der Freidenkerbund
Oesterreich hatte sich hinter Dobusch gestellt und das Linzer Konzept
als vorbildlich gelobt. Wenigstens die Kleinsten wuerden als Kinder
behandelt und nicht als Angehoerige einer Religionsgemeinschaft. "Es
waeren keine Sozialdemokraten, wenn sie hier nicht nachgegeben
haetten", sagt Martin Luksan, Bundesobmann der Freidenker. Der
Sarkasmus in seiner Stimme ist nicht zu ueberhoeren. Wie viele
Gesinnungsfreunde hat er der SPOe den Bruch mit dem Freidenkertum
nicht verziehen. Als sich Bruno Kreisky der Kirche annaeherte, war die
ehemalige Speerspitze der atheistischen Aufklaerung in der
Arbeiterbewegung eher unerwuenschtes Schmuddelkind, das den neuen
Kuschelkurs haette stoeren koennen.

Enttaeuschung zeigt auch ein E-Mail, das ein weiterer Freidenker an
den Linzer Buergermeister gerichtet hat. Der Schreiber ist auch
SPOe-Mitglied. Er hatte den ersten Aeusserungen Dobuschs Glauben
geschenkt, dass er sich die Kruzifixe nicht aufzwingen lassen werde:
"So weit kann es mit der aufklaererischen Haltung nicht her gewesen
sein, wenn Du beim ersten Anzeichen eines Sturms in die Knie gehst. In
die Knie vor dem Klerus und der reaktionaer agierenden Volkspartei,
die von einem ehemaligen Religionslehrer gefuehrt wird.", heisst es in
dem Mail.

Dobusch hat nicht auf den Protest reagiert. Das letzte, was von ihm in
der Causa zu hoeren war, ist, dass in Linzer Kindergaerten bald die
Kreuze haengen. Mit einer Trennung von Staat und Kirche hat das auf
einmal alles nichts mehr zu tun – auch wenn, sogar laut Dobusch, die
religioese Erziehung der Kinder das Ziel dieser Massnahme ist.
*Viktor Englisch*


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