**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. November 2008; 19:24
**********************************************************

Nachwahlkraempfe:

> Kindermaedchen von der Steuer absetzen

Die Koalitionsverhandlungen sind um eine Posse reicher. Die "Zehn
Fragen" des geschaeftsfuehrenden OeVP-Obmanns Josef Proell haben zu
keiner Eskalation gefuehrt. SPOe-Vorsitzender Werner Faymann fuehlte
sich offenbar nicht unter Druck gesetzt. Das Frage-Anwort-Spiel zeigt,
dass beide Parteien in angeblich wesentlichen Punkten umgefallen sind.

Josef Proell war mit seinen "zehn Fragen" weniger Herr der Lage als
erhofft. Montagnachmittag hatte ihn Werner Faymann ausgebremst und den
etwas seltsamen Fragenkatalog beantwortet, anhand dessen sich die
Beobachter der heimischen Innenpolitik gefragt hatten, worueber SPOe
und "Volks"partei 50 Tage lang verhandelt hatten. Proell, der tags
zuvor Saebel rasselnd Interviews gegeben hatte, machte eineinhalb
Stunden spaeter einen Rueckzieher. Er sei "recht zufrieden" mit den
Antworten Faymanns: "Weitere Gespraeche sind sinnvoll", sagte er
Montagabend Journalisten. Was die Oeffentlichkeit ratlos zurueckliess,
wozu der reichlich kurze Theaterdonner gedient hatte. Zumal die
Antworten, die die Austria Presse Agentur zitiert, so banal ausfallen
wie die "Zehn Fragen".

Unter anderem bekennt sich Werner Faymann bei Frage Eins zum gemeinsam
Budget und stellt in Frage Zwei fest, dass sich Steuerreform und
Konjunkturpaket II schon ausgehen werden. Das habe man schon vorher
paktiert. Extrawuensche hat er offenbar keine. Bei Frage Drei kann man
viel hineininterpretieren. Von der Lohnsteuersenkung solle vor allem
"der Mittelstand ueberdurchschnittlich hoch" profitieren. Was der
Mittelstand ist, sagt Faymann nicht. Ein alter Streitpunkt zwischen
SPOe und OeVP. Immerhin stellt er klar, dass die Steuerersparnisse bei
der hoechsten Einkommensgruppe gedeckelt werden sollen. Nichts wird's
mit dem Spitzensteuersatz von 46 Prozent, den die OeVP so vehement
fordert. Josef Proell zeigt sich "recht zufrieden". Dem kommt Faymann
mit einem eigenen Umfaller entgegen. Kindermaedchen sollen von der
Steuer abgesetzt werden koennen. Eine alte schwarze Forderung. "Eine
neue Bundesregierung muss sich zur (...) steuerlichen Absetzbarkeit
von Kinderbetreuungskosten bekennen", heisst das im Faymann'schen
Fachsprech. Was dem Ansatz widerspricht, die Steuerentlastung fuer
Spitzenverdiener zu deckeln. Niemand sonst kann sich Kindermaedchen
leisten. Vor wenigen Monaten war die SPOe gegen die gleichen
OeVP-Forderungen Sturm gelaufen.

Bei den Pensionen duerfte es eine Abfuhr fuer die Schwarzen geben.
Faymann will, dass mehr Frauen und Ueber-50-Jaehrige arbeiten, um das
Pensionssystem zu sichern. Indirekt fordert er auch mehr
Kinderbetreuungsplaetze. "Langfristiges Monitoring" solle nur Basis
fuer politische Entscheidungen sein. Von Pensionsautomatik keine Rede.
Unter anderem an dieser Frage war die letzte rot-schwarze Koalition
zerbrochen. Keine klare Antwort auch auf die Frage: "Bekennt sich die
SPOe dazu, dass sich auch staatsnahe Betriebe marktwirtschaftlich
weiterentwickeln muessen?" Ja und Nein, schreibt Faymann. Im Prinzip
ja, aber die oeffentlichen Aufgaben der oeffentlichen Betriebe
muessten schon noch wahrgenommen werden duerfen. Interessant und
bezeichnend ist, dass die SPOe bei einer Frage nach der inneren und
aeusseren Sicherheit ungefragt das Thema Migration erwaehnt: "Eine
verantwortungsvolle Zuwanderungspolitik muss sich an den Interessen
Oesterreichs orientieren. Das bisherige Quotensystem konnte nicht
praezise genug die Beduerfnisse des oesterreichischen Arbeitsmarktes
und der Gesellschaft abbilden. Eine neue Regelung ist anzustreben".

Die ersten Reaktionen Proells zeigen, dass Faymann seine kuenstliche
Huerde genommen haben duerfte. Bleibt die Frage, ob angesichts der
No-Na-Fragen und der No-Na-Antworten auch das Konfliktpotential der
weiteren Verhandlungen bewaeltigt wurde. Oder ob der naechste
Theaterdonner unmittelbar bevorsteht. Das duerfte auch davon
abhaengen, ob die "Zehn-Fragen-Posse" die skeptischen schwarzen
Funktionaere beruhigt hat. Oder ob sich auf SP-Seite Widerstand
dagegen breit macht, Kindermaedchen von der Steuer abzusetzen oder die
Themen Migration und Sicherheit miteinander zu verknuepfen.
*Viktor Englisch*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin