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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. November 2008; 19:33
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Frankreich:

> Verhaftungen wegen Hakenkrallen-Anschlaegen

Der Staat macht wieder einmal auf Anti-Terror-Kampf.
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In Frankreich kam es am 11. November unter anderem in Paris, Rouen,
der Region Meuse und im kleinen Dorf Tarnac in Zentralfrankreich zu
Verhaftungen in Zusammenhang mit Hakenkrallenangriffen auf Zugstrecken
am vergangenen Wochenende. Den Berichten zufolge wurden 10 Personen
verhaftet, die wahlweise als Angehoerige einer "anarchistischen" oder
"anarcho-autonomen" Gruppe oder "Zelle" mit internationalen Kontakten
zu gleichgesinnten Gruppen beschrieben werden. Politiker und Medien
stricken in ihren ersten Kommentierungen am Konstrukt eines
internationalen "Terrornetzwerks" und einer Wiederkehr "linken
Terrorismus" im Stile der 70er Jahre. Solche Deutungen stehen im
auffaelligen Wiederspruch zu Stellungnahmen der Polizei, die
bestaetigen, dass die Hakenkrallen auf den Oberleitungen offenbar
umsichtig angebracht wurden, um eine Verletzung von Menschen
auszuschliessen.

Die Hakenkrallen-Anschlaege auf Oberleitungen der
Hochgeschwindigkeitszuege TGV fanden am 9.November statt und wurden
mit dem Transport hochradioaktiven Atommuells von La Hague nach
Gorleben in Verbindung gebracht. Nach den erfolgreichen Anschlaegen
auf drei Zugstrecken am Samstag war es bei ueber 160
Hochgeschwindigkeitszuegen zu Verspaetungen gekommen. Auch bei
internationalen Zuegen nach Bruessel, London und den Niederlanden kam
es zu Verzoegerungen.

Da der Hakenkrallen-Aktion keine Absicht zur Verletzung von Menschen
attestiert worden war, haben die Behoerden einen Zusammenhang zu einem
Vorfall in Suedfrankreich am 10.November, bei dem ein TGV gegen einen
auf den Gleisen zurueckgelassenen Betonblock stiess, ausgeschlossen.
Die Polizei geht davon aus, dass es sich dabei um eine Aktion von
NachahmerInnen handelte, die "nicht mit der anarchistischen Bewegung
verbunden" sei.

An den Razzien sollen ueber 300 Polizeibeamte beteiligt gewesen sein.
Laut Angaben des franzoesischen Innenministeriums wurden zunaechst 20
Personen verhaftet, dann aber nur mehr 10 weiterhin festgehalten
worden sein. Angeblich soll ein Fingerabdruck in der Naehe eines
Tatorts die Ermittler auf die libertaere Kommune in Tarnac gebracht
haben.

Von den zehn Verhafteten ist eine mittlerweile wieder auf freiem Fuss,
offensichtlich konnte sie plausibel erklaeren, warum sie als Mutter
ihre Tochter mehrmals auf dem ueberwachten Bauernhof besucht hatte.
Die anderen wurden am 15.11. nach 96 Stunden "garde ā vue"
(Polizeigewahrsam) endlich einem Haftrichter vorgefuehrt. Waehrend des
Gewahrsams hatten sie bisher nur aeusserst eingeschraenkt ein Recht
auf einen Kontakt von maximal 30 Minuten mit einem Anwalt, da sie
unter Anti-Terror-Gesetz angeklagt sind. Die Staatsanwaltschaft hat
die Anklage in einer Medienkonferenz praesentiert: Fuenf werden als
harter Kern bezeichnet. Ihnen wird vorgeworfen, "eine verbrecherische
Vereinigung mit terroristischer Absicht" begruendet zu haben und "die
Urheber von gemeinschaftlicher Sachbeschaedigung am Schienennetz mit
terroristischer Perspektive" zu sein, Delikte die mit bis zu zehn
Jahren Gefaengnis bestraft werden.

Trotz der eindeutigen Hinweise, dass es den UrheberInnen lediglich um
Sachbeschaedigungen ging und jegliche Gefaehrdung von Menschen
ausgeschlossen wurde, ueberschlagen sich PolitikerInnen und Medien nun
darin, die Verhafteten als furchteinfloessende, gewalttaetige
Charaktere zu beschreiben, die Teil eines internationalen Netzwerks
sein sollen. Die franzoesische Innenministerin Michele Alliot-Marie
sagte, der politische Geheimdienst habe die "ultralinke anarchistische
Bewegung" seit Monaten beobachtet und nach den Anschlaegen vom
Wochenende zugeschlagen. "Wir haben festgestellt, dass diese
ultralinke Bewegung ueber Verbindungen in fuenf europaeische Laender
und in anderen nicht-europaeischen Laendern verfuegt" hiess es. Den
Verhafteten werden u.a. Kontakte in England, Belgien, Deutschland,
Italien und Griechenland unterstellt. Alliot-Marie behauptete weiter:
"Diese Individuen zeichnen sich durch eine totale Ablehnung jeglicher
demokratischen politischen Meinungsaeusserung und einen extrem
gewalttaetigen Tonfall aus."

Die franzoesische Presseagentur AFP liess ausserdem verlauten, eine
Quelle aus dem Umfeld der Ermittlungsbehoerden habe sie darueber
informiert, dass moegliche Verbindungen zwischen den Verdaechtigen und
der deutschen "extremen Linken" untersucht wuerden, welche "die
Verantwortung fuer Aktionen gegen Zuege uebernommen hat, die Atommuell
transportieren".

Die britische "Times" stellt einen Zusammenhang zwischen den
Verhafteten und bewaffneten Gruppen wie der RAF, Action Directe oder
den Roten Brigaden her, behauptet die UrheberInnen der
Hakenkrallen-Anschlaege haetten sich von der franzoesischen Action
Directe inspirieren lassen und zaehlt auf, wie viele Tote auf das
Konto der einzelnen bewaffneten Gruppen gehen. Auch in allen anderen
Berichten ueber die Ereignisse wird die angebliche Gewalttaetigkeit
der UrheberInnen betont und die Existenz eines internationalen linken
Netzwerks beschworen.

Den Verhafteten werden nun auch nicht mehr bloss die Anschlaege auf
die TGV-Oberleitungen vorgeworfen. Am 14.11. berichteten
englischsprachige Medien, das FBI habe zwei von ihnen mit einer
Brandstiftung auf ein Rekrutierungszentrum des US-Militaers am New
Yorker Times Square im Maerz in Verbindung gebracht.
(Indymedia/akin)

Quellen u.a.: http://at.indymedia.org/node/12025 und
http://de.indymedia.org/2008/11/232793.shtml (An dieser URL gibt es auch
noch eine Sammlung von Links zu Presseberichten buergerlicher Medien)



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